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Gay Manga: Priapus

Mentaiko Itto mag in der Gay-Manga-Szene noch nicht ganz so bekannt sein wie Gengoroh Tagame oder Takeshi Matsu, aber hat sich bereits in Japan sowie durch inoffizielle Fan-Übersetzungen im Netz auch international eine gewisse Anhängerschaft erobert. Und die Lektüre von Priapus zeigt schnell, dass er sich die Aufnahme in die Gmünder-Reihe verdient hat. Neben gut gebauten Typen, großen Schwänzen und Spermafontänen setzt der Manga-Autodidakt Itto in seinen Geschichten vor allem auf Humor der absurden und ironischen Art.

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Mehr als die Hälfte des Bandes füllen drei Episoden um den titelgebenden Priapus, einen griechischen Fruchtbarkeitsgott (ursprünglich „Priapos“), der schon von den Etruskern und Römern gerne mit einem mächtigen eregierten Schwengel dargestellt wurde. („Priapismus“ ist übrigens auch die medizinische Bezeichnung für eine Dauererektion.) Obergott Zeus, hier überraschend im bübchenhaften Twink-Look, der von den nicht enden wollenden Grausamkeiten der Menschen genug hat, beauftragt den mit Dreitagebart, züngelnden Tribaltattoos und übermenschlichem Sexappetit ausgestatteten Sohn von Aphrodite und Dionysos damit, die gesamte Menschheit auszulöschen – aber ohne Blutvergießen, bitte! Für Priapus liegt die beste Strategie dafür auf der Hand: Wenn er alle Männer auf der Erde schwul macht, gibt es auch keine Nachkommen mehr und das Problem löst sich ganz friedlich von selbst. Und so beginnt er mit seiner Mission, die irdischen Männer umzudrehen, einen nach dem anderen. Überaus hilfreich ist dabei sein Inventar an göttlichen Sex-Superkräften, die wie die „Special Skills“ vieler Manga- und Anime-Helden vor dem Einsatz kurz vorgestellt werden.

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Zwei der folgenden drei Geschichten greifen das Motiv des zuerst (scheinbar) nicht ganz freiwilligen Sex unter Männern, der dann aber allen Beteiligten umso mehr gefällt, auf: In „Gachinko Battle“ stehen sich zwei Martial Arts-Kämpfer bei einem von den Göttern ausgerichteten Turnier im Ring gegenüber. Gewinner ist jedoch nicht, wer zuletzt steht, sondern wer den anderen zuerst kommen lässt. Die in Shounen und Sport-Manga beliebte Turniersituation zwischen zwei Rivalen bietet hier einen spaßigen Rahmen für Over-the-Top-Sexszenen, die wie actionreicher Kampfsport umgesetzt sind und zugleich das Genre augenzwinkernd parodieren.

In „1/4“ wird ein egoistischer Schüler auf weniger als ein Viertel seiner Körpergröße geschrumpft und muss nun als Mini-Ausgabe seiner Selbst Sex mit jemandem haben, für den er wirklich etwas empfindet. Hier setzt der Autor noch stärker auf Comedy als zuvor – etwas anderes wäre bei dem abstrusen Plot aber auch schwer vorstellbar gewesen. Nur die abschließende und kürzeste Geschichte „1000 Meters Deep“ um zwei Schwimmer und ihre – freiwillige – (Sex-)Beziehung fällt in ihrer Ernsthaftigkeit etwas aus dem Rahmen.

Ittos Zeichnungen erscheinen mir als Nicht-Manga-Experte ziemlich versiert und nahezu makellos, seine Männerfiguren sind jung, sexy und durchtrainiert, aber keine überproportionierten Muskelklopse wie bei Tagame und manch anderem Künstler. Sex ist bei ihm im besten Sinne Action und dementsprechend inszeniert er ihn – und dies mit einem guten Händchen für abwechslungsreiche Panelfolgen und Seitenlayouts. Zudem gibt es mehrmals gekonnt gezeichnete Einblicke in das Innere des Männerkörpers beim Geschlechtsakt. Das alles hat durchaus seinen erotischen Reiz, gleichzeitig kitzelt es in seinem Irrwitz wiederholt die Lachmuskeln.

Natürlich sind die Geschichten dünn und hauptsächlich Anlass für ausgiebige Fick-, Blas- und Rimmingszenen. Aber für reinen Porno sind die Erzählungen und Figuren dann doch zu liebevoll ausgearbeitet – und vor allen Dingen zu unterhaltsam.

PS: Abstriche muss man leider beim Druck des Mangabands machen: Auf einigen Seiten sind die Sprechblasen an den Rändern beschnitten, wodurch manchmal Teile der äußersten Buchstaben fehlen. Das wäre bei einem dialogstarken Comicroman zwar dramatischer, es stört aber auch hier, sieht amateurhaft aus und darf bei einer ausgelieferten Verlagspublikation eigentlich nicht vorkommen.

Priapus
Bruno Gmünder, April 2015
Text/Zeichnungen: Mentaiko Itto
Übersetzung ins Englische: David Murray
160 Seiten, s/w, Softcover
Preis: 19,99 Euro
ISBN: 978-3-86787-794-7

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