In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Auf der Documenta gibt es mit dem Parthenon der Bücher ein beeindruckendes Kunstwerk, das einzig aus verbotenen Büchern besteht. Jeder, der wollte, war aufgerufen, Bücher, die irgendwo oder irgendwann verboten waren oder es noch sind, einzuschicken, so dass sie in das Kunstwerk eingearbeitet werden konnten (siehe Clip). Beworben wird die Aktion als „Zeichen gegen das Verbot von Texten und die Verfolgung ihrer Verfasserinnen und Verfasser“. Aber es gibt Auflagen: Gewaltverherrlichende, rassistische, rechtsradikale und pornografische Schriften dürfen nicht in das Kunstwerk; außerdem orientiert man sich an der Liste der BpjM. Der deutsche Index, heißt es, diene dem Jugendschutz und dem Schutz vor Angriffen auf die freiheitlich demokratischen Grundrechte. Man unterscheidet also zwischen „berechtigten“ und „unberechtigten“ Verboten. Sicher, jede Gesellschaft muss Widersprüche aushalten, was die BpjM anstellt, ist einigermaßen transparent und nachvollziehbar, und eine Verfolgung findet in Deutschland sicher nicht statt. Außerdem ist es vielleicht nicht statthaft, Lucio Fulcis Glockenseil-Zombiefilme mit Salman Rushdies Satanischen Versen gleichzusetzen. Trotzdem bleibt ein fader Geschmack zurück.
Ich habe kein ernstes Problem mit der BpjM, und wenn ich einen Film sehen möchte, der in Deutschland nicht erhältlich ist, dann fahre ich auf eine Filmbörse oder nach Österreich. Das ist bei uns erlaubt, denn wir leben ja zum Glück in einer offenen Gesellschaft. Dass die Germanistin, welche bei der Auswahl der Bücher letztlich verantwortlich ist, aber der BpjM derart kritiklos die Deutungshoheit zugesteht über das, was problemlos verboten sein „darf“, finde ich unreflektiert und ärgerlich. Denn eine befriedigende Antwort darauf, warum Pasolinis letzter Film immer noch auf dem Index ist (und die Vorlage vom Marquis deSade nicht), werde ich derzeit nicht erhalten. (Indizierung ist kein Verbot, ich weiß, aber eine Indizierung kann für ein Werk dennoch folgenschwer sein und zu dessen Verschwinden beitragen.) Und ist Brechts Die Maßnahme vielleicht nur deswegen erlaubt, weil’s sakrosankte Weltliteratur ist? (Mehr darüber im Tagesspiegel hier.) Man kann in Die Maßnahme durchaus einen Angriff auf die demokratische Grundordnung sehen. Selbstverständlich wird man selten so klug an die Hand genommen und ins Herz der Finsternis mitgenommen wie in Brechts Lehrstück, aber man wird auch sehr alleingelassen mit den verstörenden Botschaften des Stücks. Auch Goethes Die Leiden des jungen Werther lässt Selbstmord nun mal cool aussehen, das lässt sich nicht leugnen.
Muss man den Leser nicht vor sich selbst schützen? Dazu passt das Zitat der verantwortlichen Künstlerin Marta Minujin: „Manche Menschen denken, Bücher sind Gift.“ Aber hat nicht Stanley Kubricks Clockwork Orange auch eine Welle von Jugendgewalt ausgelöst, so dass Kubrick selbst verfügte, dass sein Film in England nicht mehr gezeigt werden sollte? Natürlich ist der Parthenon eine beeindruckende Zusammenstellung, aber sie wirkt auch ein bisschen wohlfeil. Aus unserer behüteten Sicherheit heraus und mit dem zeitlichen Abstand zu – sagen wir – Goethes Zeiten, oder auch der chinesischen Kulturrevolution, lässt sich leicht ein Überlegenheitsgefühl erzeugen, dass wir inzwischen in der besten aller Welten leben. Trotzdem sollten wir – um es mal mit einem biblischen Motiv zu sagen – den Balken in unserm Auge nicht übersehen, auch wenn unsere Bücherverbote nicht in düstere Folterkeller führen und manchmal auch schlüssig begründet werden können. Aber auch der Jugendschutz in Deutschland kann existenzbedrohend sein (siehe die Causa Alpha Comic in den 90ern.)
P.S. Natürlich ist der hat der Vergleich von Filmen und Büchern was von Äpfeln und Birnen, aber deshalb habe ich Beispiele aus dem Filmsektor gewählt, die absolut kanonisch sind und sicher nicht als unwichtiger Schmuddelkram kleingeredet werden können. Gerade im Fall von Brecht und Pasolini sind die Grenzen zwischen Literatur, Aufführung und Film außerdem fließend. Deshalb finde ich die Überschneidung völlig legitim.
Niklas: Im Juni habe ich über Grant Morrisons Multiversity hergezogen, da er aus meiner Sicht das Konzept mit den Parallelwelten des DC-Universums nicht vertiefte, obwohl ich das Konzept mag. Zum Glück gibt es Filme wie Justice League: Gods and Monsters. Die Prämisse ist schnell erzählt: Bruce Timm hat einen Film über eine alternative Justice League gemacht, bestehend aus einen arroganten Superman, Batman als Vampir und Wonder Woman die … dabei ist. Gemeinsam klären sie grausige Morde auf und werden dabei misstrauisch von der US-Regierung beobachtet. Das Misstrauen ist nicht unberechtigt, wie sich herausstellen wird.
