In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Julian: Trotz meiner zwei Bingewatch-Anfälle diese Woche (Stranger Things 2, Atypical) fiebere ich derzeit vor allem jeder neuen Folge von Riverdale entgegen. Riverdale basiert, wie auch Sabrina – Total Verhext oder Josie & The Pussycats auf den naiven Archie Comics, die seit den 1940er Jahren zu den US-Klassikern zählen und dort recht erfolgreich sind.
Spätestens seit Archie Underworld orientiert man sich neu: In den Comics tauchen neben Archie, Betty & Veronica nun z. B. auch Zombies auf und die Geschichten werden zeitgemäßer. Riverdale bleibt dabei jedoch (noch) in der Realität verhaftet und erzählt eine düstere Geschichte über die Ermordung von Highschool-Star Jason Blossom, dem Bruder des reichsten und fiesesten Mädchens der Stadt, Cheryl. Parallel sehen wir Archie zu, wie er zwischen Football und Musik hin und hergerissen wird und auch die beliebten Frenemies Betty & Veronica scheinen etwas zu verbergen.
Stand Staffel 1 noch im Spannungsfeld zwischen Highschool-Serie mit Gesangseinlagen und ernster Story a la Twin Peaks, so verzichtet Staffel 2 nun weitestgehend auf die lockeren Elemente und präsentiert eine gespaltene Stadt, in der die Konflikte zunehmend eskalieren. Das zuvor gezeichnete Kleinstadtidyll wird dabei minutiös dekonstruiert.
Besonders hervorzuheben sind drei Elemente: Eine an Dario Argento erinnernde Bildästhetik, ein ausgewählter Soundtrack, der von Cat Pierce (war mit ihrer Schwester Alison für den Titelsong von Pretty Little Liars zuständig) über Donovan bis hin zu Johnny Jewel eine Menge großartiger Songs visuell inszeniert. Ein dritter Punkt findet sich in der Figur der Cheryl Blossom (Madelaine Petsch). Von ihren Eltern psychisch misshandelt und nun ihres geliebten Bruders beraubt, sucht sie nach Anerkennung und Liebe, was ihr nicht recht gelingen mag, denn die jahrelange Misshandlung lässt sie auf Zuneigung denkbar ungelenk reagieren. Einer der interessantesten und komplexesten Protagonistinnen der derzeitigen Fernsehlandschaft.
Das Spiel mit gängigen Klischees und den recht eindimensionalen Figuren des Archie-Universums weiß zu gefallen. Für Fans der 1980er und 90er Jahre dürfte auch die Besetzung der Eltern von Interesse sein, denn es gibt ein Wiedersehen mit Luke Perry, Mädchen Amick oder auch Molly Ringwald. Zahlreiche Anspielungen auf die Filmgeschichte – etwa Kubricks Lolita oder Polanskis Rosemaries Baby – und andere popkulturelle Referenzen erfreuen vor allem ältere Zuschauer. Einziges Manko stellt indes eine herausragend schlechte Synchronisation dar.
Christian: Ab dem 19.11.2017 kann man auf der Arte-Mediathek die spektakuläre Comic-Verfilmung Gefahr: Diabolik von 1967 sehen. Regie führte der italienische Horror- und Giallo-Spezialist Mario Bava, und er macht keine halben Sachen: Sein Diabolik ist mindestens so böse wie die Comic-Vorlage. Wenn sich ihm 40 Polizisten beim Raub der Juwelen entgegenstellen, dann killt er sie – wenn’s sein muss – alle, und wenn er bei seinem Streben nach Glück nebenbei die Grundpfeiler der Demokratie einreißt, dann stört ihn das in seinem privaten Glück auch nicht. So stellt man sich Supergangster vor, da kann Thomas Crown nach Hause gehen.
Der Film ist von Anfang an grell und überdreht und damit durchaus eine typische Comicverfilmung. Wo Comics sich gerne mal dem Stil eines Films annähern und vergleichsweise „seriös“ wirken, ist ein Film dann gerne mal schrill wie ein „Comic“. So werden Vorlage und Adaption niemals deckungsgleich werden können, eher stehen sie wie unvereinbare Gegensätze zueinander. Trotzdem ist der Film wunderbar, unter anderem auch, weil er optisch an die Valentina-Comics von Guido Crepax erinnert. Und die Filmmusik von Diabolik lässt uns Ennio Morricone in seiner besten Schaffensphase erleben. Während Morricones legendäre Westernscores jedoch auch heute noch als Referenz dienen, sind Morricones Beat-, Swing-, Jazz- und Neue Musik-Geschichten ganz anders gealtert, was ihnen aber nichts von ihrer Suggestivkraft nimmt. Auch Faith No More-Sänger Mike Patton ist ja bekanntermaßen ein großer Morricone-Fan und hat für sein Mondo Cane-Projekt den Diabolik-Titelsong Deep Deep Down eingesungen. Eine umwerfende Nummer. Besseres Easy Listening wird man lange suchen müssen.
