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Oink – Himmels Schlachter

In einer dystopischen Zukunft leben und arbeiten künstlich herangezüchtete Mensch-Schwein-Hybriden in morbiden Fabrikhallen, um für das herrschende Regime Nahrung zu produzieren. Als Sklaven müssen sie unter strenger Aufsicht Schweine reproduzieren, töten und verarbeiten. Die Fabriken sind Tötungslager, in denen die Hybriden keine Fragen stellen dürfen und von der Außenwelt abgeschottet leben. Draußen, so heißt es, existiere ein Ort namens „Himmel“. Doch betreten dürfen diese nur ihre Herren.

© Splitter-Verlag

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In einer der Fabriken wächst ein Junge namens Oink auf. Erst muss er den Tod seines väterlichen Freundes mitansehen, als Erwachsener beginnt er mehr und mehr das System zu hinterfragen. Schließlich rebelliert er, tötet einen Wärter brutal, sprengt die Fabrik und flüchtet vor seinen Peinigern. Doch das ist erst der Anfang, denn Oink soll auf seinem Rachefeldzug die ganze Wahrheit hinter seiner Existenz und dem „Himmel“ erfahren.

Bereits Mitte der Neunziger hat Autor und Zeichner John Mueller die Miniserie Oink – Heavens Butcher für den Verlag Kitchen Sink Press angefertigt. Doch erst vor kurzem wurde die Überarbeitung und Erweiterung des Comics fertig, der schließlich in seiner finalen Version bei Dark Horse publiziert wurde. Mueller ist dabei ein beachtliches kleines Kunstwerk geglückt. Sein Oink benutzt Tiergestalten, die menschliche Verhaltensweisen adaptieren, und kann damit als allegorisches Werk verstanden werden. Das weckt unweigerlich Assoziationen an George Orwells Farm der Tiere oder Art Spiegelmans Maus, wenngleich hier zugegebenermaßen nur oberflächliche Verbindungen bestehen und man jede dieser Arbeiten für sich stehend betrachten muss.

Die Welt von Oink ist dreckig, rau, trostlos. Schmucklose Fabrikgebäude prägen das düstere Panorama. Die anthropomorphen Schweine, die rechtlos nur zum Zwecke der Sklavenarbeit geboren wurden, sind von Mueller einerseits als Figuren angelegt, die für den Verlust der Menschlichkeit stehen; die von den Wachmännern als Teil einer Maschinerie betrachtet werden, nicht mehr wert als die (Voll-)Schweine, die von den Hybriden geschlachtet werden. Andererseits sind sie Sinnbild für die Verkommenheit einer zukünftigen Zivilisation, die hemmungslos Wesen im Labor züchtet und mit deren Unterwerfung und Ausbeutung ihr eigenes Überleben sichert.

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Keine Frage, John Mueller bringt in seinem Comic einen deutlichen Schuss Sozial- und Gesellschaftskritik mit ein. Etwas abgehoben, aber gut sichtbar, klagt er technischen Fortschritt und Massentierhaltung an. Zumindest könnte man beim Lesen des Bandes diese Motive erkennen. Am Ende sympathisiert man freilich mit dem armen, ausbrechenden Oink, und je näher man mit diesem gemeinsam die Welt in Muellers Comic erkundet, desto mehr hofft man, dass so die Zukunft unserer Erde nicht aussehen mag.

Ein noch viel interessanteres Motiv, bei dem Kritik noch viel deutlicher anklingt, ist das der Religion. Oink ist voll von christlichen Referenzen, angefangen natürlich beim „Himmel“, einem sagenumwobenen Ort außerhalb der Fabriken, von dem man sich innerhalb der Sklavenrasse erzählt, den aber keiner der Hybriden je selbst in Augenschein nehmen durfte. Das vermeintliche Paradies könnte indes in der Realität erbärmlicher kaum sein: Ein „Kardinal“ genannter Führer hat einen pervertierten Gottesstaat erschaffen, bei dem Frankenstein-ähnliche Killer mit auf dem Kopf aufgesetzem Heiligenschein und mit biblischen Namen (der Chef der Bande heißt Judas) als sogenannte Engel die Kontrolle ausüben. Die Erkenntnis ist nicht nur für den rebellierenden Oink ein Schlag in die Fresse, sondern auch ein schockierender Fingerzeig, wozu religiöse Ideologien, egal welcher Couleur, ausarten können. Natürlich ist dies im Comic betont übertrieben dargestellt, die Botschaft ist indes klar.

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Eine richtige Augenweide sind Muellers prächtige, gemäldeartige Bilder . In Oink geht es in Sachen Brutalität nicht gerade zimperlich zu, denn wenn Oink sich erst mal ordentlich in Rage durch den Himmel schlachtet, ist das nichts für zarte Gemüter. Die zugehörigen Illustrationen sind äußerst ausdrucksstark und spiegeln die raue, dreckige Dystopie wider, in der Oink spielt. In Teilen erinnert Muellers Stil an den von Künstlern wie Simon Bisley, der ebenfalls für seine düster-kantigen Arbeiten in malerischer Optik bekannt ist.

Das einzige Manko dieses faszinierenden Comics ist eigentlich, dass die wundervoll gezeichneten Actionsequenzen im weiteren Verlauf die Handlungsebene zunehmend überlagern. Dadurch bleibt weniger Platz, um die versteckte und offene Kritik adäquat weiter zu behandeln. Das soll aber nicht den Gesamtwert dieses grafisch wie inhaltlich sehr guten Bandes zu sehr schmälern. In den USA gab es beim ursprünglichen Verlag damals noch eine zweite Oink-Miniserie, außerdem ist wohl eine komplett neue, dritte Reihe angedacht. Es wäre wünschenswert, wenn man auch hierzulande noch mehr Comics von John Mueller zu Gesicht bekäme.

Brilliante Bilder und eine mit Kritik gespickte Zukunftsvision; Oink ist nicht perfekt, aber weiß zu begeistern

Oink – Himmels Schlachter
Splitter-Verlag, 2015
Text/Zeichnungen: John Mueller
Übersetzung: Bernd Kronsbein
120 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 19,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-156-7
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