Die französische Comicserie Freaks Squeele von Florent Maudoux existiert bereits seit 2008 und hat im Nachbarland bereits mehrere Spin-Offs hervorgebracht, auch eine Zeichentrickserie ist in Planung. Splitter bringt die Reihe nun auch nach Deutschland und legt noch vor der Hauptserie eines jener Nebenprojekte vor: Der Zweiteiler Totenfeier erzählt die Vorgeschichte von einer der zentralen Figuren. Ob sich dieser Prequel-Band wirklich als guter Einstieg in die Serie eignet?
Dieser Comic wirkt, als hätte der Autor mit einem Trichter gespielt: Man notiere viele Elemente von Mythen, Legenden, Sagen und Versatzstücken der Populärkultur auf kleine Zettel. Ganz frei, rein assoziativ. Dann werfe man sie in die breite Öffnung, wirble sie einmal kräftig durch und was dann unten herauskommt, wird gesammelt, um daraus ein Skript zu entwerfen.
Anders ist dieser wilde Mix von Zitaten und Assoziationen kaum zu erklären. Inhaltlich ergibt dieser nämlich wenig Sinn und ist nicht begründet. In einer Serie wie beispielsweise Urban, in der viele Personen kostümiert sind und die Kleidung von Comicfiguren tragen, handelt es sich um ein schönes Spiel mit Hommagen und Zitaten. Hier dagegen wirkt es weniger spielerisch, zu Beginn sogar eher befremdlich, wenn die vorgestellte Person, der namensgebende Totenfeier, direkt Assoziationen an Solomon Kane und Jonah Hex zulässt, aber auch aus den Seiten von Arawn hätte stammen können. Die erste Überraschung folgt dann auch sogleich, indem dieser Protagonist für den Rest des ersten Bandes nicht mehr zu sehen ist.
Stattdessen gibt es ein Märchen in Kurzform, in dem ein armer Ritter namens Spartakus durch Tapferkeit und große Leistungen seine Prinzessin heiraten darf und zu Ruhm und wichtigen Posten kommt. Doch die eigentlichen Hauptpersonen sind die Söhne dieses Ritters, von denen einer aufgrund einer Prophezeiung direkt dem Tode überlassen wird. Er überlebt jedoch und ein paar Jahre später treffen sich die Brüder wieder, ohne von der Bedeutung des anderen etwas zu ahnen, und bringen damit die Eltern in Gefahr.
Auch wenn die Story wenig originell klingt und lediglich vor sich hin treibt, liest man das nach anfänglicher Skepsis recht gerne. Einfach schon deswegen, weil Maudoux anfangs andere Wege beschreitet und ein Märchen von hinten her erzählt, um ein dann ein anderes – das mit den beiden Brüdern – zu beginnen. Langsam entwickelt die Geschichte ihren Reiz und Spannung, wenngleich die vielen Zitate, Anspielungen und Verweise doch etwas den Blick auf die eigentliche, ohnehin schon rudimentäre Story verstellen. Nichts davon ist neu: ein weggegebener Prinz, der aber doch nicht getötet, sondern von jemand anderem aufgezogen wurde, eine schicksalhafte Prophezeiung, Verrat, Intrigen, Mord und noch viele andere bekannte Muster, wie man sie aus Märchen ebenso wie aus antiken Sagen kennt.
Und doch hat Freaks Squeele: Totenfeier immer wieder etwas Überraschendes und kann jedem einzelnen Element eine zusätzliche Kleinigkeit abringen. Da gibt es Steampunk-Einflüsse, aber ein Junge trägt ein T-Shirt mit dem Harley-Davidson-Logo, was ihn die Jetztzeit verortet. Da erinnert eine Ritterrüstung entfernt an Batman und wenige Seiten später trägt ein Junge auf einem Maskenball in der Tat ein Batmankostüm. Die Ehrenhalle heißt Walhalla und später wird eine Hauptperson von einer Walküre abgeholt, während ein anderer Gott, eine Mischung aus einem Satyrn der griechischen Sage und dem nordischen Trickstergott Loki, Waffen und Luxusartikel verkauft, zu denen auch eine VHS-Kassette mit dem Film Terminator 2 gehört. Und die Stadt, in der das Hauptgeschehen stattfindet, ist von einem Mann namens Remus gegründet, also dem Bruder von Romulus, nach dem keine geringere Stadt als Rom benannt ist.
Aber was hat nun Rom mit Walhalla, Märchen, Batman, Steampunk, Rittern, Drachen und modernen Utensilien zu tun? Keine Ahnung. Irgendwie passt nichts zusammen und der Comic wird zum Sammelsurium der verschiedensten Elemente. An sich erscheint so eine Kombination logisch, da die Populärkultur sich immer noch der alten Muster annimmt und ohne die Erzählstrukturen und Archetypen der alten Sagen und Legenden nicht funktionieren würde. Im Laufe der kulturellen Entwicklung wurden neuere Elemente wiederum zu Archetypen, wie etwa Batman und der Terminator, und als solche passen sie hier hinein. Eine echte kreative Eigenleistung aber sieht sicherlich anders aus.
Auch stilistisch vermischt Maudoux zahlreiche Einflüsse. Da werden wieder einmal westliche Erzählstrukturen und Konventionen mit Anleihen der fernöstlichen Kunst kombiniert (der Verlag bezeichnet Freaks Squeele als „Euro-Manga“). Gerade die Figuren gemahnen in der Gestaltung der Gesichter an Manga, nicht aber die Erzählweise und die Panelgestaltung, welche wieder sehr westlich ist. Alles in allem ist dieser Comic ein einziger Freak. Aber die haben ja auch ihre Faszination. Und sei es als Kuriosum.
Ein durchwachsenes, aber faszinierendes Sammelsurium von Zitaten
Splitter Verlag, 2015
Text und Zeichnungen: Florent Maudoux
Übersetzung: Harald Sachse
80 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 17,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-084-3
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