Ich weiß nicht, ob die Image-Serie Authority ihre Prämisse genauso aufgezogen hat, aber der Film vermittelt wie ambivalent seine Helden sind, da ihnen nicht nur gesagt wird, dass sie die Welt beherrschen könnten, sondern weil sie es tatsächlich auch in Erwägung ziehen, vor allem Superman. Kein Expy, Superman, der in dieser Version stolz auf seine Herkunft als Alien ist und es jeden spüren lässt, denkt darüber nach die Welt zu beherrschen. Natürlich nur um, sie aktiv besser zu machen, aber dies ist kein böses Spiegelbild, sondern der wahre Superman dieser Welt. Er ist skrupelloser, aber trotzdem bleibt er ein klassischer Held. Wo er aber in anderen Filmen sich schnell als brutaler Diktator erweisen würde, ist er hier wesentlich komplexer, da er auch Gnade zeigen kann und seine Freundschaft mit den beiden anderen Helden ist ehrlich und aufrichtig. Er ist kein einfacher Charakter, genau wie die meisten anderen Figuren des Films, die ihre Weltsicht äußern, aber diese auch in Frage stellen müssen. Letztendlich ist Gods and Monsters ein Film über Perspektiven und Komplexität, der auch deswegen funktioniert, weil wir die Archetypen dieser Figuren kennen und bestimmte Tropen erwarten, die dann wieder gebrochen werden. Es hilft aber auch, dass der Film eine gute Handlung hat, die mit einigen Twists aufwartet, die nicht sofort zu erkennen sind. Ich will auf jeden Fall mehr Geschichten aus diesem Universum.
Zum Thema „Intertextualität und Superhelden“ hat der außerordentlich belesene Kyle Kallgren übrigens ein höchst interessantes Video hochgeladen. Er verpackt das was ich geschrieben habe, wesentlich intelligenter (und unterhaltsam).
Ich habe in den letzten Monaten überhaupt eine Menge Superheldencomics (Tipp: Zu viel Batman ist ungesund, also nur in kleinen Dosen von Miniserien mit nicht mehr als sechs Heften genießen) gelesen. Neben Kurt Busieks sehr lange Serie Astro City (die mit jedem Heft mir ans Herz wuchs) und John Arcudis A God Somewhere (dessen Geschichte mir das Herz brach), habe ich die Hefte 6-12 von Jeff Lemires Serie Black Hammer nachgeholt und kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Geschichte sich immer noch am Anfang befindet und Mister Lemire auf 28 Seiten erstaunlich wenig erzählt. Das finde ich ausnahmsweise nicht so schlimm. Das liegt hauptsächlich an den interessanten Charakteren, die Lemire in den ersten sechs Heften vorstellte und eine wunderbar dsyfunktionale Familie ergeben. Eine dysfunktionale Familie bestehend aus älteren Herrschaften, die ihr altes Leben und ihre Entscheidungen bereuen, während sie mit Leuten gefangen sind, die sie vielleicht lieben, aber nicht immer mögen. Diese Reflektionen, die Lemire in Rückblenden erzählt (von denen es bisher mehr gibt, als Szenen in der Gegenwart) machen für mich das Herz der Serie aus und deswegen werde ich weiterlesen. Ich hoffe nur, dass die Geschichte endlich richtig losgeht. Spätestens ab Heft 15 wäre es nicht schlecht.
Daniel: In Momenten, in denen mir unglaublich fad ist, suche ich oft nach dem richtigen Konsolen- oder Tablet-Spiel, um mich abzulenken. In den meisten Fällen finde ich die falschen Spiele und ärgere mich, Geld ausgegeben zu haben. Seid verflucht, iOS- und Playstation-Stores! Letztes Wochenende habe ich King’s Quest gefunden. Eine neue Version von King’s Quest. Für manche Leute sind die besten Point-and-Click-Adventure Monkey Island, Maniac Mansion oder Zac McKraken. Ich finde, dass die Sierra-Spiele (Leisuresuit Larry, Hero Quest, Police Quest, etc-Quest) besser geschrieben sind. Einfach unterhaltsamer, weil sie an der richtigen Stelle ernster sind als die Konkurrenz. Ich wollte gucken, ob die Odd Gentlemen (ein wirklich netter Name für ein Produktionsstudio) in der Lage sind, den Charme des Spiels in unsere Zeit zu übertragen.
Funktioniert. Wie die kleine Gwendolin lässt man sich vom alten König Graham, die Geschichte des jungen aufstrebenden Abenteuerer Graham erzählen – und spielt ihn dabei selbst. Die Grafik ist schön weich gezeichnet und der Charme der Geschichte blitzt hervor, wenn Graham seine Mund aufmacht. Das trifft sowohl auf sein Arsenal aus schlechten Wortwitzen, wie auch auf seine überdrehten Monologen zu. Der Humor der alten Spiele, zumindest an den ich mich erinnere, ist derselbe geblieben. Die erste von fünf Episoden ging runter wie Öl. Ein abendfüllendes Abenteuer. Doch leider kann man nicht speichern wo man möchte. Dabei hat Sierra doch den Slogan „Save early – save often“ geprägt. Nun habe ich mich in eine Sackgasse manövriert und muss die zweite Episode neu starten. Das sollte bei einem familienfreundlichen Spiel nicht sein. Ich werde trotzdem gleich noch mal nach Daventry gehen.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.
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