Disney Comics haben ihren Ursprung in Minstrel-Shows? Ein guter Anlass, sich endlich mal Spike Lees Bamboozled anzusehen.
Christian: So so, Disney nimmt also heimlich Comics aus seinem Bestand. Das hat wohl weniger gestört, als es nur die Kurzcomics mit Hansi Hase und Gevatter Bär betraf, aber jetzt sind zentrale Geschichten von Don Rosa an der Reihe. Ist das wirklich nötig?
Es geht in erster Linie um die Darstellung einer Figur von Carl Barks: Bombie, dem Zombie mit Nasenring, roter Lippe und breiter Nase. Vielleicht aber stört außer dieser Darstellung auch die Erzählhaltung gegenüber dem Zombie, dessen persönliches Schicksal immer ziemlich egal scheint. „Hey Bombie, du bist ja gar kein völlig kaputter Typ“, sagen Tick, Trick und Track in der ursprünglichen Barks-Story, als gäbe es noch eine Zukunft für den alten Kerl in Lumpen, obwohl dessem Leben nun wohl doch schon eher vorbei ist. Bombie macht auch immer alles brav mit, lässt sich lustig anziehen und auch mal Kissen an die Füße binden und einen Berg runterschubsen, weil ja die braven … aus Afrika schon immer alles mit sich machen lassen.
Stefan Pannor hat in seinem FAZ-Artikel zur Sache recht anschaulich dargelegt, dass die heimliche Zensur von Disney noch viel weiter reicht, denn man hadert dort mit den eigenen Ursprüngen, die in den amerikanischen Minstrel-Shows liegen. Gerade die Figuren der ursprünglichen Cartoons sind stets an den typischen Minstrel-Stereotypen angelegt, die da wären „dim-witted, lazy, buffoonish, cowardly, superstitious, and happy-go-lucky“ (vgl. Wikipedia). Und sie tragen ja auch alle diese weißen Handschuhe.
Jetzt wäre vermutlich der beste Zeitpunkt, sich Nicholas Sammonds Buch „Birth of an Industry: Blackface Minstrelsy and the Rise of American Animation“ vorzunehmen, in dem die Zusammenhänge zwischen Cartoon und Minstrelsy aufgedeckt werden. Ich habe stattdessen in meine DVD-Box gegriffen und zum ersten Mal Bamboozled angesehen, Spike Lees Film von 2000. Ob eine Satire den gleichen Wert haben kann wie ein wissenschaftliches Buch? Aber nach Spike Lees Film fühle ich mich klüger als vorher. Durch die vielperspektivische Herangehensweise und die Möglichkeit subjektiver Blicke ermöglicht der Film, das Thema noch einnal auf eine völlig andere Welse zu erfassen.
Bamboozled handelt vom Fernsehautor Pierre Delacroix, ein Afro-Amerikaner, der unter seinem Boss Dunwitty leidet. Dunwitty will provokatives, cutting-edge Fernsehen, keine Soap Operas aus der schwarzen Mittelklasse, sondern aus dem Ghetto, von der Straße, something real. Auf Delacroix‘ Einwand, es gäbe aber einen großen Anteil von afroamerikanischen Mittelständlern, geht Dunwitty gar nicht ein, sondern erzählt stattdessen, dass er selbst mit den Schwarzen im Viertel aufgewachsen ist und deswegen schwärzer sei als Delacroix, der ja Mittelständler ist und daher ja eigentlich schon weiß. Herrliche Seitenhiebe auf Quentin Tarantino sind das in diesen ersten fünf Minuten, der ja auch immer viel Wert auf seine Street Credibility legt.
Delacroix indes weiß nur eins. Er will raus aus dieser Nummer, will aber aus vertragsrechtlichen Gründen nicht selbst kündigen. Also überlegt er sich einen Pitch, der so krass provokativ ist, dass er einen Skandal generiert. Zufällig kennt er zwei Straßenkünstler, Manray und Womack, die sich ein paar Dollars mit Tap Dancing verdienen. Für Delacroix‘ neue Show sollen sie etwas ähnliches im schrillen Comedy-Format in Blackface auf einer Melonenfarm im Süden durchspielen, im Stil der Minstrel-Shows, Gesicht pechschwarz mit der Schminktechnik von damals, dicke rote Wulstlippen und Rollen, die den ärgsten Klischees entsprechen.
