Asaf Hanuka ist ein israelischer Künstler, der in Tel Aviv lebt. Er arbeitete unter anderem an dem Oscar-nominierten Animationsfilm Waltz with Bashir mit, außerdem wurden seine Zeichnungen in renommierten Zeitungen bzw. Zeitschriften wie der New York Times, dem Wall Street Journal oder dem Rolling Stone abgedruckt. Nebenbei veröffentlicht Hanuka seit 2010 auf seinem Blog im wöchentlichen Rhythmus autobiographische Comics und Illustrationen. Unter dem Titel Der Realist erzählt er aus seiner subjektiven Sicht vom Leben und Arbeiten in seiner Heimat, aber auch vom ganz normalen Familienwahnsinn.
Cross Cult hat nun einen ersten Print-Sammelband dieser Online-Episoden im Albenformat herausgegeben. Alles beginnt mit einem Anruf: Hanuks Vermieter meldet sich und muss ihm die unangenehme Nachricht überbringen, dass man dessen Wohnung verkauft habe. Innerhalb von drei Monaten müsse die Familie ausziehen. Ein Schock, vor allem in Hinblick auf den schwierigen Wohnungsmarkt Tel Avivs. Vordergründig beruhigt Asaf seine Frau zwar und beschwört, man werde schon nicht auf der Straße landen, doch als abends im Bett die Gedanken kreisen, offenbart sich die tatsächliche Sorge.
Es sind die letzten beiden Panels auf dieser ersten Seite des Albums, die exemplarisch für den eigenwilligen Erzählstil in Der Realist stehen. Hanuka phantasiert darin zwar nicht vom buchstäblichen Auf-der Straße-stehen, aber er malt sich aus, wie sein Ehebett die Straße entlang entschwindet, um schlussendlich irgendwo unter dem Sternenhimmel schwebend zu verweilen. Eine absurde Szene, aber keine wirkliche Pointe. Auf die verzichtet Hanku aber ohnehin fast komplett. Seine auf je einer Seite erzählten Geschichten laufen oftmals ins Leere, sind weder richtig lustig noch traurig. Das macht es dem Leser mitunter schwer, einen Zugang zu dem Comic zu finden. Man hat den Eindruck, dem Zeichner geht es nicht um Botschaften oder Narrative, sondern um das Transportieren von persönlichen Emotionen; was nichts Negatives sein muss, in Der Realist aber durchaus verstört.
Der Humor Asaf Hanukas ist von eher subtliler Natur. Wenn er von seinem Urlaub, dem Umzug, dem Einkauf im Supermarkt berichtet, sind das vordergründig Banalitäten des Alltags, die er mit zeichnerischen Einfällen möglichst wendungsreich versucht zu konterkarieren. Das gelingt leider nur zum Teil überzeugend, viele der Onepager sind dafür zu schwach geraten. Und das, obwohl der israelische Künstler die ganze Palette an popkulturellen Zitaten auffährt, Freud, Spiegelman und den Hulk auftreten lässt, Apple und Facebook thematisiert und er sein Comic-Ich buchstäblich zerlegt: Tot, explodiert, zerteilt, geschrumpft. Was auf bildlicher Ebene als Metapher ausgezeichnet funktioniert, wirkt als Storygerüst bisweilen ratlos. Wenn von Krankheit, Sexleben und Vatersein bis zu den Zukunftsängsten und der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität (Hanuka hat zum Teil arabische Wurzeln, worauf er in seinen Comics wiederholt eingeht) dem Leser alles Intime anvertraut wird, könnte man das durchaus als anbiedernd bezeichnen. Vor allem dann, wenn diese Themen mehr dem Selbstzweck dienen als zur Grundlage amüsanter Anekdoten.
Immer wieder werden in Der Realist auch spezifische Merkmale Tel Avivs angerissen, wird versucht, ein Bild der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Lage zu zeichnen. Auch hier geht Hanuka relativ subtil vor und vermittelt die Inhalte anhand seines eigenen Gefühlslebens. Die ein oder andere versteckte Kritik an den Verhältnissen dürfte für den deutschen Leser nur schwer zu entschlüsseln sein, weil man hierzulande natürlich nicht so nahe am Puls Israels ist. Universeller sind da schon die vielen Episoden, die sich mit dem Familienleben beschäftigen, insbesondere mit der Vaterrolle. Teils sind diese auf den Punkt und sehr rührend dargestellt, zum Teil aber, von den grafischen Spielereien mal abgesehen, belanglos. Wie schon oben beschrieben, wagt sich Asaf Hanuka auch an dieser Stelle, gedrängt unter einem Gemenge an unterschiedlichsten Storylines, auf einen Drahtseilakt, für dessen erfolgreiches Bestehen ihm das letzte schriftstellerische Fünkchen fehlt.
Überhaupt überdeckt die grafische Brillanz in diesem Comicband die vielen kleinen erzählerischen Schwächen weitestgehend. Denn Hanukas Artwork steckt voller Überraschungen und kreativer Ideen. Daraus resultiert eine faszinierende Mischung aus Absurdität, trockenem Humor und einem stets mitschwingendem Naturpessimismus. Besonders stark sind die ganzseitigen Illustrationen, denen es kaum an Aussagekraft mangelt, die in den allermeisten Fällen unheimlich viel Ausdruck besitzen und so schön sind, dass man sie in Postergröße an die Wand hängen möchte. Und die Farben, die Hanuka auswählt, bilden hervorragende Kontraste. Das versöhnt für vieles. Für das Storytelling sollte sich der Zeichner allerdings zukünftig etwas mehr Zeit nehmen, damit die Kluft zwischen guten und schwachen Seiten nicht so groß bleibt.
Manche Seiten sind großartig, manche wiederum unterdurchschnittlich; das Album lässt einen mit gemischten Gefühlen zurück
Cross Cult, 2015
Text/Zeichnungen: Asaf Hanuka
Übersetzung: Uri Reick
192 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 29,95 Euro
ISBN: 978-3-86425-594-6
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