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Ton und Scherben

Ton und Scherben heißt ein neuer kleiner Indie-Comic aus der Jaja-Schmiede. Demonstrativ schlicht gestaltet, aber ästhetisch sehr ansprechend und hochwertig verarbeitet, reiht sich das Heft nahtlos ein in eine ganze Serie von Veröffentlichungen, die man durchaus als Gegenentwurf zum „Höher, Schneller, Weiter“ der modernen Gesellschaft sehen darf. Statt großer Erzählungen gibt es intime Eindrücke, statt „professionellem“ Artwork naive Kinderzeichnungen, die aber, bei näherer Betrachtung deutlich erkennbar, natürlich von geschulter Künstlerhand entworfen sind.

Ton Scherben 2

© Alle Bilder: Jana Kreisl, Jaja Verlag

Entstanden ist die Erzählung Ton und Scherben aus einer Reihe von Interviews heraus, die die Künstlerin Jana Kreisl mit älteren Frauen geführt hat, um einen Steinbruch an Material für potenzielle Comics zu erhalten. Es ist eine traurige Geschichte daraus geworden: Eine junge Studentin verliebt sich während eines Keramikkurses in einen interessanten jungen Mann: „Ich habe mich in seine Hände verliebt. Die waren so groß und trotzdem konnte er so filigrane Formen machen.“ Zwischen den beiden funkt es, so dass sie beschließen, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Aber das Glück ist nicht von Dauer. Bald entwickelt der Mann ein Alkoholproblem und kriegt nichts mehr auf die Reihe. Stattdessen wird er wehleidig, jähzornig und – das wird vage angedeutet – gewalttätig.

Jana Kreisl erzählt dieses stille Drama unaufgeregt und geradlinig. Die reduzierten, zärtlich und zerbrechlich wirkenden Bilder erzeugen eine wirkungsvolle Intimität. Es ist wie eine Art Voodoo: Für sich betrachtet machen die naiven Bilder nicht viel her, aber am Ende sind sie tatsächlich derart mit Inhalt aufgeladen, dass der Funke vom Erzähler auf Leser überspringt. Es ist stets das gleiche mit diesen minimalistischen Comics: Zunächst mag ich diesem Stil nicht viel zutrauen,  aber ein ums andere Mal beweisen Künstler wie Jana Kreisl, dass er in bestimmten Kontexten hervorragend funktioniert.

Ton Scherben 3

Dabei geht die Künstlerin erzählerisch geschickt vor. Vieles bleibt unerzählt und angedeutet, so dass der Leser das Geschehen in seiner Vorstellung selbst ergänzen muss. Das ist schon aus ästhetischen Gründen notwendig, da der gewählt Stil wohl nur für Geschichten in der kleinen Form tragfähig ist. Gleichzeitig verdichtet sich durch das gezielte Weglassen die Erzählung. Jana Kreisl zeigt ein gutes Gespür für Timing und schafft es, am Ende der Erzählung noch eine bittere Pointe einzubauen, die das soeben Gelesene zusätzlich mit Bedeutung auflädt. Damit wird Ton und Scherben zur gelungenen Short Story, die einige Zeit nachwirkt und zum zweiten Lesen einlädt.

Schnell zu lesen – aber inspirierend, berührend und schön gemacht.

Ton und Scherben7von10
Jaja Verlag, 2015
Text und Zeichnungen: Jana Kreisl
34 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 8 Euro
ISBN: 978-3-943417-73-9
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