Lustig findet das zunächst keiner von den beiden Künstlern, aber man tut es fürs Geld. Nach dem Pilotfilm aber geht das Format wider erwarten als neuer Hype durch die Decke. Blackface ist der neue heiße Scheiß und wird zum nächsten Schritt der Annäherung zwischen Schwarz und Weiß stilisiert. Es gibt aber auch einige, die den kommerziellen Schmu und den Zynismus durchschauen. Eine Gruppe von Aktivisten – sie nennen sich die Mau-Maus – entführen den Hauptdarsteller und wollen vor laufender Kamera ein Exempel statuieren. Am Ende machen wieder Schwarze Schwarze fertig.
Spike Lees Skript ist großartig darin, die Minstrel-History als vielschichtig aufzubereiten und ihr auch kulturelle Relevanz zuzugestehen. Man erfährt einiges über verdiente Stars des Minstrel-Business und afroamerikanische Vollblutkomiker, die wirklich sehr witzig waren. Gleichwohl collagiert Lee geschickt große Mengen Archivmaterial in seinem Film, dass kein Zweifel an der diskriminierenden Natur der Minstrels bleibt. Der immer fröhliche Negro war eben nur deswegen immer fröhlich, weil der Lynchmob schon mit dem Seil um die Ecke darauf wartete, sollte er ihnen irgendwann keinen Spaß mehr machen. Das ist doch eine sehr perfide Variante des traurigen Clowns. Das Erfolgsrezept trug über viele Jahrzehnte.
Bamboozled funktioniert in dieser Hinsicht ähnlich wie BlackKKlansman von 2018, der ebenfalls sehr präzise mit Archivmaterial arbeitet, um einen finalen Standpunkt zu setzen. Man kann nach dieser Fülle an entwürdigenden Klischeedarstellungen nichts anderes als froh sein, dass diese völlige Blindheit und Ignoranz gegenüber der anderen Kultur abgeschüttelt ist. Sie macht beim Betrachten schlichtweg wütend.
Dennoch wird Minstrelsy wohl immer ein Teil der hands that built America sein, da sie einen maßgeblichen Beitrag an diversen relevanten Genres wie Musical und auch Spielarten des Jazz hatte. Daher sollte es besser nicht, wie bei Disney dezeit geschieht, vertuscht und verleugnet werden. Man müsste es ernsthaft aufarbeiten, was mit dem nanny-haften Satz „Diese Darstellungen waren damals falsch und sind es noch heute“ nicht im Ansatz erreicht wird. So provoziert es nur Häme und Trotzreaktionen.
Bamboozled ist der sperrige Zwilling von BlackKKlansman. Dass er auf Videomaterial gefilmt ist, erschwert etwas den Zugang, als künstlerische Rechtfertigung wurde hier eine Annäherung an die Optik der TV-Shows angegeben und auch, dass teils in authentischen, engen Räumlichkeiten gedreht wurde. Die präzisen Bilder entschädigen aber bald genug für die spröde Optik und der Soundtrack ist zum Niederknien. Wie auch in Clockers ist Hip Hop grandios eingesetzt, um den Figuren zusätzliche Tiefe zu verleihen. Die Gruppe der Mau Maus ist durchgehend durch Hip Hop-Artists (z.B. Mos Def) oder Spoken Word-Artists besetzt, was deren Auftritten einiges an Impact verleiht. Des weiteren konnte Lee damals auch wieder Stevie Wonder gewinnen und setzt auch den Trompeter Terence Blanchard ein, der später auch den Soundtrack zu 25th Hour einspielte.
Bamboozled bringt meisterhaft die Verantwortung medialer Repräsentation zum Ausdruck und welche Wechselwirkungen und Eigendynamiken diese zur Folge haben kann. Einmal populär geworden lassen sich Bilder nie wieder einfangen.