Viele Jahre haben die Cousins Noémie und Emilien im Internat gelebt, weil ihre Eltern nicht genügend Zeit für ihre Erziehung aufbringen konnten. Umso erstaunlicher, als Noémies Familie die beiden Kinder nach sieben Jahren zu sich auf ihr stattliches Anwesen einlädt. Schnell wird klar, dass dort eine Verschwörung abläuft: Offenbar wurde Emiliens Vater entführt, als er am Jules-Verne-Wettbewerb für Erfinder mit einem innovativen Fahrzeug teilnehmen wollte. Zusammen mit ehemaligen Kollegen des Vaters begeben sich die Kinder auf den Weg von Großbritannien nach Paris, um den mysteriösen Geldgeber im Hintergrund aufzuspüren, den sie als Drahtzieher der Entführung vermuten.
Die Story zu diesem abenteuerlichen Comic stammt von Denis-Pierre Filippi, den man wohl am besten als Autor der Alben Das Buch von Jack und Das Buch von Sam kennt. Mit dem vorliegenden Band, der in Frankreich in drei Teilen erschien, begibt er sich auf das Terrain eines All-Ages-Comics. Wobei man gleich dazu sagen muss, dass der Plot mit einigen ironiebehafteten Dialogen aufwartet, die wohl nur von Erwachsenen gänzlich zu verstehen sind. Auch das Szenario ist, obwohl die Grafik es einem glauben machen will, nicht unbedingt kindgerecht. Filippi versetzt seine Handlung nämlich in ein Europa, das von Kriegshandlungen zwischen britischer Insel und Festland geprägt ist. Fast befremdlich mutet es da an, dass mitten in der französischen Hauptstadt ein Erfinderwettstreit stattfindet.
Überhaupt ist es schwer zu beschreiben, welchen Ton Eine außergewöhnliche Reise anschlägt. Auf der einen Seite befinden wir uns in einem Ersten Weltkrieg, der allerdings 1927 noch andauert, in dem die Nationalsozialisten als sog. „Dritte Achse“ auftreten und Roboterwesen, von woher auch immer, in den Krieg eingreifen. Auf der anderen Seite gibt es die im Vordergrund ablaufende Erzählung um Noémie und Emilien, ein fast schon zu schematischer und vorhersehbarer Abenteuerplot.
Ohne das Kriegsgeschehen würde man sich zuweilen wie in einem mainstreamigen Zeichentrickfilm für die ganze Familie wähnen. Aber das allein wäre, nüchtern gesehen, vielleicht auch zu langweilig. Die bedrohlichen Jagdflieger, Zeppeline, Bomben und Tiefseeroboter brechen mit dem niedlichen Szenario, ohne es dabei für jüngere Leser unlesbar zu machen. Mit Anleihen an Jules Verne und Elementen von Steampunk verdichtet sich das Ganze zu einer mutigen Mixtur. Leider bleibt der Versuch, die forschen Kinder mit ihrer neunmalklugen Art und ihrem Erfindergeist mit einer großen Verschwörung in einer technisierten Welt zu konfrontieren, am Ende ziemlich halbgar.
Ein Highlight ist die Bebilderung durch Silvio Camboni, der in der Vergangenheit bevorzugt Comics für Disney angefertigt hat. Diesen Werdegang merkt man auch dieser Arbeit an. Klare Linien und glatte Texturen sorgen für eine cartoonhafte Optik. Die Detailfreude erzeugt aber zugleich genügend Abstand zu Disney-Comics. Abgesehen von den riesigen Kulleraugen der beiden Hauptprotagonisten sind die Figuren auch nicht zu stark überzeichnet. In der überbordenden Welt dieses Albums mit all ihren skurrilen Maschinen und Erfindungen kann sich Cambioni mit seinen ausdrucksstarken Zeichnungen jedenfalls so richtig austoben. Nur dieser künstliche Farbfilter, der über den Seiten liegt und wohl die Bilder erdiger, realistischer (oder retromäßiger) erscheinen lassen soll, stört. Ohne diesen würde das Artwork noch schärfer und klarer vermittelt.
Netter Abenteuercomic mit interessanter Grafik; inhaltlich schwer einzuordnen
Toonfish, 2015
Text: Denis-Pierre Filippi
Zeichnungen: Silvio Camboni
Übersetzung: Swantje Baumgart
152 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 29,95 Euro
ISBN: 978-3-95839-900-6
Leseprobe
1 Kommentare