Wie funktioniert gute Charakterisierung in einer Geschichte? Charles Dickens wusste, wie das geht. Sein zweiter Roman, Oliver Twist, wimmelt nur so von überlebensgroßen, aber großartig ausgearbeiteten Figuren. Man denke nur an den Waisenjungen Oliver, der es wagt, im Waisenhaus einen Nachschlag einzufordern, oder an den jungen Taschendieb, der sich Artful Dodger nennt und der Oliver ins kriminelle Milieu einführt. Jede Gesellschaftsschicht ist bei Dickens durch pointierte Typen repräsentiert, das geht vom sozial engagierten Bürger hin zu bornierten und trägen Beamten, von Bediensteten, die sich ihr eigenes Überleben in der Hackordnung sichern müssen, bis hinunter zu den Prostituierten, den Räubern und den Gangstern. In Oliver Twist ist vor allem die Unterwelt in schillernden Farben gezeichnet. Sowohl der Räuber Bill Sikes als auch dessen Partner, der jüdische Bandenchef und Hehler Fagin, gehören zu den großen Schurkengestalten der Weltliteratur.