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Währenddessen… (KW 35)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Meryl Streep und John Cazale.

Christian: Auf Arte ist bis zum 21. September noch die sehenswerte Dokumentation über die fabelhafte Meryl Streep zu sehen. Bevor Meryl Streep zum Film kam, war sie Bühnenschauspielerin, ihre ersten Filmerfahrungen empfand sie als abstoßend. Dennoch übernahm sie eine wichtige Nebenrolle in Michael Ciminos The Deer Hunter (Die durch die Hölle gehen), um an der Seite ihres Lebenspartners John Cazale spielen zu können, der damals schon in einem weit fortgeschrittenen Stadium an Lungenkrebs litt und dennoch ebenfalls eine Rolle hatte. Der Schauspieler verstarb kurz nach den Dreharbeiten. Meryl Streep blieb bis zuletzt an seiner Seite.

The Deer Hunter ist ein Film wie ein Bruce Springsteen-Song. Ich habe ihn mir erst letzte Woche zum ersten Mal seit über 20 Jahren angesehen – auch, weil ich eine völlig andere Frage ein für alle Mal beantwortet haben wollte, die schon lange an mir nagte. Ich habe mich schon lange gefragt, ob die Figuren aus The Deer Hunter als Vorlage für die Typen aus The Big Lebowski verwendet wurden. Eindeutig ja!

John Cazale, Robert de Niro und Chuck Aspegren. Nur de Niros Figur war im Krieg.

The Deer Hunter handelt von drei russisch-amerikanischen Freunden (Robert de Niro, John Savage und Christopher Walken), die im Vietnamkrieg traumatische Erlebnisse haben. Um es kurz zu fassen: Einer wird sterben, einer wird verkrüppelt, nur der letzte, der von Robert de Niro gespielte Mike, wird es – äußerlich – unversehrt überleben. Das wird erzählerisch noch dadurch untermauert, das Mike unter seinen Freunden immer der Anführer war, der Macher, der Checker und der Leitwolf, der seine Freunde auch im Privatleben und auf der Jagd erzieht. Der Preis dafür ist, dass Mike eine distanzierte Figur ist, die nicht so hemmungslos Spaß haben kann wie die anderen. Aber er hat eben „the right stuff“, seine Freunde durch den Krieg zu führen, die ohne ihn dort verloren wären (und es hinterher trotzdem sind). In The Big Lebowski ist der dekorierte Vietnam-Veteran natürlich Walther (John Goodman). Ein Typ, der immer seine Kumpels tyrannisiert, immer alles an sich reißt und immer nur rumstresst. (Die de Niro-Figur ist in Deer Hunter durchaus auch ein ziemlicher Stressor.)

Und der Dude? Und Donny (Steve Buscemi-Guy)? Jetzt wird es interessant, denn die beiden decken sich in ihrem Aussehen und der Umgebung, in der sie sich bewegen, verblüffend mit den beiden Daheimgebliebenen aus der Deer Hunter-Clique, die nicht im Krieg waren. Das sind die von John Cazale und Chuck Aspegren gespielten Figuren. Fangen wir mit der Buscemi-Figur an: Buscemi hat eine ähnlich hagere Statur wie Cazale, ähnlich blässlichen Teint, gleiche Mattenfrisur, hohe Stirn – und makabrer Weise ist Buscemis Donny die Figur, die am Ende des Films unmotiviert stirbt (eigentlich zynisch von den Coens, das aufzugreifen). Auch ist die Figur ähnlich einsilbig und erinnert an all die Typen, die halt irgendwie auch dabei sind, aber nie groß auffallen.

Russische Einwanderer – White Russian. Wenn man anfängt, Zusammenhänge zu sehen, dann hört das nicht mehr auf.

Bei der Lebowski-Figur ist es schlichtweg das perfekte Type-Casting. Axel, wie die Figur in The Deer Hunter heißt, feiert gerne, trinkt Alkohol und spielt Bowling. In The Deer Hunter gibt es eine fünfminütige Sequenz auf einer Bowling-Bahn, in der Robert de Niro (nach Vietnam), John Cazale und Chuck Aspegren versuchen, an alte Zeiten anzuknüpfen und tatsächlich ein bisschen Spaß haben. Rückwirkend betrachtet wirkt die Szene auf der Bowling-Alley wie wie die Blaupause für The Big Lebowski. Die filmverrückten Coen-Brothers müssen irgendwann entschieden haben, ihren Film so aussehen zu lassen wie diese fünf Minuten.

