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Punisher: Mission Fury

Es scheint, als erzähle Garth Ennis mit seinem Punisher derzeit nur noch Geschichten über Vietnam. Ist das eine Kapitulation vor der amerikanischen Realität von 2025?

Das Titelbild ist eine schöne Reminiszenz an „Amazing Spider-Man #129“ von 1974, dem Heft mit dem allerersten Punisher-Auftritt. Ansonsten erinnert wenig an die unschuldigen Jahre von damals. Alle Abbildungen © Panini/Marvel

Schon der Anfang von Mission Fury lässt befürchten, dass dieser Comic aus der „Opa-erzählt-vom- Krieg“-Kiste kommt. Der alte Vietnamese Letrong Giap, man kennt ihn aus Fury: My War Gone By, erzählt von früher, von einer seiner Begegnungen mit Nick Fury und Frank Castle, dem Punisher. „Alles was bleibt, ist Unfug“, wird er sagen, und „[W]enn das Leben eines Mannes danach beurteilt wird, welche Feinde er hatte, wurde ich reich beschenkt.“ Ein alter Soldat, der auf alte Feindschaften zurückblickt und erkennt, wir waren doch alle gleich. Ernst Jüngers Im Stahlgewitter schlägt auch in diese Kerbe.

Die titelgebende „Mission Fury“ besteht darin, dass Frank Castle im Auftrag des Geheimdienstes tief in feindlichem Gebiet den von der NVA gefangenen Nick Fury liquidieren soll; man befürchtet, dass Fury sonst unter der Folter einknickt und Staatsgeheimnisse preis gibt. Frank Castle wird natürlich trotzdem alles dafür tun, seinen Kriegskameraden zu befreien; aber auch das haben die Hintermänner bereits antizipiert und eine weitere Sicherung eingebaut, damit dunkle Geheimnisse für immer im Boden Vietnams vergraben bleiben.

Von der Erzählstruktur her ist Mission Fury eine typische Actionstory, wie man sie so ähnlich schon oft gelesen hat. Die subversive Qualität von Garth Ennis‘ präzisem Plot steckt in den Details: So oft auch schon behauptet wurde, dass Ennis Superheldencomics verachte, so selten bekam man bisher zu lesen, dass er Kriegscomics verachtet. Sein ungnädiger Blick auf Captain Fury lässt aber durchaus darauf schließen, dass ihm die unreflektierte Sparte patriotischer Heldenerzählungen, insbesondere über Nick Fury, ziemlich gegen den Strich gehen dürfte. Schon in Fury: My War Gone By war Nick Fury ein zynisches Schwein, bei dem der Zweck alle Mittel heiligt. In Mission Fury wird dessen Verstrickung in schmutzige Geschäfte, respektive dessen Billigung solcher Machenschaften, stellvertretend für die Verstrickung der USA, noch deutlicher herausgearbeitet.

Auch Frank Castles spezielle Kampftechnik Splat Fu kommt selbstredend zum Einsatz (Folgepanel, hier nicht abgebildet).

Garth Ennis macht in Punisher, was die amerikanische Administration derzeit – es ist Sommer 2025 – zu eliminieren versucht. Er wirft einen grellen Spot auf amerikanische Verbrechen (Drogenschmuggel, Heroin, das in die Leichen gefallener Soldaten eingenäht ist, Flächenbombardements der Zivilbevölkerung), und er beschmutzt die einst durchaus strahlende Heldenfigur Nick Fury und damit ein us-patriotisches Denkmal – selbst wenn es sich nur um eine Comicfigur handelt.

Gerade letzteres treibt Ennis diesmal mit einiger Symbolkraft so deutlich, dass mir inzwischen klar wird, dass Fury von Ennis mehr oder weniger schon immer als Hassfigur angelegt war, anders als der Punisher, der eher noch als Vehikel für die Artikulation von Wut gegenüber der erdrückenden Hoffnungslosigkeit dient. Diesmal wird Fury buchstäblich mit Scheiße beschmiert und im Foltergefängnis in Grund und Boden erniedrigt und entwürdigt, was in etwa so unangenehm berührt, als würde man zum ersten Mal Pasolinis 120 Tage von Sodom sehen. Das mag zumindest teilweise auch Garth Ennis‘ üblicher Herangehensweise geschuldet sein, menschliche Grausamkeit so ungefiltert wie möglich zu schildern, trotzdem fällt auf, dass es schon wieder Jim Sterankos Fury ist, der hier in den Dreck geworfen wird. Ich sehe darin ein ziemlich großes „Fuck You“ gegenüber der MAGA-Bewegung und dem Project 2025. Diese Arbeit ist ein Statement gegen Geschichtsklitterung.

Fuck for Fury!

Zeichner Jacen Burrows‘ Artwork ähnelt dabei nur auf dem ersten Blick der Arbeit Steve Dillons, denn seine Bilder sind kälter und klinischer. Sie korrespondieren so trefflich mit Garth Ennis‘ neu erwachter politischer Präzision, wie dies früher Steve Dillon gelang, als für Ennis noch Ironie das wichtigste erzählerische Anliegen war.

Garth Ennis‘ Arbeit ist auch im vierten Jahrzehnt seine Schaffens von unbedingter Relevanz.

8von10Punisher: Mission Fury
Panini, 2025
Text: Garth Ennis
Zeichnungen: Jacen Burrows
Übersetzung: Bernd Kronsbein
140 Seiten, Farbe, Softcover
Preis: 18 Euro
ISBN: 978-3741639111
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