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Währenddessen… (KW 40)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Dem kann keiner was. (Brad Pitt in Once upon a time in Hollywood) © Tarantino

Christian: “My idea is to kill the people who taught us to kill!” – Mit diesen Worten biegt sich Sadie Atkins, eines von Charles Mansons Mädchen, in Tarantinos neuem Film ihre Begründung zurecht, warum es eine gute Idee ist, einen Hollywood-Schauspieler zu besuchen und umzubringen. Das ist natürlich völlig durchgeknallt, aber auf so tiefsinnige Gedanken kann man durchaus kommen, wenn man sich monatelang zudröhnt und dabei das nagende Bedürfnis hat, dass jetzt endlich mal was passieren muss. Der Rest ist Gruppendynamik. Brauchts mehr Psychologie?

Ich würde Once upon a time in Hollywood wirklich gerne mögen. Die erste halbe Stunde verbrachte ich im Kino mit seligem Dauergrinsen, weil Tarantino offensichtlich einen guten Film hinbekommen hat, aber nach einer Stunde beschlich mich das Gefühl, dass der Film sich in viel zu langen Einzelszenen verliert. An den fantastischen Schauspielern liegt es nicht, dass der Film bisweilen langweilt, eher daran, dass ihre Geschichten nebeneinander her erzählt werden, ohne dass Dynamik oder Spannung daraus entsteht. Immerhin gibt die Story zwischen Leo (Schauspieler Rick Dalton) und Brad (Stuntman Cliff Booth) einen passablen Buddy-Movie ab. Das kann man über den Erzählstrang mit der Sharon-Tate-Figur (Margot Robbie) leider nicht behaupten. Man stellt keine emotionale Bindung zu ihr her.

Charles Mansons Family ist gut in Szene gesetzt und wirkt authentisch. Tarantinos Darstellung wird sicher noch länger als Referenz dienen, wenn es um die Darstellung der Manson-Sekte geht. Während mir dieser Aspekt der Geschichte in der ersten Hälfte des Films zu kurz kam, bekam er in der zweiten Hälfte angemessen Präsenz. Die Szene auf der Spahn-Ranch zählt zu den gelungensten des Films. Auch die hemdsärmelige Art und Weise, wie die Brad-Pitt-Figur einen der Manson-Jünger vor versammelter Gruppe demütigt, verfehlt ihre Wirkung nicht, denn sie etabliert die weitere Beziehung zwischen den Figuren; außerdem wird Brads Status als unangreifbare Figur deutlich herausgestellt. Er bleibt stets makellos und steht weit über gewöhnlichen Problemen. Ihm gelingt alles. Er ist damit auf einer ähnlichen Daseinsebene wie die Clint-Eastwood-Figur in den Sergio-Leone-Filmen.

Der Soundtrack des Films ist diesmal sehr fokussiert auf zeitgenössische Musik der 1960er, was den Film erdet und weniger comichaft wirken lässt als Kill Bill, Inglorious Basterds oder Django Unchained – Filme in denen Tarantino das Spiel, Musik aus möglichst vielen Gattungen zu verwenden, auf die Spitze getrieben hat. Allerdings nutzt Tarantino die Musik nicht immer optimal. Sie dient auch dann als Hintergrundmusik, wenn sie aus Gründen der Dynamik eigentlich im Vordergrund stehen könnte. Das Potenzial von Vanilla Fudges „You Keep Me Hanging On“ wurde jedenfalls gnadenlos verschenkt. Da hätte eine angemessene Choreografie passieren müssen.

