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Herbst in der Hose

Nun ist es amtlich: Konrad und Paul sind tatsächlich miteinander alt geworden. Das hätte leicht anders ausgehen können, denn Reibungsflächen und Konfliktpotenzial gab es bei diesen beiden Charakterköpfen, die Ralf König nun schon seit den 1980er Jahren begleiten, genug. Das liegt vor allem am Naturell von Paul, denn im Gegensatz zum ausgeglichenen Konrad ist Paul sehr umtriebig, was nicht immer beziehungsförderlich ist. Tatsächlich ist Paul aber viel mehr als ein Stichwortgeber für launige Beziehungskomödien. In meinen Augen ist Paul einer der großen Helden der Comicgeschichte, wenn nicht gar ein Archetyp.

Alle Bilder © Ralf König, Rowohlt Verlag

„Ich will jung sein, gesund sein, Spaß haben und ficken!! Und das in alle Ewigkeit!! Ist das etwa zu viel verlangt?!!“ tönte Paul 1999 in Super Paradise, und schon damals war klar, dass dies angesichts seiner HIV-Infektion, die zum Glück nie ausbrach, ein utopischer Wunsch war. Aber wie John Constantine, der Hellblazer, kämpft Paul gegen das unabwendbare Schicksal an, krank und alt zu werden, nur dass beim Hellblazer noch Gott das tragische Schicksal in die Schuhe geschoben werden konnte. Bei Ralf König dagegen können wir sicher sein, dass es – dem Nichtexistenten sei’s gedankt – keinen Gott gibt. Und anders als Jesse Custer, der Preacher, um gleich noch auf eine andere Großtat von Garth Ennis zurückzugreifen, kann man diesen Gott auch nicht erschießen, um ihm die Quittung für dieses Scheißleben zu geben. Nein, bei Ralf König heißt der Arsch, dem wir das zu verdanken haben, Evolution, und die ist leider unangreifbar. „Evolution ist ’ne Bitch“, zetert Paul angesichts der Tatsache, dass der Mensch sein Sexualorgan nicht hat, um damit Spaß zu haben, sondern um sich zu vermehren und sich anschließend um die Aufzucht zu kümmern. Ob göttlicher Plan oder Evolution ist dann schon egal. Beides macht uns fremdgesteuert. Entsprechend versucht Paul gar nicht erst, in Würde zu altern, sondern stemmt sich mit allem, was er aufbieten kann, gegen das Unvermeidliche. Das ist natürlich tragisch anzusehen, aber Paul war schon immer der Mann, der für uns auch die niedersten Triebe auslebt und entsprechend dafür leidet. Das ist seine Größe.

Herbst in der Hose bietet uns ein Wiedersehen mit all den liebgewonnen Figuren des Konrad und Paul-Kosmos. Lutger und die anderen Kumpels sind wieder dabei, Konrads Freundin Brigitte und natürlich auch Pauls schräge Familie. Anders als bisher geht es in der Handlung aber nicht um einen klar abgegrenzten Zeitraum. Ralf König begleitet seine Helden diesmal tatsächlich bis ins hohe Alter. Das ist ein bisschen wie bei Flix, der in seinem Debutcomic Held ja auch keinen Zweifel daran gelassen hat, wie die Erzählung einmal enden wird und ebenfalls den Erzählbogen von der Wiege bis zur Bahre spannte.

Trotzdem nimmt sich Ralf König für seine Erzählung den Raum, den sie braucht und streut auch wieder kleine gereimte Passagen ein, diesmal in Form einer griechischen Tragödie, die das Drama der Andropause vorwegnimmt, noch bevor sie Paul vollends überfährt. Schade eigentlich, dass der griechische Chor, der ja sogar auf dem Cover abgebildet ist, keine weitere kommentierende Funktion mehr einnimmt, sondern nur still zwischen den Kapiteln seine Schreckensmasken zeigt. Aber die Erzählung hätte eine deutlich andere Richtung einschlagen müssen, um diesen Kunstgriff zu rechtfertigen – und es wäre sonst wohl zu sehr wie Mighty Aphrodite von Woody Allen geworden. Am Ende hätten alle nur noch auf den Deus Ex Machina gewartet, und den brauchen Konrad und Paul ja nun gerade nicht. Ihr Happy End besorgen sich die beiden Helden selbstverständlich selbst, angemessen charmant und zu den Figuren passend, dass man sich mitfreuen und am Ende noch mal herzlich lachen kann.

Ein wunderbares letztes Kapitel zur großen Erzählung um Konrad und Paul – aber hoffentlich nicht der letzte Konrad-und-Paul-Comic.

Herbst in der Hose
Rowohlt, 2017
Text und Zeichnungen: Ralf König
176 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 22,95 Euro
ISBN: 978-3498035754
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