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Währenddessen… (KW 22)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Christian: Als ich vor zwei Monaten über Willi Kohlhoffs Robinson-Comics geschrieben habe, war mir klar, dass es das noch nicht gewesen sein kann. Natürlich musste ich die Robinson-Comics weiterverfolgen und auch den Übergang zu Helmut Nickel nachvollziehen.

Nach Kohlhoffs ersten, herausragenden Heften trat die Serie im Nummernbereich 14 bis 19 inhaltlich auf der Stelle, was bisweilen den Eindruck erweckt, dass der Künstler gedanklich bereits mit seinem Berufswechsel beschäftigt war. Auch qualitativ waren die Hefte diese Phase von schlechterem Druck, was auf einen Druckereiwechsel zurückgeführt werden kann (siehe Detlef Lorenz: Das Logbuch des Robinson Crusoe. Edition Alfons 2015). Mit seinem Nachfolger Helmut Steinmann war der Niedergang der Reihe dann offensichtlich, denn thematisch wie atmosphärisch ist nichts mehr übriggeblieben von dem, was die Reihe anfänglich ausmachte. Mit der Nummer 22, als Helmut Nickel mitten in der laufenden Geschichte übernahm, machte die Reihe dann aber qualitativ einen gehörigen Satz nach vorne. Zwar ist gerade der Humor in dieser ersten Episode bisweilen krude, aber an den Zeichnungen und der Sorgfalt der Gestaltung erkennt man bereits, dass hier etwas Besonderes am Entstehen war. Auch dass die Farben in den folgenden Heften eingespart wurden, bedeutete keinen Qualitätseinbruch, im Gegenteil kann man gerade in den schwarzweißen Panels gut den präzisen Strich von Nickel erkennen.

Nickel schaffte es, mit wenig Linien maximalen Ausdruck zu erreichen. Aus Robinson Nr. 28. © Helmut Nickel, Gerstmayer Verlag.

Ich bin in meinen frühen Jahren als Comicsammler nie richtig warm geworden mit Nickels Robinson, weil er mir zu weit weg war von Kohlhoffs fiesen Geschichten. Heute aber, da ich die Geschichten zum ersten Mal bewusst lese, erkenne ich das hohe Niveau, auf dem Nickel damals gearbeitet hat und es bereitet Freude, in diese alten Comics zum ersten Mal einzutauchen. Leider sind die Reprints des Roman-Boutique Clubs nur schwer zu finden und häufig teuer. Leicht erhältlich sind nur die (zu) kleinformatigen Reprints des Hethke-Verlags.

Es stimmt mich traurig, dass einige von Helmut Nickels besten Arbeiten nach ihrer Erstveröffentlichung in den 1950er Jahren nie wieder die verdiente Aufmerksamkeit erhalten haben. Seine wunderschöne Adaption von Die Drei Musketiere, wurde zwar zwei Mal nachgedruckt, davon jedoch einmal in schlechter Qualität und unvollständig (Arotal, 1970er Jahre), einmal in Kleinauflage ummontiert zu Streifenheften vom Kleinverleger Norbert Dargatz (immerhin in guter Qualität). Hier müsste dringend etwas mehr Erinnerungsarbeit an einem unserer größten Comickünstler geleistet werden. Eckart Schott wenigstens hat vor einigen Jahren eine sehr schöne Ausgabe von Nickels Reihe Peters seltsame Reisen veröffentlicht, ein Comic, den ich thematisch ohne Umschweife in die Nähe von Alan Moores ABC-Projekt von 1999 einordnen würde. Und der bsv-Verlag ist momentan daran, eine Neuausgabe von Nickels Don Pedro zu veröffentlichen. Man kann den Wert solcher Initiativen nicht hoch genug einschätzen.

Bekam die besten Szenen und das beste Kostüm: Maskierter Serienkiller Rorschach (Alle Abbildungen © DC Comics, The Writer, Alan Moore, Dave Gibbons)

Niklas: In Vorbereitung auf Doomsday Clock habe ich mal wieder Watchmen gelesen. Das letzte Mal liegt bereits sechs Jahre zurück und ich war schon etwas nervös. Früher war diese Miniserie mein liebster Comic gewesen, danach zumindest der zweitliebste. Jetzt ist er wesentlich tiefer gefallen. Versteht mich nicht falsch, formal ist der Comic immer noch großartig. Die Übergänge von einer Szene in die nächste sind weiterhin brillant, die Motive der Handlung bauen fließend aufeinander auf und die ersten acht Hefte sind immer noch sehr gut geschrieben und tauchen tief in die Psyche ihrer Figuren ein. Dann kommt das letzte Drittel der Handlung und ich kann nach fünfzehn Jahren endlich sagen, dass es mich ab da einfach nicht mehr so packt. Ich könnte nicht sagen woran es liegt, rein von der Kompetenz her passt alles immer noch zusammen. Vielleicht liegt es an den Figuren, vielleicht daran, dass ich inzwischen zu viel Moore gelesen habe, aber wenn heute mal wieder ein Charakter die Schönheit des Lebens preist, während er durch Blut, Kadaver und Verderben latscht, empfinde ich das einfach nur als gewollt optimistisch. Aber das ist auch ja der Punkt, dass alle durchdrehen und krampfhaft versuchen, positiv zu bleiben. Anders könnten sie das Geschehen wohl nicht verarbeiten.

Alle drehen durch und die Superhelden helfen nicht.

Die Welt von Watchmen  ist ein Irrenhaus, die Menschheit kommt mit der Komplexität des Lebens nicht klar und sucht einfache Lösungen. Deswegen verschreiben sie sich krassen Ideologien, flüchten sich in die Wissenschaft und werfen sie sich ein Kostüm über. Sie alle fliehen lieber der Realität, als sich ihr zu stellen. Es erstaunt mich bis heute, dass so wenig darüber geschrieben wird oder gesagt wird, da es so offensichtlich aufgezeigt wird. Denn auch wenn es immer noch gut geschrieben ist, mit seiner eigentlichen Botschaft ist Watchmen nicht sonderlich subtil. Nein, stattdessen diskutiert man darüber, wie brutal und edgy alles ist. Es stimmt: Watchmen ist brutal und edgy. Vielleicht empfinde ich es als Erwachsener noch intensiver denn als Jugendlicher, als ich das Buch zum ersten Mal aufschlug. Denn nun weiß man ja aus eigener Erfahrung, wie hässlich und brutal die Welt da draußen wirklich sein kann und wie wenig Kontrolle die Menschen über ihre Umwelt, geschweige denn ihr Leben, besitzen.

Dave Gibbons Zeichnungen bleiben aber weiterhin zeitlos gut. Gerade die Szenen mit Rorschach sind weiterhin ein echter Hingucker, genau wie sein Kostüm. Gibbons zeichnet das Bild einer Zukunft, die unserer immer noch nah genug ist, aber der man doch all ihre Veränderungen abkauft, selbst wenn sie schon damals retro wirkte.

Watchmen ist brillant, aber es bereitet mir keine Freude mehr es zu lesen. Das war auch der Sinn der Sache, aber selbst in einer komplexen Welt wie dieser braucht man zumindest etwas Motivation, um ein solches Mammutwerk zu lesen. Ich lasse es noch mal sechs Jahre liegen, vielleicht steigert das ja meine Motivation wieder. Vielleicht zündet der Optimismus der Geschichte dann auch wieder besser.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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