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Best of Grendel 1 – Das Handwerk des Teufels

Matt Wagners Grendel gehört dem Figurentypus des Superkriminellen an, ähnlich dem italienischen Diabolik, dem französischen Fantomas oder dem deutschen Doktor Mabuse. Die konsequente künstlerische Vision verleiht Matt Wagners Figur dabei ihr Alleinstellungsmerkmal.

Grafisch mächtig was los, wenn Matt Wagner selbst Hand anlegt. Alle Abbildungen © Cross Cult.

Dabei ist die Serie ein typisches Produkt des amerikanischen Independent-Comics der 1980er Jahre, ähnlich Elfquest, Cerebus oder Love and Rockets. Als der noch sehr junge Matt Wagner seinen Grendel 1982 startete, mag es bereits ambitioniert gewesen sein, wirkte aber doch auch semi-professionell – nicht ganz ohne Grund endete die erste Version mitten in der Story und verweilte einige Zeit in der Schwebe, bis 1985 dann der Relaunch kam: zunächst nur in Form eines kleinen Zweitfeatures in Wagners Comicserie Mage, aber das Konzept wurde nun rasch populär und wuchs.

Mehr als ein großer Erzähler ist Matt Wagner ein großer Formalist, denn das Visuelle und der Erzählstil sind bei seinen Arbeiten so wichtig wie die Geschichte selbst. Formal spannend ist bereits der Auftakt, „Devil by the Deed“, eine experimentelle Reihung von Textblöcken und Panels, die, obwohl konsequent in Prosa gehalten, weniger Roman als vielmehr eine bereits vollständige Zusammenfassung der großen Erzählung um den Schriftsteller Hunter Rose und dessen Zweitidentität Grendel, dem Teufel, ist. Das wirkt auf den ersten Blick  überambitioniert und überästhetisierend: Die Bilder sind geschmackvoll, keine Frage, aber was sollen diese unzähligen Vierecke auf den Seiten? Keine Frage: Matt Wagner tastet und sucht den perfekten Ausdruck.

Chris Sprouse ist auch dabei …

Mehr noch als bei der ersten Lektüre, die zumal darunter leidet, dass die Lettern wahnsinnig klein gedruckt sind (gerade in der deutschen Version: Hier hätte sich Cross Cult wirklich einen besser gangbaren Weg suchen sollen), erschließt sich jedoch bald der Mehrwert dieses etwas sperrigen Einstiegs: „Devil by the Deed“ ist pure Verdichtung und fasst komprimiert die komplette Story des jugendlichen Autorengenies Hunter Rose zusammen, der eine Zweitidentität als maskierter Mafiakiller pflegt. Als würde man das Programmheft eines Theaterklassikers lesen, erfährt man gleichzeitig alles und doch zu wenig. Die Motive der Figuren, die Psychologie und auch die Bedeutung ganzer Handlungsstränge bleiben vage und voller Leerstellen, die nur so danach schreien, mit Leben gefüllt zu werden. Ein Versprechen, das Matt Wagner mehr als einlöst und nun punktuell zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Grendel-Saga eintauchen und diesen mit Leben und Bedeutung füllen kann. Ein bisschen, wie dies ja auch Joann Sfar mit seinen Donjon-Universum betreibt.

Matt Wagner ist mit dem geheimnisvollen Schriftsteller eine faszinierende Figur gelungen, die sich bereits als 18-jähriger aus purer Langeweile am Leben zum Herrscher über das Böse aufschwingt, in seiner Ninja-Maske sich der Mafia andient und schließlich über sie herrscht. Mit 18 bereits Celebrity, adoptiert er das Waisenmädchen Stacy, mit dem er befreundet ist, und generiert damit einen Skandal. Ein brillanter Manipulator, der für die Schwachen nur Verachtung übrig hat – und dennoch zeigt er tiefes Verständnis gegenüber jenen Menschen, der aus Frust am liebsten die Welt anzünden würden.

Und immer schwingt eine diffuse Metaebene mit, und man misstraut der Erzählung, die bewusst durch immer wieder neue künstlerische Ansätze gebrochen ist. Kann ein 18-jähriger wirklich so brillant sein? Oder ist Hunter am Ende nur ein Hochstapler, der sich wie Patrick Bateman in Bret Easton Ellis‘ American Psycho in die Psychokiller-Rolle hineinhalluziniert? Oder sind doch Dämonen am Werk? Von diesem Rausch kann man nicht genug bekommen.

… und David Mack.

Dennoch hat man sich bei Cross Cult dafür entschieden, es bei einem „Best Of Grendel“ zu belassen. Das ist in Ordnung so, denn die getroffene Auswahl macht bereits mehr als satt. Der beim amerikanischen Dark-Horse-Verlag erschienene Omnibus-Band dagegen ist überwältigend und kommt fast einer Überforderung nahe, zumal sich hier und dort immer wieder Redundanzen ergeben. Vollständig ist Grendel ein kaum zu erfassendes Monstrum. Gerne mehr davon.

Ausdruckstarke Selbstermächtigungsfantasie im Noir-Gewand

8von10Best of Grendel: Das Handwerk des Teufels
Cross Cult, 2022
Text: Matt Wagner
Zeichnugen: Matt Wagner, David Mack, Tim Sale, Tim Bradstreet, Chris Sprouse, Ashley Wood und andere
Übersetzung: Silvano Loureiro Pinto
250 Seiten, schwarz-weiß-rot, Hardcover
Preis: 30 Euro
ISBN: 978-3966588898
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