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Währenddessen… (KW 28)

Heute in Währenddessen: Niklas stellt uns eine neue Episode der Trails-Rollenspielreihe vor. Danach erzählt Christian, was ihn 2022 zum Blake und Mortimer-Fan werden ließ.

Niklas: Wenn ich ein Jahr für ein Spiel brauche, ist das erst mal kein gutes Zeichen. Andererseits muss mich ein Spiel richtig fesseln, wenn ich mich ein ganzes Jahr mit ihm beschäftige.

Trails of Cold Steel 1 ist der erste Teil einer fünfteiligen Serie von Rollenspielen, die alle eine große Geschichte über Freundschaft, Verrat und Ideale erzählen. Es ist außerdem Teil der Trails – Reihe, deren erste Trilogie ich letztes Jahr vorstellte und die eine epische Saga über mehrere Geschichten hinweg erzählen möchte.

Als Rean Schwarzer besuche ich die Militärakademie Thors und nehme als Mitglied einer besonderen Schulklasse an Militärexpeditionen teil, die dazu dienen, der Bevölkerung zu helfen. Soll heißen, neben dem üblichen Schulalltag räume ich in einem düsteren Geisterhaus auf und jage in der Provinz Monster. Außerdem ermittle ich in übernatürlichen Ereignissen, vereitle Geiselnahmen und ermittle in Diebstählen. Natürlich sind alle mal sechzehn bis siebzehn Jahre alt und schwer bewaffnet. Was man nicht alles so macht, um am Ende mit Höchstnote zu bestehen.

Die Trails of Cold Steel 1-Prämisse ist merkwürdig, aber mit der Zeit gewöhne ich mich dran und werde in die vielen Geschichtchen, die das Spiel erzählt, hineingezogen. Denn nicht nur die heldenhaften Konflikte begeistern mich, sondern die vielen kleinen Subplots, die man nur findet, wenn man sich umschaut. Da ist ein verliebtes Ehepaar, das jeden Tag Süßholz raspelt, während ihre Nachbarn einen Krach nach dem anderen haben. Ein Junge beginnt, sich plötzlich für die Schule zu interessieren, als die neue Lehrerin sich als hübsche Nonne herausstellt. Und dann sind da noch die beiden Klassenkameraden, die sich gegenseitig im Geldmachen ausstechen wollen und darüber hinaus ihre eigene Romanze am laufen haben.

Diese kleinen Episoden machen die Welt lebendig, kombiniert mit zahlreichen Zeitungsartikeln und Büchern über Mythologie und Historie des an Deutschland angehauchten Kaiserreich Erebonia. Sich dafür zu interessieren ist auf jeden Fall ein Muss, denn die meiste Zeit verbringe ich mit Lesen. Sehr viel Lesen. So viel, dass es mir gerade im letzten Kapitel zu viel wurde und ich teilweise die Texte nur noch übersprungen habe. Es hilft auch nicht, dass die meisten Kämpfe recht einfach zu beenden sind, wenn man die Zauber ignoriert und sich stattdessen nur auf die Spezialattacken der Figuren interessiert. Am Ende habe ich 89 Stunden für das gesamte Spiel gebraucht, ohne groß Endkämpfe wiederholen zu müssen. Außerdem merkt man Trails of Cold Steel 1 auch an nur der erste Teil einer größeren Geschichte zu sein. Das hat mich so erschöpft, wie es selten ein Spiel geschafft hat.

Das ist leider kein Kompliment, weswegen ich Trails of Cold Steel 1 nur denen empfehle, die Zeit haben und diese auch in das Spiel stecken möchten. Sobald man sich darauf einlässt, zieht es einen in eine aufregende Welt, die man nicht verlassen möchte. Aber die Zeit muss da sein. Nicht jeder hat ein Jahr, um ein Spiel durchzuspielen.

Christian: Auch von einem Viel-Leser von Comics kann man nicht erwarten, dass er alle Klassiker kennt. Um Blake und Mortimer bin ich lange gekreist und habe nur sehr punktuell reingelesen, letztendlich aber immer dem Ligne Claire-Klassiker Tim und Struppi den Vorzug gegeben. Da war mehr Bewegung und Action.

Ich bin nicht alleine mit dem Gefühl. Auf dem Comicsalon stand ich daneben, als sich zwei Künstler über einen Fan mit einem „Das Gelbe M“-T-Shirt unterhielten: – Kennst du Blake und Mortimer? fragte der eine. Nicht wirklich, der andere, ich hab’s ein paar Mal versucht, aber ich find da keinen Zugang. Ich stehe also nicht alleine vor der Hürde, die Edgar P. Jacobs‘ Klassiker heute darstellt. Die verkleinerte Gesamtausgabe hat auch nicht geholfen, Blake und Mortimer näherzubringen, denn der attraktiv gestaltete Klotz war zwar gut geeignet, einen Meter Buch im Regal schnell zu vervollständigen, mir ist jedoch unklar, worin das Vergnügen liegt, ein unhandliches Buch in die Hand zu nehmen, in dem die ohnehin filigranen Bilder und die dichtgepackte Schrift unangenehm klein sind. Auch gefällt mir der Gedanke nicht, Jahrzehnte von Comicschaffen in ein einziges kompaktes Buch zu pressen. Das wird doch der tatsächlichen  Entstehungsgeschichte nicht gerecht.

