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Währenddessen … (KW 45)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Christian: Ui, ein auf den Kopf gestelltes Kreuz. Is‘ ja krass. Dazu eine Texas-Slide Guitar und Horror-Gedröhne aus der Büchse. Der Trailer zur Fernsehserie Preacher, die 2016 ausgestrahlt werden soll, erinnert an die Ästhetik von The Walking Dead auf demselben Sender, The Devils‘ Rejects und diesem Kevin-Smith-Film, den ich auf dem Fantasy-Filmfest vor drei Jahren genötigt wurde zu sehen. Was ich vermisse, ist die entspannte Optik von Steve Dillon, die der zugrundeliegenden Comicserie und dem schrägen Plot erst die nötige Coolness verlieh. Stattdessen gibt’s die übliche Serienperfektion, die aber bei allem Bemühen um Dreck und Derbheit gelackt und gestylt wirkt. Sieht so aus, als würde der etablierte Standard der TV-Serien langsam zur Sackgasse.

Daniel: „‚Cause she’s a supergirl“ singt Rea Garvey in dem gleichnamigen Song. Doch nur weil DC Comics nur auch Kara Danvers auf die Mattscheibe bringt, ist das noch lange kein Grund, sich die neue CBS-Serie Supergirl auch anzusehen. Da muss schon mehr kommen. Viel mehr kommt aber nicht. Der Pilot zur Serie beginnt relativ seicht mit einer Ursprungsgeschichte: wie Kal-Els Cousine auch vor Kryptons Zerstörung losgeschickt wird und auch auf der Erde landet. Sie wird von Selbstzweifeln geplagt, ob sie wirklich das Familienwappen und die damit verbundene Verantwortung ein Superheld zu sein, tragen soll. Das dauert etwa zehn Minuten, und dann ist alles klar. Sie trägt blau und rot und bekämpft ihren ersten Superschurken. Und begeht so die drei kapitalen Fehler, die zuvor Serien wie Arrow und Flash begangen haben:

  1. Zeig nicht gleich in der ersten Folge das Kostüm!
  2. Versuch nicht, sofort gegen einen Superschurken zu kämpfen!
  3. Lass dem Alter Ego Raum, sich zu entfalten!

Und dabei wurde Melissa Benoit so gut gecastet – egal ob als Supergirl oder Kara Danvers. Die Schauspielerin zeigt eine quirkiness, die man von Anne Hathaway kennt: eine Mischung aus Andrea Sachs in Der Teufel trägt Prada und Catwoman aus The Dark Knight Rises. Leider kann sie sich neben ihrem Cast nicht entfalten: Der afroamerikanische Jimmy Olsen, Calista Flockhart als Chefin und die überprotektive Schwester (Chyler Leigh) lassen dafür keinen Raum. Die Supergirl-Serie könnte so viel sein. Doch bereits in der Pilotfolge ist der Weg zur drittklassigen Superheldenserie geebnet.

Stefan: Mein Medienkonsum war wieder so massiv, dass ich über Delirium, das neue Album von Ellie Goulding schreiben könnte, welches am Freitag erscheint. Es enthält auch den Song „Love me like you do“ vom Soundtrack zu Fifty Shades of Grey. Dessen Erfolg brachte auch die Britin noch weiter nach vorn. Völlig berechtigt! Ebenso wunderbar gefällt mir das Buch S – Das Schiff des Theseus von J.J. Abrams. Der Regisseur des neuen Star Wars-Kinofilms ist Co-Autor. Dann war ich in Hamburg zur Stand-Up-Comedy von Cartoonist Piero Masztalerz, und alles davon wäre lange Texte wert. Ich will aber lieber noch passend zum November den Tod und Krankheit erwähnen. Der 2013 durch Suizid verstorbene Schriftsteller Wolfgang Herrndorf hat mich mit zwei Hörbüchern sehr gefesselt. In Arbeit und Struktur lässt er uns sein Blog lesen und miterleben, wie ein unheilbarer Hirntumor in den letzten Lebensjahren sein Leben geprägt hat. Parallel dazu arbeitete er an fiktionalen Stoffen, etwa an Tschick, einem Buch in der Tradition von J.D. Salingers Der Fänger im Roggen. Melancholisch, bittersüß, relevant, durchaus auch tröstend und der letzte Tipp, den ich in diesen Beitrag zur schönen Kolumne Währenddessen gepfropft habe.

tschick

Andi: Nach Victoria mein zweites diesjähriges Kinohighlight aus deutscher Produktion: Lars Kraumes Politthriller Der Staat gegen Fritz Bauer. Dem unermüdlichen Einsatz des deutsch-jüdischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer ist es zu verdanken, dass Anfang der 1960er Jahre die Auschwitz-Prozesse stattfanden, mit denen Deutschland endlich begann, seine Völkermordsverbrechen aufzuarbeiten. Weniger bekannt ist die Rolle, die Bauer ein paar Jahre früher bei der Auffindung und Ergreifung von Adolf Eichmann, einem der Architekten des Holocausts, gespielt hatte. Nachdem Bauer von Eichmanns Versteck in Argentinien erfuhr, stand er vor dem Problem, dass der deutsche BND, wie auch Politik und Justiz, zu Teilen noch immer aus Alt-Nazis und deren Sympathisanten bestand, und Eichmann von diesen gewarnt werden könnte. Also sah er seine einzige Möglichkeit darin, mit dem israelischen Mossad Kontakt aufzunehmen. Das brachte Bauer, der als Holocaust-Überlebender, Jude und Sozialdemokrat eh schon vielen aus der Nazi-Zeit überdauerten Justiz-Kollegen ein Dorn im Auge war, in Gefahr, als Landesverräter angeklagt zu werden.

„Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland“, soll Fritz Bauer einmal gesagt haben. Und diese paranoide Atmosphäre hat Regisseur und Co-Autor Kraume gekonnt in Bilder eingefangen, aus denen einem der Mief des Nachkriegsdeutschlands der späten 1950er fast spürbar entgegenschlägt. Neben der handwerklich gekonnten und spannenden Inszenierung ist Hauptdarsteller Burghard Klaussner (Die fetten Jahre sind vorbei) die große Attraktion des Films. Er geht nicht nur völlig in der Rolle des kettenrauchenden, lakonisch-bärbeißigen Juristen aus Schwaben auf, sondern überzeugt auch in den leisen Szenen, in denen es um Bauers geheimgehaltene und unterdrückte Homosexualität geht. Denn in einer Zeit, in der homosexuelle Handlungen mit Gefängnis bestraft wurden, war Bauer klar, dass er seinen zahlreichen hochrangigen Feinden keine Angriffspunkte liefern durfte. Ein beeindruckender Mann, der diesen beeindruckenden Film verdient hat.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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