Für einen Krimi hat dieser Comic von Xavier Coste einen schön doppeldeutigen Titel. Der bezieht sich in diesem Falle nämlich nicht nur auf Verbrecher, die sich vor dem Gesetz verstecken, sondern auch auf eine Überschwemmungskatastrophe, während derer die Straßen von Paris in den Fluten versinken.
1910 erreichte die Seine einen Rekordpegelstand und setzte die Hauptstadt Frankreichs außer Gefecht. Der hoch verschuldete Engländer Eddie nutzt die Gunst der Stunde, um gemeinsam mit seiner Freundin Agatha und neu gewonnenen Komplizen eine Bank auszurauben. Coste vermengt hier zwei historische Vorkommnisse zu einer einzigen fiktiven Geschichte: Das Jahrhunderthochwasser von 1910 gab es wirklich und die beiden Hauptfiguren basieren auf einem realen Gangsterpärchen, dessen Geschichte hier aber nicht biographisch exakt geschildert wird. Die durch Vermischung dieser Elemente entstehende Handlung ist zwischen Krimi- und Abenteuergenre angesiedelt, im weiteren Verlauf kommen auch noch exotische Länder und wilde Eingeborene vor. Das macht auf den ersten Blick einen relativ seltsamen Eindruck, ist aber inhaltlich gut begründet.
Denn der männliche Anti-Held wird gefasst und in eine der Strafkolonien Frankreichs gebracht. Diese liegt zwar in einer vermeintlich paradiesischen Gegend, doch gibt es dort auch wilde Tiere und unfreundliche Eingeborene. Der Leser sollte sich also auf einen Bruch in der Erzählung vorbereiten: Coste begnügt sich nicht damit, von der Planung und Durchführung des eigentlichen Raubzuges zu erzählen, sondern spinnt die Geschichte weiter und führt sie über das Heist-Genre hinaus. Wobei unklar ist, warum eigentlich.
Man könnte natürlich annehmen, dass Coste seine Figuren noch nicht allein lassen und unbedingt zeigen wollte, was ihnen nach der eigentlichen Tat widerfährt. Doch wird dabei das größte Manko dieses Comics nur noch deutlicher: seine emotionale Unterkühltheit. Die Figuren bleiben so oberflächlich, dasss man keine Empathie zu ihnen aufbauen kann. Das wiegt umso schwerer, da alle relevanten Handlungen aus der Liebe von Eddie und Agatha motiviert sind. Nur: man glaubt ihnen nicht. Es gibt keine Szenen, die das wirklich belegen, man erfährt kaum etwas über die Hintergründe und die gemeinsame Geschichte des Paars und so muss man das alles einfach hinnehmen. Die Story an sich ist hingegen durchaus glaubhaft und strukturell gut durchdacht. Coste überlässt nichts dem Zufall, außer bei dem recht unbefriedigenden und abrupten Ende.
Der größte Pluspunkt von Untergetaucht ist jedoch die graphische Gestaltung. Teils sind die Bilder mit Aquarellfarben, teils mit Öl und Tusche gezeichnet, was dem Ganzen einen sehr leichten und fließenden, aber wiederum auch kalten Charakter verleiht. Das harmoniert wunderbar mit der Wasserthematik und lässt den Leser in die gewünschte Atmosphäre eintauchen. Viele Panels ähneln Gemälden, inklusive der deutlich sichtbaren Pinselstriche; trotz des realen Hintergrunds des Hochwassers schaffen der Stil und die Technik eine surreale, traumhafte Stimmung, die verdeutlicht, wie sehr die Welt nicht nur durch die Flut, sondern auch das Verbrechen aus den Fugen geraten ist. Ornamenthafte Verzierungen einiger Seiten und großer Panels sowie das Aufbrechen von Konventionen in der Seitengestaltung, eine Hommage an die Stiltechniken der „belle epoque“ wie etwa bei Toulouse-Lautrec, verleihen dem Geschehen zusätzlich einen historischen Rahmen. Sie schaffen aber gleichzeitig eine weitere Distanz des Lesers zu den Taten der kriminellen „Helden“. So pendelt der Band ständig hin und her – man ist einerseits von der Technik begeistert, kann aber andererseits zu keinem Zeitpunkt eine emotionale Verbindung zur Geschichte aufbauen. So bleibt am Ende – wie bei einem Hochwasser – ein Gefühl der Unterkühlung zurück.
Technisch und stilistisch hervorragend, aber leider viel zu unterkühlt erzählt.
Knesebeck Verlag, 2015
Text und Zeichnungen: Xavier Coste
Übersetzung: Carolin Müller
72 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 22,- Euro
ISBN: 978-3-86873-805-6
Leseprobe