Aber zum Glück gibt es jetzt die Blake und Mortimer-Bibliothek. An diesen schönen Hardcovers komme ich nicht vorbei. Seit einem Jahr liegen nun die ersten Bände bei mir auf Halde, jetzt hab ich Das Geheimnis der Großen Pyramide endlich gelesen. Ein super Comic. Einerseits hat er die schöne Atmosphäre eines alten Fritz Lang-Films, dabei ist er eigentlich gar nicht „filmisch“, vor allem angesichts der vielen Textblöcke, die beschreiben, was im Bild ohnehin zu sehen ist. Ich schlage willkürlich eine Seite auf und lese in einem Panel, „Schon fährt Sharky allein weiter“, was logisch ist, denn Sharkys Mitfahrer ist ja gerade ausgestiegen. Ein paar Panels weiter steht in einem Textblock, „Da wird Kommissar Kamal vom Klingeln des Telefons unterbrochen“, während im Bild zu sehen ist, wie das Telefon klingelt. Solche Dopplungen prägen Edgar P. Jacobs Comic durchgehend, worüber nicht wenige die Nase rümpfen und sagen, da sei man heute weiter. Man müsse dem Leser doch nicht erzählen, was im Bild gerade passiert.

Action-to-Action Transition bei Blake und Mortimer. Geht auch ohne Zwischentexte!

Ich glaube nicht, dass Edgar P. Jacobs seine Leser unterschätzt hat, denn dafür ist seine Comic-Erzählung zu raffiniert und zu komplex. Ich sehe aber, dass die Textblöcke verschiedene, durchaus vielseitige Aufgaben erfüllen. Manchmal verkürzen sie eine Szene, so dass Eindeutigkeit im Erzählfluss hergestellt wird, wo sonst vielleicht ein zusätzliches Bildchen nötig gewesen wäre, denn man hätte vielleicht doch eindeutig zeigen müssen, wie Sharkys Mitfahrer aussteigt, was schlussendlich die Seitenkomposition zerschossen hätte. Blake und Mortimer ist aber hochästhetisch angelegt und will sich nicht in langweilige Darstellungen verlieren, die mit knappen Worten verkürzt werden können. Schöne Moment-zu-Moment-Übergänge gelingen Jacobs deswegen ja trotzdem zuhauf und Action kann er auch, aber natürlich stets mit dem – für unser heutiges Leseverständnis unnötigen – Begleitkommentar. Diese beschreibenden Kommentare lassen sich leichter akzeptieren, wenn man den Comic nicht mit Filmen vergleicht, sondern mit Hörspielen. In Hörspielen ist es durchaus üblich, eine Erzählstimme erklären zu lassen, was gerade von sich geht und wie es gerade vor Ort so aussieht. Wir haben also tatsächlich eher illustrierte Hörspiele vor uns als Filme auf Papier. (Konventionelle Hörspiele. Auch hier gibt es sicher moderne Strömungen.)

So macht auch endlich der Gedanke Sinn, dass es von Tim und Struppi Hörspieladaptionen gibt, was ich in Hinblick dessen, dass Comics ein visuelles Medium sind, lange Zeit recht abwegig fand. Inzwischen ist mir der Gedanke, dass man sich Comics wie Filme vorstellen möchte, aber auch ein Graus geworden. Als Kind und Jugendlicher malte ich mir bei der Comiclektüre noch aus, was für tolle Filme die Comics abgeben würden und angesichts der vielen existierenden Verfilmungen ist das wohl auch eine sehr gängige Projektion. Stets aufs Neue mit ansehen zu müssen, wie die visuelle Vielfalt der Comics in den meist recht angepassten Look von Verfilmungen gepresst wird, macht mir aber längst keine Freude mehr. Ebenso sind die Comics, die im Umkehrschluss das filmische Denken verinnerlich haben, oft fad. Mit Y the last Man, das den Look von Netflix-Serien ja quasi vorweggenommen hat, habe ich mich beispielsweise nie anfreunden können.

Die Blake und Mortimer-Erzählweise macht völligen Sinn, denn damit wirkt der strenge Ligne- Claire-Look erst rund und vollendet – man muss sich ja deswegen nicht genötigt fühlen, die offensichtlich redundanten Textblöcke mitzulesen. Durch die kontinuierliche, ständig präsente Erzählerstimme wird man auf gutmütige Art und Weise an die Hand genommen. Klar dass das nicht auf ewig in Mode bleiben konnte, man sollte aber nicht annehmen, dass es sich hier nur um eine Vorstufe des modernen Comics handelt, der noch nicht alle Mittel zur Verfügung hatte – das würde ja zur Folge haben, dass heutige Comics „besser“ wären. Was auch immer „besser“ bedeuten soll.

Klasse Farben.

Von grafischer Seite her begeistert mich neben der klaren Linie vor allem die Kolorierung, die durchgehend auf hohem Niveau ist, in den Szenen, die innerhalb der Pyramide spielen, sogar spektakulär. Die konsequente Ausleuchtung der Szenerie in den Farben gelb, rot und blau hat mit der Realität an Örtlichkeiten sicher nur wenig gemein, aber sie ist visuell einfach hochgradig aufregend. Denke ich daran, was eine moderne digitale Kolorierung hier anrichten hätte können, drängt sich der Gedanke auf, dass vielleicht doch 1950 die beste Zeit für Comics war und wir heute nur noch in den Ruinen spielen.

So ist Blake und Mortimer für mich eine der Entdeckungen 2022 geworden und die Ausgabe der Blake und Mortimer-Bibliothek eine Reihe, der ich noch lange treu bleiben werde.

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