Absolut frustrierend ist jedoch mal wieder die extreme Gewalt. Die hat Tarantino präzise von Anfang an vorbereitet. Sowohl etabliert er bereits am Anfang den Flammenwerfer, der am Schluss zum Einsatz kommt, als auch Brads Hund, bei dem ich von der ersten Szene an bereits ahnte, dass er am Ende jemandem in die Eier beißen würde. (Das kennt man bereits von großen Hunden in den Comics von Mark Millar und Garth Ennis, wieso sollte gerade Tarantino diese Gelegenheit ungenutzt lassen? Immerhin gibt es diesmal keinen finalen Sackschuss.) Die Brutalität, mit der die Hippies abgeschlachtet werden, ist ganz offensichtlich auf die Reaktion hin zugeschnitten, dass das Publikum im Kino jubeln soll – und das ist im Gegensatz zum Rest des Films leider gar nicht cool.

Niklas: Nemo: The Roses of Berlin, der zweite Band der Nemo-Trilogie, ist gut. Janni Dakkar, Captain Nemos Tochter und Nachfolgerin, zieht mit Ehemann Broad Arrow Jack los, um ihre Tochter vor Nazis zu retten. Na gut, sie werden nicht direkt Nazis genannt, da Adenoid Hynkel, der Diktators aus Charlie Chaplins Der große Diktator, in der Welt der League Adolf Hitlers Platz einnahm. Aber das sind nur kleine Details. Nazis werden vermöbelt, das geht immer.

The Roses of Berlin liest sich wie eine moderne Variante des alten Kampfes zwischen Faschisten und Superhelden. Die Helden sind aber eigentlich eher Antihelden oder Schurken, schließlich sind sie Piraten. Im Gegensatz zu den uniformierten Hampelmännern des Reiches sind sie aber das kleinere Übel, was nur zu gut in die düstere Welt der League passt. Überhaupt ist dies ein Band über Schurken, die sich verbünden, verraten – und dann doch wieder respektieren. Das macht The Roses of Berlin als Fiktion schon wieder interessant, denn man könnte sich fragen, ob Moore damit die Aussage treffen könnte, es gäbe gar keine Helden mehr. Vielleicht ist es auch eine Anspielung darauf, dass die Helden der Pulps, zu denen Janni mit all ihren technischen Spielereien gehört, ihre Probleme mit Gewalt lösen. Damit unterscheiden sie sich aber auch nicht von Vorläufern wie Allan Quatermain. Vielleicht hatte Kevin O‘Neill auch einfach nur Sehnsucht nach seiner alten Actionserie Marshal Law, deren Hauptfigur ja auch ein schießwütiger Sadomaso-Faschist war und der auch nur im Vergleich zu seinen Gegenspielern als einigermaßen heroisch verstanden werden kann.

Von daher ist The Roses of Berlin auch sein Buch, denn neben Der Große Diktator, Das Cabinet des Doktor Caligari und Doktor Mabuse wird vor allem Fritz Langs Metropolis aufwendig zitiert. Die Millionenstadt aus Fritz Langs Film ist hier kein technisches Wunderwerk, sondern ein düsteres Symbol der Unterdrückung und wird daher zerstört. Da steckt bestimmt auch eine Aussage drin. Aber am interessantesten ist für mich der Auftritt der „Zwielichthelden“, die in Black Dossier als das deutsche Gegenstück der League vorgestellt wurden. Von den ursprünglichen fünf Mitgliedern sind nur drei übrig gebliebenen und zwei von ihnen sind alt. Leider macht Moore nicht viel aus ihnen, außer dass sie sich gegenseitig im Wege stehen und gegeneinander intrigieren. Diese Gestalten waren mit für den Ersten Weltkrieg verantwortlich und werden hier im Nachhinein für eine Geschichte bestraft, die wir nie gelesen haben.

The Roses of Berlin hätte von allen drei Bänden der Nemo-Trilogie noch am meisten Potential für eine komplexe Geschichten besessen. Ein Buch, in dem nur die Schurken eine Rolle spielen, hätte genügend Möglichkeiten für komplexe Charakterinteraktionen und Analysen geboten. Na ja, immerhin kriegen die Nazis auf den Helm. Das wird nie alt, egal wie oft man es sieht. Außerdem sind Moores Versuche auf Deutsch zu schreiben amüsant.

Broad Arrow Jack hat die richtige Idee

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