Rezensionen
Schreibe einen Kommentar

Undertaker 1 – Der Goldfresser

Schon die erste Seite der neuen Westernserie Undertaker hat einen am Haken – was vor allem am geschickten Einsatz des Off-Kommentars liegt, der offen lässt, wer da eigentlich gerade erzählt, denn ein Protagonist ist da noch nicht zu sehen. Die naheliegende Annahme, dass von demjenigen, der im Bild zu sehen ist, auch der Off-Kommentar stammt, führt hier nicht weiter. Sind es etwa die Geier, die hier Bericht erstatten? Leisten sich die Autoren da einen kleinen Scherz?

undertaker_01_cover

© Splitter Verlag

Nein, das nicht, denn der eigentliche Erzähler, die namensgebende Hauptfigur der Serie, ist erst im letzten Panel der Seite zu sehen. Dass man aber seinen Monolog erst den Tieren zugeordnet hat, sorgt sowohl für einen grimmigen Humor als auch für eine Parallele zwischen den Aasfressern und dem Helden. Eine sehr passende Analogie, schließlich handelt es sich bei letzerem um einen Bestatter. Später nimmt er dann auch einen der geflügelten Aasfresser als Haustier. Das ist zwar spätestens seit Lucky Luke nicht gerade neu, da dort oft die Bestatter satirisch mit einem Geier als ständigem Begleiter ausgestattet sind, aber hier wird es konsequent ausgearbeitet, inklusive Futterbeschaffung, und sorgt für die wenigen humoristischen Anteile des Comics.

Dieses ist recht düster ausgefallen, was natürlich auch mit dem Beruf der Hauptfigur zu tun hat. Allein schon deswegen ist der hier etablierte Held ziemlich ungewöhnlich und bringt Frische in die ausgetretenen Pfade des Western. Man kann sich zu Beginn durchaus fragen, wie eine Story mit so einem Mann funktionieren kann, dessen Profession nicht zu den klassischen Berufen gehört, wie man sie normalerweise aus dem Western kennt, und die nicht sonderlich viele Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen scheint. Ein Sheriff als Held hätte andere Optionen, sowohl in der Art zu handeln, als auch bei möglichen Storyinhalten und Wendungen. Das gilt auch für auch Kopfgeldjäger und Soldaten, die meistens unterwegs sind und auf ihrem Weg Abenteuer erleben. Doch ein Bestatter? Da erwartet man nicht die üblichen Duelle, Jagden und Reisen, welche ein Panorama des Westens entfalten können. Doch hier spürt man die Autorenschaft von Xavier Dorison (Das dritte Testament, W.E.S.T., Long John Silver), der gerne Twists einbaut und mit den Erwartungen der Leser spielt. Zum einen hat der Totengräber keine feste Niederlassung, sondern bekommt per Telegramm Aufträge für Bestattungen. Dadurch muss er auf Reisen gehen, was neue Handlungsspielräume eröffnet. Zum anderen ist die Geschichte packend und kann sich von einigen Genreklischees lösen.

undertaker_01_seite_05

© Splitter Verlag

Der Beerdigungsunternehmer Jonas Crow wird damit beauftragt, die Leiche eines reichen Minenbesitzers in dessen allererste Mine zu bringen, um sie dort zu bestatten. Doch dieser Mann hat all sein Hab und Gut verkauft und den Erlös in Form von Goldnuggets verschluckt. Er war so geizig, dass er seinen Reichtum in sein Grab mitnehmen wollte. Leider bleibt das Geheimnis keines und viele wollen an die Leiche und damit an das Gold kommen.

Man fragt sich wirklich, wie ein einfacher Bestatter das alles überstehen soll. Es ist schon ein Kompromiss und ein gewisses Einknicken der Autoren, dass sich ihr Bestatter Crow als ehemaliger Revolverheld entpuppt, der durchaus mit seinen Fäusten und mit Revolvern umzugehen versteht. Ein Glück für die Serie ist die Tatsache, dass sie auf Klischees weitgehend verzichtet und die Motivation aller Figuren aufdeckt. Diese sind nicht rein böse oder rein gut, sondern vielschichtiger angelegt. Dadurch weiß man aber als Leser auch nicht so genau, wem man seine Sympathie schenken soll. Dennoch ist es eine äußerst wohltuende Überraschung, dass hier so gut wie jede Figur komplex ausgefallen ist. Zeichner Ralph Meyer setzt das gut um, indem er Schatten stark nutzt, um die jeweilige emotionale und psychische Verfassung der Figuren herauszustellen. Die Dialoge sind sehr gelungen und das schöne Setting kann ebenfalls überzeugen. Auch mit Kritik am Raubtierkapitalismus wird nicht gespart. Auf jeden Fall können auch Leser, die schon genug von Western haben, hier mehr als einen Blick riskieren.

Die ungewöhnliche, klischeefreie Story glänzt mit vielschichtigen Figuren

Undertaker 1 – Der Goldfresser
Splitter Verlag, 2015
Text: Xavier Dorison
Zeichnungen: Ralph Meyer
Übersetzung: Tanja Krämling
48 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 14,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-127-7
Leseprobe

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.