Gleiche Frisur wie Cazale.

Das einzige, was nicht ins Bild passt: Der Schauspieler Chuck Aspegren ist gar kein Schauspieler, sondern war im tatsächlichen Leben Vorarbeiter in einem Stahlwerk. Michael Cimino ist auf den Typ gekommen, weil einige Szenen des Films mit Laiendarstellern im echten Werk gedreht wurden und da ist Aspegren einfach als Naturtalent aufgefallen. Der Dude, so viel ist sicher, hätte wohl kaum als Stahlgießer malocht.

Einerseits finde ich die Parallele zwischen The Deer Hunter und The Big Lebowski so offensichtlich, dass ich zunächst gar nicht darauf eingehen wollte. Andererseits finde ich nirgends im Internet auch nur den kleinsten Hinweis, dass hier ein Zusammenhang besteht, obwohl normalerweise kein Mangel an Aufklärung jedweder Art über Querverbindungen und Zitate herrscht. Das hat mich tatsächlich sehr gewundert.

Ich wünsche viel Vergnügen beim Wiederentdecken von Michael Ciminos absolut brillanten Film von 1978.

Niklas: Im Juli erschien das Point&Click-Adventure Beyond A Steel Sky von Revolution Software. Ich freue mich sehr über dieses Spiel, habe jetzt aber erst noch mal seinen Vorgänger von 1994, Beneath A Steel Sky, durchgespielt. Das war jetzt das dritte Mal und meine Gefühle gegenüber dem Spiel sind genauso gemischt, wie nach den ersten beiden Durchgängen. Eigentlich möchte ich das Spiel lieben. In einem dystopischen Australien der Zukunft wird Nomade Robert Foster in den Moloch Union City entführt. Zum Glück kann er entkommen und versucht sich dann mit seinem Kumpel Joey, einem sarkastischen Roboter, bis zur untersten Ebene der Stadt durchzuschlagen. Langsam, aber sicher, kommt er den finsteren Geheimnissen Union Citys auf die Spur und stellt fest, dass sie irgendwie auch mit seiner Vergangenheit zusammenhängen.

Als klassisches Point&Click-Adventure geht es in Beneath A Steel Sky vor allem darum, die richtigen Gegenstände zu finden und miteinander zu kombinieren. Hotspots gab es 1994 noch nicht, man muss also jeden Abschnitt genaustens untersuchen, sonst übersieht man gerne mal was. Nur die wenigsten Rätsel sind absurd und mit etwas Geduld kommt man immer auf die richtige Lösung. Selbst wenn man die Lösung für alles kennt und schnell fertig werden möchte, sollten Spieler*innen immer noch drei bis vier Stunden brauchen, um Beneath A Steel Sky durchzuspielen. Das ist für ein Adventure erstaunlich lang. Die Geschichte um Foster und das Geheimnis der Stadt bleibt nach selbst über zwanzig Jahren spannend und die Hauptfigur ist sympathisch genug, um mit ihm mitzufiebern. Die Balance zwischen Rätseln und Geschichte ist optimal und es gibt keine Leerläufe zwischen den dramatischen Stationen.

Was mich aber immer noch stört, ist der schizophrene Ton der Geschichte. Der schwankt nämlich zwischen satirisch albern und ernst. Die ernsten Töne sind gelungen, die Albernheit selten. Es wirft mich zum Beispiel sehr raus, wenn ich nach einer dramatischen Enthüllung einen Hund in einen Teich katapultieren muss (siehe Trailer), um einen ziemlich dümmlichen Wächter von seinem Posten wegzulocken. Das passt vor allem dann nicht, da die Besitzerin des Hundes mir gegenüber stets freundlich und hilfreich auftrat. Aber manchmal kann das Spiel auch richtig witzig sein. So treffe ich in der Mitte des Spiels einen sehr morbiden Doktor, der mit seinen unmoralischen Sprüchen perfekt in die dystopische Gesellschaft Union Citys passt. Mehr zynischer Humor dieser Sorte, hätte Beneath A Steel Sky zu einem der besten Adventure aller Zeiten gemacht. So ist es nur gut, mal sehen ob Beyond A Steel Sky es übertreffen wird.

Beneath A Steel Sky kann kostenlos auf GOG und Steam gespielt werden. Beide Versionen enthalten Sprecher für die Charaktere und eine digitale Version der Vorgeschichte, die von Dave Gibbons (Watchmen) gezeichnet wurde.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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