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Währenddessen… (KW 40)

Spielen Hansrudi Wäschers Comics eigentlich immer in Wäscher-Country und bieten den immer gleichen Mix aus Dschungel, Burgen, Berglandschaften? Ich antworte mal mit einem entschiedenen Jein.

 

Wäscher-Country?

Christian: Der Vorwurf ist ungerecht. Hansrudi Wäschers Comics spielen nicht alle in der selben Kulissenwelt aus Urwäldern und Verliesen. Nachdem er uns aber in seiner SF-Serie Nick die ganz erstaunliche Geschichte vom Untergang der Mars-Bevölkerung erzählt hat (siehe Währenddessen… KW 39), passiert tatsächlich erst mal genau das: Nick und seine Freunde können nun endlich unbeschwert ihre erste Venus-Mission fliegen, und was finden sie dort oben: Primitive Menschen, wie sie in jedem Wäscher-Comic früher wie später gerne ihren Auftritt haben. Alle tragen den selben Vollbart, beherrscht werden sie von einem hinterlistigen Medizinmann und leben tun sie in einem Sumpfgebiet, in dem sich auch Riesenechsen und Dinosaurier tummeln. Also doch!

Dabei hat alles so vielversprechend angefangen, denn die fremde Umgebung der Venus mit ihrer fluiden, sich ständig wandelnden Landschaft bot anfangs eine bizarre Fremdheit, ähnlich wie sie C.S. Lewis in seinem grandiosen SF-Werk Perelandra beschreibt. Pilze, die innerhalb weniger Stunden, allein durch ihr schnelles Wachstum, dafür sorgen, dass die Landschaft nie stillsteht, giftige Sporen, vor denen man nie sicher ist und Gezeiten, deren täglicher Wandel sich täglich neu in Form einer Sturmflut äußert. Aber dann bekommt Tom einen Pfeil in den Rücken und es ist klar: hier sind Menschen. Es ist der Moment, an dem das bizarre Geschehen eine Wendung ins Konventionelle einschlägt. Von nun an ist die Geschichte zwar nach wie vor unterhaltsam und lesenswert, aber eben auch der Beweis dafür, dass Hansrudi Wäscher seine austauschbaren Kulissen wirklich in jedem Genre unterbringen mag. Immerhin gibt es in Heft 34 den ersten Auftritt einer Frau. Sie ist natürlich die Herrscherin eines weiteren Venus-Volks und so exklusiv wie Schlumpfine im Schlumpfdorf.

Die Erforschung der fremden Welt ist voller sense of wonder – bis die ersten Menschen kommen.

Aber mag Nick 28 bis 39 auch weitgehend ein Abenteuer von der Stange gewesen sein, so ist dieses im Gesamtgemenge der Nick-Episoden doch gut eingebettet, denn ein einziges Mal muss schließlich in jeder Serie „Business as Usual“ zelebriert werden. Mit Nummer 40 wir die Reihe dafür herrlich ungewöhnlich und der Spaß nimmt von da an bis auf weiteres kein Ende mehr.

Erst mal wird Nick, ohne es zu wissen, in eine Versuchsanordnung geworfen, weil das Raumforschungs-Institut ihn auf Herz und Nieren prüfen möchte, ob er für die intergalaktische Raumfahrt überhaupt der geeignete Mann ist. Wie geht er damit um, wenn ihn fremde Aliens unter Druck setzen? Wie stark sind seine Nerven, wenn er eine Waffe erst zusammenbauen muss, obwohl er gleichzeitig von einem fremden Monster bedroht wird? Schafft er innerhalb kurzer Zeit den Weg durch ein Glaslabyrinth? Begegnet er insektoiden Aliens mit Vorurteilen und Ekel oder bleibt er immer diplomatisch zugewandt? Nick ist für diese Testreihe der 158. Proband, und er ist der erste, der alle Versuche mit Bravour besteht. Damit erhält er auch das Privileg, mit Professor Raskins neuem Sternenschiff fliegen zu dürfen. Mit einer neuen Antriebstechnik kann das Schiff in eine übergeordnete Dimension überwechseln und ist so in der Lage, schneller als das Licht zu reisen. Das Elektronengehirn, das dazu benötigt wird, ist so groß, das es den Großteil des Schiffs in Anspruch nimmt.

