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Low 1 – Stadt ohne Hoffnung

Es mag sehr zynisch klingen, aber manchmal drängt sich der Gedanke auf, dass Künstler ihre Macken behalten sollten, um produktiv zu bleiben. So kann man durchaus behaupten, dass die Heavy-Metal-Truppe Metallica keinen guten Song mehr geschrieben hat, seit Sänger und Gitarrist James Hetfield aufgehört hat zu trinken. Was wäre ein Bukowski ohne seinen Suff, Hemingway ohne seine Jagd und ein Hitchcock ohne seinen Voyeurismus? Nun kann man den amerikanischen Comicautor Rick Remender nicht unbedingt mit solchen Größen unter den Kulturschaffenden vergleichen, zu sehr ist er im Genre verankert, aber man bemerkt zur Zeit eine deutliche Verschiebung seines Oeuvres. Was an sich nicht verkehrt wäre, wenn es denn nicht so aufdringlich ausfallen würde.

© Splitter Verlag

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Remender, der auch Superhelden ziemlich derangieren konnte wie letztens erst Captain America, hat eine Therapie gemacht, wie er im Vorwort zu seinem Science-Fiction-Opus Low offen zugibt, welche seine Sichtweise auf die Welt verändert hat. Das ist ja schön und gut und es sei ihm gegönnt. Natürlich fließt so eine neue Sichtweise in den aktuellen Stoff ein, dem kann man sich nicht entziehen. Aber muss es denn so dermaßen aufdringlich sein, dass man sich in einer Therapiesitzung wähnt? Den Aspekt des Optimismus und des positiven Denkens hätte man auch geschickt in die Handlung einweben können. Stattdessen schwadroniert die Heldin immer wieder über die Macht des positiven Denkens. Zwar stößt sie damit innerhalb der Story auf Widerstand, lässt sich aber auf Diskussionen ein, die man ebenso auch in der realen Welt eben über diesen Comic führen könnte. Remender weiß also, was er tut und welche Einwände man dagegen haben kann. Aber die Dialoge und Off-Kommentare der Heldin wirken sehr lehrbuchhaft und stören immens.

Dabei kann Stella, die Hauptfigur des Comics, ihren Optimismus durchaus gebrauchen. In der Zukunft wird die Sonne immer heißer werden und schließlich in einer Supernova vergehen. Bis es so weit ist, wird die Erde sich immer stärker erwärmen und das Leben auf ihr unmöglich werden. Soweit der wissenschaftliche Fakt; und hier setzt die Story von Low ein. Die Menschheit hat sich in Städte auf dem Meeresgrund zurückgezogen und vor Hunderten von Jahren Sonden losgeschickt, um einen bewohnbaren Planeten zu entdecken. Langsam aber sicher zerfallen nun aber die Städte, die Luftaufbereitung wird schlechter und die Technik wird anfällig. Die Menschen bereiten sich darauf vor, zu sterben. Nur Stella nicht. Sie holt eine Sonde aus der Umlaufbahn und will sie bergen. Nur muss sie dafür erhebliche Widerstände überwinden. Doch zunächst gilt es ihre Kinder zu retten.

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Alles ist umsonst, also kann man machen, was man will. Das ist der Grundtenor der Story und die Haltung des überwiegenden Teils der Figuren, dem der Optimismus der Heldin entgegensteht. Dass sie den nicht verliert, kann man kaum glauben, denn sie muss einige herbe Schicksalsschläge einstecken, welche jeden anderen zum Zerbrechen gebracht hätten. Dementsprechend unglaubwürdig ist ihr positives Denken. Zudem ist es fraglich, was sie eigentlich mit der Sonde anfangen will. Wenn schon die Technik in den unterseeischen Städten versagt, wie will man da ein Raumschiff finden, das einen auf einen anderen Planeten bringt? Schon die Grundprämisse der Handlung hat ihren Knackpunkt, ist teilweise unlogisch und nervig für den Leser.

Dabei ist die Story an sich durchaus spannend und manchmal auch sehr überraschend, weil mit einigen Konventionen gebrochen wird und Klischees über Bord geworfen werden. Wie schon in The Last Days of American Crime hat sich Remender hier mit dem Zeichner Greg Tocchini zusammengetan, der es meisterhaft versteht, mit einem sehr verwaschenen Stil die Zukunftswelt unter Wasser zu entwerfen. Es ist eigentlich logisch, dass er seine Formen, Konturen und Farben etwas zerlaufen lässt, da man sich ja unter Wasser befindet. Leider geht das zu Lasten der Lesbarkeit, da manche Abgrenzungen und Details nur noch schwer zu erkennen sind. Das ist angesichts der Opulenz und der guten Ideen besonders schade und macht das Lesen auf Dauer ziemlich anstrengend. Insofern ist die gesamte Erzählung ziemlich durchwachsen ausgefallen. Präzise und aufgeräumte Zeichnungen hätten hier deutlich mehr Eindruck gemacht und den Erfindungsreichtum des Teams gut unterstrichen. Grundsätzlich ist Low gut und faszinierend, aber sowohl der Autors als auch der Zeichner bringen stilistische Eigenheiten ein, welche die Lektüre anstrengend und nervend machen.

Stilistische Eigenheiten torpedieren dieses spannende und einfallsreiche Science-Fiction-Abenteuer.

Low 1 – Stadt ohne Hoffnung
Splitter Verlag, 2015
Text: Rick Remender
Zeichnungen: Greg Tocchini
Übersetzung: Bernd Kronsbein
176 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 24,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-098-0
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