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Währenddessen… (KW 3)

Niklas stellt uns heute die Visual Novel The Silver Case vor. Christian hat Ron Jabbaz‘ The Sadness gesehen und ist nur mäßig beeindruckt.

Niklas: Suda 51 kennt man vielleicht als Schöpfer der No More Heroes – Videospielserie. Eines seiner ersten Projekte war aber die Visual Novel The Silver Case.

Worum geht es?

Japan wird in Angst und Schrecken versetzt. Der Serienkiller Kamui kehrt zurück, eine ominöse Gestalt, die über magische Kräfte zu verfügen scheint. Wir sind Mitglied einer Spezialeinheit der Polizei, stellen Kamui und werden deswegen zur Belohnung in ein anderes Team versetzt. Zur gleichen Zeit versucht ein Reporter alle Daten über Kamui zu sammeln, die ihm in die von Nikotin verfärbten Finger fallen. Er weiß zumindest, dass Kamui bis vor kurzem nicht einmal existierte.

Ab da wird es kompliziert.

The Silver Case scheint weniger daran interessiert zu sein einen klassischen Krimi zu erzählen, als vielmehr in vielen kleinen Episoden darüber zu philosophieren, was die Natur eines Verbrechers ist oder zumindest welche Bedeutung das Wort Verbrecher besitzt. Dabei wird weniger ein klassisches Gut-Böse-Narrativ aufgebaut, als vielmehr die Frage gestellt wer eigentlich bestimmt, wer ein Verbrecher ist und wer nicht. Der Staat? Die Gesellschaft? Der Mob, der mal wieder einen neuen Sündenbock braucht? Besitzt der Staat überhaupt noch Legitimität, wenn es kein Böses gibt?

Das Meiste davon beantwortet The Silver Case selten direkt, obwohl die Dialoge lang und detailliert sind. Wenn überhaupt, dienen die Gespräche zwischen den Figuren mehr dazu, ihnen Ecken und Kanten zu geben, als tatsächlich den Plot zu erklären. Der wird dann oft schnell in einem langen Gespräch zum Schluss zusammengefasst, damit ich überhaupt verstehe was passiert ist.

Was ich davon halte?

Schwer zu sagen. Ich mag das Szenario, die Figuren, die Themen und den Ideenreichtum. Andererseits finde ich, das die Balance zwischen Infodumps und mehrdeutigen Szenen oft nicht da ist. Gerade zum Schluss wird das deutlich, wenn die Handlung noch einmal eine ganz andere Wendung nimmt. Trotzdem war mir während der siebzehn Stunden Spielzeit, die ich brauchte, nie langweilig. The Silver Case besitzt eine ganz eigene Atmosphäre, die mich dazu motiviert, es eines Tages noch einmal zu versuchen. Vielleicht ergibt alles mit der Fortsetzung, the 25th Ward: The Silver Case, mehr Sinn. Vielleicht ist mir das alles auch zu hoch.

Wenigstens hat mich die Lektüre zum nachdenken angeregt.

Christian: Ein Kollege hat mich kürzlich zur Seite genommen, drückte mir eine DVD mit dem Titel „The Sadness“ in die Hand und meinte, das würde mir schon gefallen. Der Titel klingt ja ziemlich trist. Igendwie ist der Film das auch.

Nach einer halben Stunde dieses Films, in dem eine Pandemie Menschen in sadistische Vergewaltiger verwandelt, hatte ich das drängende Verlangen, mir das Interview mit dem Regisseur Rob Jabbaz in den DVD-Specials anzusehen. Wenn er darin nicht deutlich machen würde, dass er maßgeblich von Garth Ennis‘ Crossed beeinflusst worden war, so dachte ich, wäre Jabbaz ziemlich unlauter. Es ist zwar keine völlig neue Idee, das Zombie-Thema dahingehend zu variieren, dass eine Pandemie oder Seuche die Menschen in tollwütig-aggressive Kannibalen verwandelt, aber der Pegel an Sadismus und sexualisierter Gewalt ist doch zu ähnlich an Ennis‘ Zombieporno-Apokalypse, als dass es ein Zufall sein könnte.

Tatsächlich erzählt Jabbaz gut gelaunt, dass er einen ähnlichen Eindruck wie Crossed erreichen wollte, allerdings mit einem stärker fokussierten Plot. Somit ist ihm doch glatt ein Beitrag zum Genre „Comicverfilmung ohne direkte Vorlage“ gelungen, denn Crossed-Fans kommen ohne Zweifel auf ihre Kosten. Außerdem erzählt uns Jabbaz von seinem Wunsch, einen kompromisslosen Film für echte Horror-Fans zu machen, keinen Nerd-Scheiß, wie ihn dieser Rob-Zombie macht (dessen The Devil’s Rejects ich ja für einen durchaus sehenswerten Film halte. Ron Jabbaz hat offensichtlich nur wenig für ihn übrig).

Die Herangehensweise mit echten Gore-Effekten ohne CGI hat ja einiges für sich, im Großen und Ganzen hat Jabbaz da etwas gestrickt, was man wohl als „Braindead minus Fun“ bezeichnen kann. Trotzdem mochte ich den Film nicht. Sehr unangenehm, wie das menschliche Bedürfnis, zu helfen, allzu oft, eigentlich repetitiv, damit quittiert wird, das der daliegende Schwerstverletzte sich soeben selbst in einen Infizierten verwandelt hat, der einem die Nase abbeißt, sobald man sich über ihn beugt. So kann man als Erzähler natürlich auch die Verantwortung für seine Figuren abschütteln, indem man die eben noch so schrecklich malträtierten Figuren besser liegen lässt.

Ich hab mich vor Ewigkeiten mal mit einer Bekannten über den Film Gilbert Grape unterhalten und meinte, dass mir der gut gefallen habe. Darauf meinte sie, dass die Auflösung des Films ja wohl das Letzte sei: Am Ende geht die übergewichtige Mutter der Johnny Depp-Figur mit einer übermenschlichen Anstrengung die Treppe hoch und überanstrengt sich so, dass sie einfach stirbt und so dem Liebesglück der Figuren nicht mehr im Weg steht. Das sei doch keine Lösung. So dumm darf man als Erzähler seine Zuschauer doch nicht verkaufen.

Ich finde sie hatte recht. Da liegt ein Mensch, der soeben noch mit Stacheldraht und sexueller Penetration von Kids mit Baseballschlägern gefoltert worden ist und als dann der Protagonist sich endlich um diesen kümmern kann, grinst ihn das Opfer mit den Augen eines dieser Zombies (jaja, es sind Rage-Psychos) an. Das ist erzählfaul. Stattdessen wird das Publikum der Horrorfilm-Festivals mit Blutfontainen, Darmschlingen und Action belohnt, das natürlich johlt und klatscht, weil der Splatter hier natürlich trotzdem Fun-Stuff ist, auch wenn es vermeintlich ernsthaft zur Sache geht.

Da guck ich mir lieber noch mal Gaspar Noés Irreversibel an. Der Film nimmt seine Zuschauer wenigstens ernst.

Das Titelbild zum heutigen „Währenddessen“ zeigt einen Bildausschnitt von Crossed (c) Avatar-Verlag.

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