Niklas hat ein interessantes Demo-Game entdeckt, Christian vergleicht Hansrudi Wäscher mit Ed Wood.
Niklas: Normalerweise empfehle ich Spiele ja nur wenn fertig, aber dieses Mal mache ich eine Ausnahme.
Sovereign Syndicate, ein Rollenspiel in isometrischer Perspektive, orientiert sich mit seinem Design an Spielen wie Shadowrun Returns und Disco Elysium. Allerdings spielt das Szenario nicht in einer dystopischen Zukunft oder auf einem fernen Planeten, sondern im London des 19ten Jahrhunderts. Magische Spezies scheinen ein alltäglicher Anblick zu sein, immerhin begegne ich schon am Anfang Zentauren und einem Zwerg in einer bürgerlichen Umgebung. Dampfbetriebene Roboter rennen ebenfalls herum, was schon jetzt auf einen Sprung in der Technologie hindeutet. Ich spielen den Minotauren Atticus, einen alkoholkranken Kriminellen, der von einem geheimnisvollen Maskierten dazu angeheuert wird um … etwas zu tun. Was, wird in der Demo noch nicht verraten. Stattdessen sollte man sich gleich im ersten Gebiet genauer umschauen und ein Lagerhaus untersuchen, in dem die Mechaniken des Spiels vorgestellt werden. Das Lagerhaus ist recht schnell durchgespielt, bietet aber schon jetzt mehrere Lösungsmöglichkeiten.
Prüfungen meines Könnens werden über unsichtbare Würfelwürfe abgehandelt. Erfolgreiche Würfe steigern meine Fähigkeiten und gewähren mir Tarotkarten, mit denen ich die nächsten Tests zum Guten oder Schlechten beeinflussen kann. Zumindest glaube ich, dass es so funktioniert. So ganz sicher bin ich mir noch nicht und auch im Charaktermenü, das sich an die Lehre der fünf Körpersäfte orientiert, fühle ich mich noch etwas verloren.
Dafür ist das Writing schon klasse. Wie in Disco Elysium teilen verschiedene Teile von Atticus Persönlichkeit, darunter sein Instinkt, zu jedem Thema ihre Meinung mit. Das bedeutet, dass die vom Text getriebene Narration wesentlich mehr Persönlichkeit bekommt und verdeutlicht gleichzeitig auch, wie es um das seelische Befinden unserer Hauptfigur steht. Cool.
Schön ist auch, dass Atticus‘ Questlog, oft als Tagebuch übersetzt, auch wie ein Tagebuch geschrieben ist. In der kurzen Zeit die ich ihn gespielt habe, beweist mein Charakter schon jetzt, dass er eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten ist. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es weitergeht. Auch Jack the Ripper wird eine Rolle spielen. Der wird nämlich in einem Zeitungsartikel erwähnt und gehört ja inzwischen zum Steampunkgenre wie der Zylinder auf den Kopf des Gentleman.
Die Spielwelt scheint schon jetzt ihre eigene Persönlichkeit zu haben. Dampftechnologie mit Magie zu vermischen ist vielleicht nicht neu, aber es wird auch nicht alt und ich bin gespannt, wie all die magischen Lebewesen sich in die sittenstrenge Welt des Viktorianischen Zeitalters einfügen werden.
Sovereign Syndicate kann derzeit auf Steam getestet werden. Diese Version ist immer noch eine sehr rohe Alpha und wird sich noch ändern. Bei mir ist es auch schon zu Abstürzen gekommen, aber mein Laptop ist auch schon fast zehn Jahre alt. Die Entwickler, Crimson Herring Studios, freuen sich aber über Feedback, das man ihnen über ihren Discord mitteilen kann.
