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60 Jahre Sigurd: Das Schwarze Schiff / Laban – Labyrinth des Todes

Die Jubiläumsedition der Reihe Sigurd wird fortgesetzt, und diesmal sind es gleich zwei Bände auf einmal. Damit ist Hartmut Becker mit seiner Edition Comics etc. auf dem besten Weg, die schönste Sigurd-Ausgabe, die es je gab, zu veröffentlichen. Die aufwendige Aufbereitung und die Neukolorierung heben Hansrudi Wäschers Zeichnungen auf ein bisher nicht geahntes Niveau.

© Hansrudi Wäscher/becker-illustrators

Viele sind ja der Meinung, dass Hansrudi Wäschers Talent eher in seinen Schwarzweiß-Zeichnungen sichtbar wird, da er ein gutes Gespür für die Wirkung von Licht und Schatten hatte. Bereits die Titelbilder seiner alten Hefte zeigen aber, dass er auch ein begnadeter Kolorist war. Leider jedoch war die Kolorierung seiner Seiten in den 60er Jahren allein Angelegenheit des Walter Lehning-Verlags, was spätestens ab Mitte der 60er Jahre weitgehend katastrophale Ergebnisse mit sich brachte. Glücklicherweise arbeitet der Kunsthandwerker Toni Rohmen seit einigen Jahren an einer Neukolorierung, die sowohl die neuen Heftausgaben diverser Kleinverlage als auch die vorliegenden Bücher ziert.

Aber die Buchausgabe bietet mehr als das: Die Cliffhanger und Zusammenfassungen der bisherigen Hefte wurden entfernt und die entsprechenden Seiten sorgfältig umgearbeitet, so dass der Lesefluss nicht unterbrochen wird. Das hätte leicht schiefgehen können, da gerade die Cliffhanger der Hefte den größten Reiz der Wäscher-Comics boten. Aber die Umgestaltung wurde so geschickt gelöst, dass die Übergänge die Spannung halten. Man kann die Bastelarbeit, die an diesen Stellen geleistet wurde, nicht hoch genug einschätzen. (Die Bildbeispiele zeigen Anfangs- und Schlusspanel zweier Hefte von 1964 sowie die überarbeitete Version mit den Farben von Toni Rohmen.)

Hier die ursprünglichen Panels, wie sie 1964 abgedruckt wurden. Links der Cliffhanger von Heft 149, rechts die Eingangssequenz von Sigurd 150. Sigurd © Hansrudi Wäscher/becker-illustrators.

Erzählerisch war Wäscher in diesen beiden Büchern, die gemeinsam eine lange Geschichte erzählen, in Höchstform: Sigurd und seine Gefährten geraten in eine Verschwörung, die sie zwar aufdecken können, in deren Verlauf sie aber in die Gewalt von Seeräubern geraten. Da der Seeräuber noch eine Rechnung mit Sigurd offen hat, verkauft er ihn an den Raubritter Laban, dessen liebste Beschäftigung es ist, Gefangene auf seiner Insel zu Tode zu hetzen. Die spannende Geschichte überzeugt nicht nur durch den erzählerischen Aufbau, sondern auch mit ihren zahlreichen Nebenfiguren, die vielschichtig angelegt sind.

Sigurd © Hansrudi Wäscher/becker-illustrators.

Andreas C. Knigge erwähnte in seinem Buch Allmächtiger: Hansrudi Wäscher – Pionier der Comics, Wäscher habe, ohne es zu ahnen, das Erzählprinzip von Mangas im deutschen Sprachraum vorweggegriffen. Das ist eine reizvolle Einschätzung, der ich einiges abgewinnen kann. Ich sehe aber noch zu einer völlig anderen Textform erstaunliche Parallelen, und zwar den Fighting Fantasy Quest Books von Steve Jackson und Ian Livingstone. Auch in deren Rollenspielbüchern, bei denen man selbst entscheiden muss, welchen Verlauf die Handlung nehmen wird, spielen sich die Geschichten vor allem in Gebirgen, Festungen, Urwäldern, Burgen und Verliesen ab, also eben den Handlungsräumen, die Hansrudi Wäscher so virtuos variieren konnte. Nicht nur an den Cliffhangern jedes Sigurd-Kapitels, nahezu auf jeder Seite kann man sich den Handlungshorizont eines dieser Quest-Books vorstellen. Welchen Weg nimmst du im Verlies? Suchst du die Wände nach Falltüren ab oder siehst du dir lieber die Gitterstäbe genauer an? Möchtest du in die Richtung weitergehen, aus der die Steinkugel gerollt kam oder versuchst du dein Glück und steigst in den Abgrund, in den die Kugel gefallen ist? Immer wieder steht Sigurd vor Gewandtheitsproben oder muss sein Glück versuchen und mehr als einmal wird gezeigt, wie die Helden Proviant zu sich nehmen. Sie füllen damit selbstverständlich nach alter Rollenspielmanier auch ihren Haushalt an Stärkepunkten wieder auf.

Ich kann nur empfehlen, sich auf diese alten Abenteuergeschichten einzulassen, die schon viel zu oft in suboptimalen Auswertungen verbraten worden sind. Es ist schon richtig, dass schon seit über zehn Jahren engagierte Kleinverlage wie Mohlberg oder Wildfeuer die Pionierarbeit bei der Aufbereitung der alten Comics leisten, doch erscheinen deren Hefte in sehr hochpreisigen, exklusiven Ausgaben. Dagegen ist die vorliegende Ausgabe vergleichsweise preisgünstig. Angesichts der liebevollen und professionellen Aufbereitung sind die Bücher der Reihe 60 Jahre Sigurd aber auch alles andere als nur Sammelbände mit Nachdrucken und für Erstleser ebenso geeignet wie für alte Fans.

Die erstklassige Neukolorierung macht die alten deutschen Klassiker zu einem Lesevergnügen, das auch heute noch überzeugt.

60 Jahre Sigurd: Das Schwarze Schiff
Edition Comics etc., 201810von10
Text und Zeichnungen: Hansrudi Wäscher
Kolorierung: Toni Rohmen
148 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 44,95 Euro
ISBN: 978-3-941694-31-6

60 Jahre Sigurd: Laban – Labyrinth des Todes
Edition Comics etc., 2018
Text und Zeichnungen: Hansrudi Wäscher
Kolorierung: Toni Rohmen
172 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 49,95 Euro
ISBN: 978-3-941694-32-3

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