Aktuelles
Schreibe einen Kommentar

Währenddessen… (KW 7)

Am Faschingswochende gibts Monster. Christian stellt uns Nightbreed vor:

Die britische DVD von Arrow-Video glänzt mit gut zusammengestellten Extras und einer exklusiven Einführung von Clive Barker. Sie enthält zwei Schnittversionen.

Christian: Das Werk von Clive Barker wäre ohne die Maßlosigkeit der 1980er nicht denkbar gewesen. Das erzählt uns zumindest die englische Filmwissenschaftlerin Kat Ellinger in einem sehenswerten Feature, das auf der englischen DVD-Ausgabe des Films Nightbreed zu finden ist. Ich verstehe, was sie meint, denn in den 1980ern hat sich ja tatsächlich so vieles ins Monströse verwandelt: die Haare von Mötley Crüe, die Muskeln von Sylvester Stallone – ich denke, da fällt uns noch so einiges ein. Die Plastik/Latexeffekte im Body Horror (Bryan Yuzna, Stuart Gordon, auch David Cronenberg) waren da ein recht angemessenes Spiegelbild und gehören natürlich auch total in diese Ära. Clive Barkers Filme schlugen in dieser Zeit eine eigenwillige neue Tonart an. Laut Kat Ellinger wirken sie wie ein Sprachrohr für Randgruppen, die sich im Mainstream nicht repräsentiert sahen. Die diversen Subkulturen waren ja durchaus das Schöne an den 1980ern, aber es war schon wichtig, dass das, was dort entstand, auch für alle sichtbar wurde.

Bei Nightbreed (Cabal – Die Brut der Nacht, 1990) hat Barker wie schon beim ersten Hellraiser-Film selbst Regie geführt. Der Film ist mit David Cronenberg in der Rolle des psychopatischen Psychiaters Decker äußerst reizvoll besetzt und Cronenberg spielt seinen Serienkiller-Psychiater so reduziert pervers, dass man darin auch Imagepflege sehen kann. Im Gegensatz zu Cronenbergs eher unterkühlt-intellektuellen Filmen ist Clive Barkers Nightbreed aber eher Kino für den Bauch, emotional und pulsierend.

Nightbreed handelt von einem jungen Mann namens Boone, der von Albträumen einer Monsterwelt namens Midian geplagt wird und sich deshalb an Dr. Decker (Cronenberg) wendet. Decker hört sich dessen Geschichten gerne an, instrumentalisiert Boones mentale Instabilität aber, indem er ihn unter Drogen setzt und ihm eine Mordserie in die Schuhe schiebt, die tatsächlich er selbst in seiner Zweitidentität als Serienkiller begeht: Als Button Man schlachtet Decker Familien ab. (Das Knopfaugen-Motiv findet man Jahre später auch in Neil Gaimans Coraline wieder. Überhaupt verdankt Neil Gaiman Clive Barker so einiges.)

Der unheimliche Friedhof von Midian.

Die Spannung von Nightbreed entsteht aus der Frage, wer die wahren Monster sind. Zwar entpuppt sich Midian als realer Ort unter einem Friedhof und es versammeln sich dort auch Monster aller Art, gegen die lebenszerstörende Monstrosität eines Decker verblasst aber deren Schrecken. Trotzdem: zu leicht macht es uns Barker nicht. Die Monsterwelt ist furchterregend und Menschen ist der Zutritt verwehrt, es sei denn, sie finden einen Weg, der aber gar nicht vorgesehen ist. Eine Figur meint, den Schlüssel nach Midian zu haben, indem er sich die Kopfhaut abzieht, Boone selbst gelingt der Übertritt durch Zufall: Er wird durch die Krallen eines Monsters verletzt, das ihn fressen möchte und wird aber schlussendlich von Polizisten im Kugelhagel durchsiebt. Die vom Monster zugefügten Verletzungen ermöglichen die Transformation.

Überhaupt die Polizisten und die Rednecks, die sich ihnen anschließen: Blind folgen sie den Ausführungen Deckers, der sie dazu anleitet, die Monsterwelt auszurotten. Dabei ist es nur das Fremdartige, das die Menschen fürchten. Die wahren Monster sehen aber aus wie Menschen und handeln wie Menschen. Ein Hauch von Queerness zieht sich durch viele Arbeiten Clive Barkers und Nightbreed macht da keine Ausnahme. Es spielt dabei keine Rolle, dass Boone eine stabile Beziehung zu seiner Freundin hat und die Liebesgeschichte sogar das Herz des Films ist. Die Sympathie gegenüber dem Andersartigen und der Horror der Mehrheitsgesellschaft, die ausrottet, was sie nicht kennt, sprechen eine deutliche Sprache. In Nightbreed ist der radikale Bruch mit der Gesellschaft Befreiungsschlag und Lösung.

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.