Trailer: (631) Best Isometric RPG’s of 2022 ( Games like Baldur’s Gate ) – YouTube
Christian: Es ist schon erstaunlich. 1937, im ersten Jahr der Prinz Eisenherz-Saga, sah Hal Fosters Camelot noch aus wie eine mythisch überhöhte Märchenburg, in die Walt Disneys Neuschwanstein locker mehrere Male reingepasst hätte. 1938 bereits hat der Künstler seine Burg recht pragmatisch in völlig anderer Form hinskizziert. Abgesehen davon, dass Foster wohl einen praktikablen Weg finden musste, die Darstellung in den Griff zu kriegen, kann man den Wandel der Camelot-Darstellung auch so deuten, dass der junge Prinz Eisenherz schlicht zu überwältigt ist von dem, was er zu sehen bekommt. Später, als er die Eindrücke sortieren konnte, wird das Bild profaner und gewöhnlicher. Wir sehen in Comics eben nicht immer objektiv, sondern mit den Augen der Figuren und wissen ja auch aus eigener Erfahrung, dass man bei erster Begegnung die Dinge nicht immer so sieht, wie sie wirklich sind.
Auch bei Hansrudi Wäscher änderte ein Gebäude 1954 immer wieder seine Gestalt. Die Helden werden in Sigurd-Heft 48 (Die Leopardenschlucht) von ihrem Feind, dem Schwarzen Henker, in eine runde Hütte gesperrt. Die Hütte sieht auf den ersten Blick aus wie eine Strohhütte, die massive Holztür verleiht dem Gebäude aber Uneindeutigkeit. Viel uneindeutiger noch ist das Innere der Hütte, das mit massiven Steinen, Balken und Fachwerk und erstaunlicher Weitläufigkeit definitiv nicht zur Außenansicht passen will. Am Anfang, in längeren Szenen, gelingt es leichter, über diese Unstimmigkeit hinwegzusehen, aber im Fortgang der Handlung wird laufend zwischen Außen- und Innendarstellung gewechselt, wenn Cassim sich vom Äußeren der Hütte ins Innere gräbt und wenn später die Hütte vom Feind in Brand gesteckt wird. Immer wieder hab ich hin- und hergeblättert und überlegt, ob die kleine Strohhütte nicht vielleicht doch nur das Eingangsportal zu einer Felshöhle ist, was sie aber dann eben doch nicht ist. Näher an Plan Nine from Outer Space war Wäscher nie: Hier passt wirklich gar nichts zusammen und man ist froh, wenn diese Szene endlich vorbei ist und das Abenteuer einigermaßen geordnet seinen weiteren Lauf nimmt. Vermutlich hatte Wäscher irgendwann gemerkt, dass das von ihm gewählte Innenleben nicht zur Außenansicht passt und dann stoisch die gewählte Form durchgezogen, weil ein abrupter Stilbruch auch keine wirkliche Alternative darstellte und der Zeitdruck, unter dem das Heft entstehen musste, auch keinen Spielraum zum Nachdenken gestattete.
An und für sich sind die Sigurd-Hefte 41 bis 60 gar nicht so inkompetent erzählt. Die Geschichten, die Hansrudi Wäscher und Gerhard Adler uns hier erzählen, sind lose durch den erzählerischen Bogen zusammengehalten, dass der gute König aus dem Norden dem Afrikaner Samadi ein Geschenk überreichen will, was natürlich Anlass für zahlreiche Verfolgungsjagden gibt, die an Orten wie einer windigen Hängebrücke oder einer toten Stadt dann auch solide in Szene gesetzt sind. Höhepunkt dieses Zyklus ist die Entführung Cassims durch einen großen Raubvogel, Tiefpunkt Sigurds Kampf mit einem Krokodil das aussieht wie ein Regenwurm mit Krokodilkopf. Zu großen Teilen habe ich die Storyline durchaus gerne gelesen, nach 20 Heften dieses erzählerischen Leichtgewichts ist jetzt aber der Bedarf an anspruchsvollerer Nahrung zu groß geworden um noch weiter zu lesen. Dennoch freue ich mich auf die folgenden Hefte, die dann von Rasmus Jagelitz erzählt sind. Beim flüchtigen Durchblättern der Hefte sehe ich, wie Sigurd mit einem Schwerthieb einen Amboss spaltet, außerdem kommt König Etzel. Auf diese Richtungsänderung zugunsten diverser Nibelungensachen bin ich dann doch gespannt.