Ironie: Auf fremden Planeten sieht’s aus wie überall. Zu Hause passieren die abgefahrenen Sachen.

Ständiger sense of wonder

Hier beweist sich, was ein guter Cliffhanger ist: Nick wird auf den letzten Seiten von Heft 42 die überragende Technik des neuen Sternenschiffs beschrieben, so dass er völlig perplex ist und erstmal einen Whisky braucht (den zweiten!). Der Sense of Wonder wird die nächsten Hefte nicht mehr abreißen, ständig wird nun etwas Unerwartetes passieren. Zunächst wird ein Affe durchs ferne All geschickt, damit überprüft werden kann, ob diese Art des Reisens wirklich ungefährlich ist. Sie ist es nicht. Die Strahlung regt das unkontrollierte Zellwachstum an und sorgt dafür, dass der Affe auf die Größe eines japanischen Atom-Monsters anwächst. Das bringt nicht nur eine Bedrohung für die nahegelegene Stadt mit sich, sondern sorgt auch dafür, dass Militär und Wissenschaft sich zu streiten beginnen: soll man den Affen abschießen, oder doch lieber mit Science an das Problem gehen, um das Tier nicht noch mehr zu reizen? Zum Glück erfinden die Wissenschaftler im Handumdrehen einen Schrumpfstrahl, mit dem der Wachstumsschub umgedreht werden kann. Und weil der General so viel schimpft und zetert, weil Nick es ihm nicht gestattet hat, die Waffen zum Sprechen zu bringen, lässt Nick ihn kurzerhand auf die Größe eines kleinen Männchens schrumpfen. So eine schöne Wunschvorstellung.

Und hier zeigt sich das Genie Wäschers, denn in seinen Geschichten führt immer eins zum Anderen. Aufgrund der gefährlichen Strahlung wird intergalaktische Raumfahrt erst mal verboten, aber dank der neuen Schrumpfstrahlen können Professor Raskin, Nick, Tom und Xutl trotzdem mit ihrem Raumschiff experimentieren. Man verkleinert nun einfach das Raumschiff und erforscht einen kleinen Metallwürfel. Von der glatten Oberfläche sehen die Freunde nun besser als ein Elektronenmikroskop, wie zerklüftet diese ist. Am Ende treiben sie die Verkleinerung so sehr auf die Spitze, dass die Konturen der wahrnehmbaren Welt sich auflösen und sich ein neues Universum um sie herum materialisiert: der Mikrokosmos. Das geht natürlich nur, weil das Verkleinerungsgerät nicht von außen auf das Raumschiff strahlt, es würde ja irgendwann den Fokus verlieren. Der Verkleinerungsstrahler ist natürlich ins Raumschiff selbst eingebaut.

Weil an dieser Stelle alle über Brick Bradford schreiben (den eh keiner kennt), spare ich mir das. Die Reise in den Mikrokosmos ist einer von Wäschers vielen genialen Storyideen.

Aber weil der Spaß wirklich nie abreißen darf, wird der Verkleinerungsstrahler zwischenzeitlich auch noch von Gangstern geklaut, die damit Geldtransporte von der Straße verschwinden lassen wollen. Eigentlich ist man solche Stories ja eher von Carl Barks gewohnt, aber Hansrudi Wäscher bringt die Idee bravourös in seinem Nick unter, wohl wissend, dass er seine Mikrokosmos-Story jetzt nicht mehr zu lange bremsen darf, weswegen die Phantom-Einbrecher-Story auch in zwei kurzen Heften abgefrühstückt ist. Ein großer Spaß ist die Sache trotzdem und Hansrudi Wäscher beweist sich damit endgültig als Ideenlokomotive. Der Walter-Lehning-Verlag 1958 ein „House of Ideas“? Was für ein verführerischer, gar nicht so abwegiger Gedanke eigentlich. If only …

In Gefahr ist auch in diesem Cliffhanger keiner. Aber es passieren tolle Dinge!

 

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