In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Das aktuelle Lustige Taschenbuch 524 verdient Aufmerksamkeit, denn es enthält den großen Relaunch der Serie um Agent Doppelduck. Die letzten Kurzgeschichten waren arg unspektakulär, aber irgendwie konnte man doch bereits ahnen, dass es noch nicht ganz vorbei sein sollte mit dieser äußerst smarten Version von Donald. Aber jetzt nimmt die Erzählung noch einmal richtig Anlauf, denn anders als die üblichen Disney-Comics gibt es bei Doppelduck nicht einfach den Reset zurück auf Anfang, sondern doch immer auch eine kleine Continuity – und die wird in der aktuellen „Mission Doppelduck“ gehörig durchgerüttelt.
Die Agentur, für die Doppelduck arbeitet, schließt und sämtliches Wissen um die Geheimidentitäten, inklusive Donalds, wandert an einen weiteren Geheimdienst, die sogenannte Direktion. Dort arbeitet man aber nach der neuesten radikalen Philosophie: Geheim kann man nur sein, wenn es keinerlei Privatsphäre mehr gibt. Und deshalb muss jeder seine Geheimidentität aufgeben. Klingt logisch, oder? Deshalb gilt ab sofort, dass alles transparent zu sein hat, insbesondere der Geheimagent, denn die große Vision steht allemal über dem schnöden Pragmatismus. Das hat ganz offensichtliche Anleihen an Dave Eggers‘ The Circle und wird interessant und konsequent weiterentwickelt.
Aber auch die Action im Stil der Mission: Impossible-Filme und komödiantiasche Elemente im Stil von True Lies kommen nicht zu kurz. Das Geplänkel mit Gustav Gans im Mittelteil erinnert zudem an „Die Verwandlung“, die Origin-Story von Phantomias, die ja inzwischen schon 50 Jahre her ist. Aber anders als die Phantomias-Geschichten von heute – der NEUE Phantomias natürlich nicht gemeint – sind die Doppelduck-Geschichten frisch und modern. Eine echte Prestige-Serie. „Mission Doppelduck“ ist ein neuer, herausragender Höhepunkt. Nicht nur erzählerisch, sondern auch auch optisch ein Fest.
Aber das neue Taschenbuch hat auch eine hübsche Micky-Erzählung von Cavazzano zu bieten, die jeden trösten dürfte, dem das großformatige Micky Maltese-Buch, das letzten Mai erschien, zu teuer ist. Die Erzählung „Trubel im Paradies“ spielt in einem ganz ähnlichen Setting im 19. Jahrhundert und handelt ebenfalls von einem auf einer Insel gestrandeten Micky, der es mit einem Piraten namens Karlo zu tun bekommt. Die Geschichte hat epische Ansätze, auch wenn die Story nach 34 Seiten dann leider doch eine zu abrupte Auflösung erfährt. Grafisch ist sie jedoch top, mit vielen Panelfolgen, die ohne Text auskommen und einer reduzierten Grafik, die keine Vergrößerung nötig hat, sondern sich schon im kleinen Format komplett entfalten kann.
Niklas: Nemo – Heart of Ice, ist der erste Band der Nemo-Trilogie, einem Spin-Off der League of Extraordinary Gentlemen. Die Piratin Janni Dakkar, Captain Nemos Tochter, reist in die Antarktis, um die Ruinen einer alten Zivilisation zu finden, damit sie endlich aus den Schatten ihres alten Herren treten kann. Natürlich geht alles schief, vor allem da die Stadt von Kreaturen erbaut wurde, die Menschen nur als Futter sehen.
Nach den kulturpessimistischen letzten Teil der Hauptreihe ist Heart of Ice wieder geradliniger und vor allem mehr am Abenteuer denn an einem kritischen Kommentar unserer Fiktion interessiert. Damit erinnert mich der Band wieder an den ersten Teil der Reihe, mit etwas Einfluss vom zweiten, da es sich hier wieder um eine Adaption handelt. Heart of Ice nimmt H.P. Lovecrafts Geschichte At the Mountains of Madness und gibt ihr einen eigenen Anstrich. Ich habe Lovecrafts Erzählung nie gelesen, da mich zwar einige Ideen hinter den Großen Alten interessieren, ich aber Lovecrafts Schreibe und Geschichten eher unterwältigend finde.
Heart of Ice ist solide. Es gibt treue Gefährten, die sich für ihre Kapitänin opfern, ein dunkles Geheimnis muss entdeckt werden, böse Gegenspieler machen Jagd auf die Gruppe und unsere Antiheldin macht eine Entwicklung durch. Mich lässt das aber kalt. Das zeigt mir erneut, dass die Faszination der Serie eben auch vom Interesse an den Vorlagen getragen wird. Meistens gelang es der League mein Interesse zu wecken, immerhin bin ich durch die Serie an War of the Worlds gekommen. Aber in diesem Fall geht es mir hier wie mit den 1960ern. Der Horror at the Mountains of Madness packt mich nicht; für mich ist es nur eine Geschichte über eine Gruppe von frierenden Leuten. Die Figuren sind eigentlich gar nicht so uninteressant, schließlich waren sie zu ihrem Erscheinen Helden und profitable Millionenseller und konnten jung und alt begeisterten. Heute erinnert sich kaum noch jemand an sie. Das passt irgendwie zu einer Geschichte über alte Mysterien und dem Versuch an der eigenen Unsterblichkeit zu arbeiten, aber leider macht Heart of Ice daraus nichts. Das Abenteuer steht im Vordergrund und ein Abenteuer erleben wir.
Am Ende merkt man, dass dieser Comic vor allem geschrieben wurde, um etwas Geld zu verdienen. Das finde ich vollkommen legitim, nur ist ironisch, dass Moore das im letzten Band der Century-Trilogie doch kritisierte. Letztendlich sind wohl auch die ewigen Rebellen der Industrie nur Sklaven des Großen Alten namens Mammon. Der schläft nie und ist auch grün und allemal schrecklicher, als ein paar mutierte Seesterne, die sich am Südpol ihre Zacken abfrieren.
Aber der nächste Band wird wieder besser. Da geht es nach Metropolis, unter der Herrschaft eines gewissen schnurrbärtigen Diktators. Ein Monster, das viel grausamer und Furcht einflößender sein wird, als alle Große Alten, die von vergessenen Reichen träumen.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.
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