Andi: Was für Farben … Was für eine Zukunftsarchitektur … Was für Bildkompositionen! Visuell hat mich dieses Jahr kein Film so geflasht wie Blade Runner 2049. Man kann eigentlich fast wahllos im Sekundentakt Filmstills auswählen und erhält jeweils ein Kunstwerk zum An-die-Wand-Hängen. Inhaltlich und atmosphärisch gibt es dystopischen Sci-Fi-Film-Noir auf ebenfalls hohem Niveau. Der Film greift die Welt, Themen und ein paar der Figuren des ikonischen Vorgängers auf, aber spinnt seine eigene Geschichte daraus, an der man sich auch gut erfreuen kann, ohne Blade Runner jemals gesehen zu haben. (Am Drehbuch wirkte übrigens mit Hampton Fancher der Autor des ersten Films mit.) Nachdem ich Enemy interessant fand, Sicario sehr mochte und mich Arrival schwer begeistert hat, steigt Regisseur Denis Villeneuve mit diesem smarten Augenschmaus noch weiter in meiner Gunst.
Frauke: Letztes Wochenende fand in Los Angeles ein – gutgelauntes – Tribut-Konzert zu Ehren von Chester Bennington statt, bei dem seine Band Linkin Park mit insgesamt 30 Gastmusikern drei Stunden lang ihren verstorbenen Sänger ehrten. Das Konzert ist komplett auf LPs YouTube-Kanal zu sehen. Da Bennington an einer Depression erkrankt war, wurden die Themen psychische Erkrankungen und Suizidprävention und der anlässlich des Tods von Bennington von Music For Relief ins Leben gerufene One More Light Fund, an den die gesamten Einnahmen gingen, immer mal wieder aufgebracht; unter anderem sprach Benningtons Witwe zu dem Publikum. Man mag von Linkin Park musikalisch halten, was man will, aber die Verbundenheit zu den Fans sowie das jahrelange soziale Engagement sind schon bemerkenswert. Musikalisch und tontechnisch war das Konzert nicht immer auf einer Höhe, aber für mich gab’s trotzdem diverse Highlights. Als SOAD-Fan ging mir bei Rebellion das Herz auf (Video unten), und das danach folgende The Catalyst mit Sum 41s Deryck Whibley hatte einen halben Gänsehautfaktor. Zudem war ich überrascht, wie ähnlich Oli Sykes (von Bring Me The Horizon) bei Crawling Chester Bennington klang.
Niklas: Caja und ich marschieren durch die Eiswüste Xacors. Es ist bitterkalt, aber zum Glück trage ich meine mit Pelzen bedeckte Berserkerrüstung, während meine Hände den Griff des mächtigen Zweihänders umklammern. Nichts kann mich und die junge Magierin aufhalten. Zumindest denke ich das, bis plötzlich ein gewaltiger Roboter zwischen den Wracks zweier Autos auftaucht und uns den Weg auf der alten Autobahn versperrt. Tja, Zeit, die Handgranaten rauszuholen, während Caja das Metallmonster schon einmal mit einem Feuerball begrüßt.
Magie und Maschinen treffen in Piranha Bytes neuen Rollenspiel ELEX zusammen, in einer Welt bewohnt von Mutanten, Roboter und Trollen aus der nordischen Mythologie. Eine Welt, in der naturverbundene Magier, technikversessene Priester mit psionischen Fähigkeiten und Plünderer wie aus den Mad Max-Filmen nebeneinander leben und wir uns für eine dieser drei Gruppen entscheiden müssen, wenn wir in dieser Endzeitwelt überleben wollen. Denn ELEX spielt außerdem in einer Welt nach dem Einschlag eines Kometen und wir erfahren durch das Sammeln von Dokumenten und Audio-Aufzeichnungen, wie es zum Zusammenbruch der Gesellschaft kam, während wir Ferienhäuser und Fabrikanlagen nach brauchbarem Zeug durchsuchen. Erkunden in ELEX macht wirklich Spaß und wird zum ersten Mal in einem Piranha-Bytes-Spiel nicht nur mit Gold und Gegemständen belohnt. Denn die gefundenen Texte und Audio-Logs helfen wirklich dabei, diese Welt zu verstehen und motivieren mich dazu, auch nach der letzten Hauptquest weiterzuspielen. Gut so, aber auch die Hauptgeschichte gefällt mir trotz einiger dramaturgischer Mängel gut. Am meisten liebe ich jedoch die drei Hauptfraktionen. Eigentlich sollte es nicht funktionieren, wenn ein mittelalterlicher Magier auf Mad Max mit einem Raketenwerfer trifft, aber die Entwickler haben sich so viel Mühe damit gegeben, ihr Szenario zu erklären, dass es einfach funktioniert und ich gerne mehr über die komplexen Vorgänge innerhalb der Gruppen erfahren möchte, während um mich herum Pfeile und Granaten fliegen. Neben Divinity: Original Sin 2 dürfte ELEX mein Spiel des Jahres sein.
Selbst wenn die menschlichen Figuren wirklich nicht den grafischen Standards der Moderne entsprechen und ich einige Kämpfe als unnötig schwer empfinde. Außerdem ist der Endkampf ein schlechter Witz, da mir entweder der virtuelle Hintern versohlt wird oder ich ihn in zehn Sekunden beende, da ich aus Versehen den richtigen Skill wählte. Na ja, was soll’s, es ist ja trotzdem ein tolles Spiel und es gibt noch so viel mehr zu sehen. Die Landschaften sind wunderschön, das sehe ich vor allem, wenn ich durch die Waldlandschaften Edans marschiere, wo kaputte Autowracks langsam von grünen Wäldern begraben werden. Es ist wirklich eine schöne Welt. Ich glaube, ich werde noch eine Weile mit Caja hier umherwandeln, sobald wir diesen Kampfroboter endlich losgeworden sind.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.
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