In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Stefan: Für Comicmacher mag der täglich erscheinende Comicstrip die Königsdisziplin sein, bei zahlreichen Lesern hingegen dürfte das gute alte Comicheft die größte Freude auslösen. Am Samstag in den Comicshop oder auf den Flohmarkt gehen und ausgiebig in Ordnern voller Comics stöbern – herrlich! Als Comic-Berichterstatter ist es mitunter schwierig all die Hefte zu rezensieren, weil Hefte meist nur Teile einer Geschichte enthalten und bei Fachzeitschriften, Zeitungen und Magazinen eher Sammelbände besprochen werden. Lange Rede, kurzer Sinn: hier ein kurzer Einblick in den Heftestapel, den ich im Februar 2019 gelesen habe.
Simpsons 248: Das letzte Heft der Simpsons! Vorerst zumindest, wie Chefredakteur Nathan Kane im Schlusswort ankündigt. Mit weiteren Sonderheften ist also zu rechnen und bei Panini erscheint weiterhin die Comic-Kollektion mit Klassikern der gelben Familie. Die Nummer 248 zeigt Bongo Comics von seiner besten Seite und bietet eine Story, die beinahe stark genug ist, um es in die TV-Show zu schaffen. In einer Hommage an das erste Hefte erscheint erneut ein Riese in Springfield. Mit dem übergroßen Hasen Bongo wird zudem ein Seitenhieb auf Matt Groenings erste Schritte als Comickünstler platziert und es gilt das Rätsel zu lösen, warum der Riesenhase den kleinen, netten Verlag Bongo Comics so sehr hasst. Eine schöne, lustige und familienfreundliche Geschichte und ein würdevoller Abschluss der Reihe.
Hammerharte Horror Schocker 52: Dass es in Deutschland viele sehens- und lesenswerte einheimische Talente und Stoffe gibt, beweisen nicht nur die TV-Serie Der Tatortreiniger oder der Roman Der goldene Handschuh von Heinz Strunk (demnächst im Kino, exzellentes (Hör-)Buch!), auch im Comic gibt es immer wieder schöne Fundstücke, etwa mit der Geschichte „Wurzeln“ in HHS 52. Da kommt ein Mann nicht über die Trennung von seiner geliebten Frau hinweg und am Ende finden Autor Falko Kutz und Zeichnerin Annette Schulze-Kremer ein zeichnerisch beeindruckendes Gleichnis dafür, was passiert, wenn man nicht weiterziehen kann und krampfhaft an der Vergangenheit festhält – ganz großartiger und feiner psychischer Horror statt dumpfem Splatter, trotzdem zeichnerisch sehr ansprechend umgesetzt. Und auch die Geschichte „Wüstung“ ist zeichnerisch gelungen und löste bei mir eher den Wunsch aus, eine Adaption des Romans Tyll von Levin Kurio gezeichnet sehen zu wollen.
Batman 23: Batman und Catwoman wollen demnächst heiraten. Sehr sinnlich und mit allerlei Rückblicken in die jahrzehntelange gemeinsame Vergangenheit von Selina Kyle und Bruce Wayne ist dieser Comic ein Muss für Fans. Erfahrungsgemäß wird es bis zur eigentlichen Hochzeit noch einige Hefte dauern. Ob der Joker die Ehe stoppen wird?
Spider-Man 2: Marvel hat seine Reihen mal wieder neu gestartet. Peter Parker muss nun die Konsequenzen ertragen, die der Körpertausch mit Doc Oc in Superior Spider-Man verursacht hatte. Parker will seinen Doktor-Titel zurück und muss sich dabei mit der Echse als Lehrer und seinem kraftlosen Alter Ego herumschlagen. Nette, leichte Unterhaltung. Der Film A New Universe und das Spiel für die PS4 sind allerdings deutlich spektakulärer.
Niklas: 2006 wurde Soldier of Sidon, Gene Wolfes Fortsetzung der ersten beiden Latro-Romane veröffentlicht. Siebzehn Jahre sind seither vergangen, eine lange Zeit, in der sich auch Wolfe als Autor verändert hatte, was man dem Buch anmerkt. Hat sich das Warten gelohnt? Wenn man mich fragt, nein.
Hauptfigur ist immer noch der römische Söldner Latro, der darunter leidet, sein Gedächtnis nach vierundzwanzig Stunden zu verlieren und daher seine Erlebnisse in Tagebuchform auf einer Schriftrolle festhalten muss. Informationen über die Welt erhalten er und Leser*innen nur, indem sie den Text lesen, den die Hauptfigur natürlich durch weitere Einträge ergänzt. Wir haben es hier also mit einem unzuverlässigen Erzähler zu tun. Früher hatte sich Wolfes als wahrer Meister dieser Erzähltechnik gezeigt.
Latros Reise führt ihn nach Ägypten, wo er mit den hiesigen Göttern in Kontakt tritt, in der Hoffnung, endlich wieder Herr seiner Erinnerungen zu werden. Ich verrate nicht viel, wenn ich schreibe, dass er auch dieses Mal nicht geheilt wird, aber dafür scheint sich Wolfe auch nicht zu interessieren. Der Kern der Geschichte ist weder der mythische Hintergrund, noch Latros Suche, sondern seine Beziehung zu einer Tänzerin, in die er sich im Laufe der Geschichte verliebt.
Oder auch nicht.
Na ja, vielleicht doch, so sicher kann er sich ja nicht sein, wenn er jeden Tag seine Bekanntschaft mit ihr erneuern muss. Es ist eine sehr ambivalente Beziehung, die diese beiden Figuren miteinander führen und Latro erweist sich mehr als einmal als ein gewalttätiger Macho, der seiner Geliebten Unterstellungen macht, die gut zu einem eifersüchtigen Frauenschläger passen würden. Im Vergleich zu den ersten beiden Teilen hat er eine Menge Unschuld verloren, was ihn zu einer weniger sympathischen Figur macht. Jedenfalls ist es diese Beziehung, die das Buch wirklich vorantreibt, und entweder kann man sich auf das Drama und die daraus entstehenden Fragen einlassen oder man legt Soldier of Sidon schnell wieder beiseite. Auf der anderen Seite liest sich das Buch noch schneller runter, da Wolfes Stil noch simpler geworden ist.
Wo er in den ersten Büchern gerne noch mit doppeldeutigen Bemerkungen arbeitete oder sich auch mal einen Scherz erlaubte, konzentriert sich dieses Buch meistens auf geradlinige Dialoge, die sich größtenteils auf reine Informationswiedergabe reduzieren. Es liest sich hölzern, wenn ein Charakter immer wieder betont, dass etwas die reine Wahrheit sei – und wenn jede Figur sich ähnlich mitteilt, lesen sie sich nicht nur alle gleich, sondern zeigen damit auch keine Persönlichkeit. Letztendlich waren es aber gerade die schillernden Charakterzüge der Figuren aus den vorangegangenen Teilen, die die ersten beiden Teile der Latro-Serie so unterhaltsam machten. Meine Empfehlung lautet, diese Fortsetzung zu ignorieren und stattdessen die ersten beiden Teile noch mal zu lesen. Da der zweite Band recht offen endete, bleibt wenigstens genügend Raum, um sich ein eigenes Ende vorzustellen oder die Handlung darauf beruhen zu lassen. Vielleicht kann ich es ja wie Latro machen und dieses Buch einfach vergessen.
jnb
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