Aktuelles
Schreibe einen Kommentar

Währenddessen… (KW 34)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

© Netflix

Stefan: Netflix hat mit High Score seit dieser Woche eine weitere, sehr informative und höchst nostalgische Miniserie im Programm, die ebenso gelungen und empfehlenswert ist wie die Reihe The Toys That Made Us. So wie die Sendung über Star-Wars-Actionfiguren von Kenner, Lego, He-Man, Transformers und Co. bietet auch die Serie über die Geschichte der Videospiele zahlreiche Verbindungen zu  Comics und Zeichentrickfilmen und wird hoffentlich um weitere Staffeln ergänzt, so wie es bei der Spielzeugsendung ebenfalls war.

Von Pong über Space Invaders bis zu Super Mario und Sonic, von Ultima IV über Street Fighter 2 bis zum Online-Gaming von Doom reicht die Spanne. In den einzelnen Folgen werden also die Jahre von den späten 1970ern bis in die frühen 1990er behandelt. Und dabei stand Netflix offensichtlich ein üppiges Budget zur Verfügung. Es werden wichtige Zeitzeugen von Atari, Nintendo, Sega, id Software, Electronic Arts und die ganz großen Visionäre der Computer- und Videospiele wie Richard Garriot (Ultima) und Mario-Erfinder Shigeru Miyamoto ausführlich interviewt.

Ein wohliger Nostalgieschauer kommt auf, wenn über Videospielezeitschriften, selbst gezeichnete Karten der Spielwelten und die Nintendo-Spieletipps-Hotline berichtet wird. Es entstanden völlig neue Jobs und vor dem Internet musste statt dem „Let‘s play“-Clip doch noch weit mehr Eigeninitiative genutzt werden und sogar ab und an das Haus verlassen werden, um in eine Spielhalle zu gehen, die damals nicht so ein deprimierender Ort für Spielsüchtige waren, sondern coole Sachen wie Flipper-Automaten und aufwendige Spielautomaten für Rennspiele, Flugsimulatoren etc. hatten.

Die Serie greift wenig auf verschwommenes Archivmaterial zurück, sondern zeigt durchgängig hochwertige Bilder. Gerade an einem Spiel wie Final Fantasy wird demonstriert, wie Zeichnungen im Manga-Stil erst auf grobschlächtiger 8-Bit-Grafik reduziert wurde, aber sich mit fortschreitender Technik die digitale der neunten Kunst annäherte und inzwischen zur wohl kommerziell erfolgreichsten Form der Unterhaltungsindustrie und zur innovativsten Kunstform wurde.

Als langjähriger Gamer fehlen natürlich ganz viele Perlen, da wird etwa gleich über das Spielen im Internet gesprochen und sich gar nicht erst mit LAN-Meisterwerken wie dem guten alten Midi Maze für den Atari ST aufgehalten. Dafür wird dann ein Independent-Hit für die LGBTQ-Gemeinde ausführlich gewürdigt: Gay Blade, ein satirisches Rollenspiel, bei dem der Held gegen Feinde wie reiche Geldsäcke und Filzläuse kämpft und zwar mit Spezialwaffen wie langen Fingernägeln. Außerdem kommt eine Frau zu Wort, die als Kind als Junge einen Nintendo-Wettbewerb gewann. Spiele oder Spielfiguren extra für Frauen werden am Rande erwähnt, im Grunde aber nur die Chinesin Chun Li, mit der sich die Programmierer an die weibliche Zielgruppe wenden wollten.

Ich betreibe sonst nie Binge-Watching, aber diese Miniserie habe ich verschlungen und empfehle sie begeistert weiter!

Niklas: Die Science-Fiction lässt mich weiterhin nicht los, weswegen ich mir das postapokalyptische Point&Click-Adventure Whispers of a Machine von Clifftop Games gegönnt habe. In diesem hat sich die die Menschheit vom kompletten Zusammenbruch der Zivilisation erholt und baut langsam alles wieder auf. Künstliche Intelligenzen sind verboten, aber spezielle Ermittler*innen werden mit Implantaten  ausgestattet, die ihnen die Arbeit erleichtern sollen. Sie sind lebende Lügendetektoren und analytische Computer, die nicht aufhören, bis der Fall gelöst ist. Vera Englund ist eine dieser Ermittlerinnen. Im Dienste einer nicht näher benannten skandinavischen Nation, untersucht sie einen Doppelmord in einer Kleinstadt. Was als das Werk eines eventuellen Serienkillers beginnt, entpuppt sich mit jeder Enthüllung als etwas viel Größeres.

Die Geschichte von Whispers of a Machine leidet darunter, dass sie für dieses Spiel viel zu groß angelegt ist. Es werden ethische Fragen gestellt, die noch mehr Charaktere, Kapitel und Worldbuilding bedurft hätten. So bleibt alles etwas an der Oberfläche, was schade ist. Denn solange ich noch die Morde in der ersten Spielhälfte ermittle, zieht mich die Handlung in den Bann und ich möchte mehr herausfinden. Bei den Mechaniken punktet das Spiel jedoch wieder.

In den Dialogen kann ich Zeugen einfühlsam, ruppig oder analytisch befragen. Das wird dann auf drei Skalen gemessen und schaltet dann besondere Fähigkeiten frei, mit denen ich dann auch alternative Lösungen für die Rätsel besitze. Auch in den Texten spiegeln sich diese Entscheidungen wieder. Bin ich freundlich, verhält sich Vera einfühlsam und zuvorkommend gegenüber ihren Gesprächspartnern. Wähle ich dagegen analytische Antworten, ähnelt sie mehr einen kalkulierenden Roboter oder Mister Spock. Allein wegen dieser Veränderungen in ihrer Persönlichkeit lohnt sich ein erneutes Durchspielen. Meine Lieblingsmechanik ist jedoch ein Implantat, mit dem sich der Herzschlag eines Menschen messen lässt. Sollte sich nämlich wegen einer Frage eine Ungereimtheit einschmuggeln, weiß ich, dass ich mich auf der richtigen Spur befinde oder dass mein Gegenüber mich gerade anlügt. So oder so erhalte ich damit Feedback, das mich zum weiterspielen motiviert, da ich ja scheinbar die richtigen Fragen stelle.  Das Niveau der restlichen Rätsel geht auch in Ordnung. Bei manchen, wie zum Beispiel das Erraten eines Passwortes, muss man etwas um die Ecke denken, aber sie sind immer noch logisch aufgebaut. Ich musste nur ein- oder zweimal im Internet nachschlagen, wäre aber auf die Lösungen gekommen, wenn ich mir mehr Zeit zum nachdenken gelassen hätte.

Whispers of a Machine ist ein gutes Adventure. Ein Nachfolger könnte sogar eine der neuen Größen des Genres werden, wenn man mehr Budget in das Spiel steckt und die Mechaniken rund um die Implantate vertieft. So wurde ich sechs Stunden angemessen unterhalten und empfehle, sich das Spiel während eines Sales auf Steam oder GOG genauer anzuschauen.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken dieses Formulars erklärst du dich mit unserer Datenschutzerklärung einverstanden.