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Schwestern

Nach Werken von Sarah Glidden und Schlogger erschien bei Panini nun ein weiterer Hardcover-Autorencomic, der mehr oder weniger weiblich geprägte, authentische Alltagsepisoden erzählt. Wer Daniela Schreiters Schattenspringer mochte, dem werde auch Schwestern gefallen, wirbt der Verlag zum Schluss des Buches und hat damit sicher Recht. Zeichnerisch verbindet beide Comics einiges, aber inhaltlich gibt es doch starke Unterschiede.

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© Raina Telgemeier/Panini Comics

Schwestern ist eine Fortsetzung von Smile, dem Comic, mit dem die aus San Francisco stammende Künstlerin Raina Telgemeier 2011 mit dem Eisner Award für das beste Teenager-Buch ausgezeichnet wurde und der ebenfalls in deutscher Übersetzung bei Panini erschienen ist. Auch der Nachfolger wird prominent beworben, nämlich mit dem Prädikat „Nummer 1 auf der New York Times-Bestsellerliste“. All das weckt große Erwartungen und groß wäre wohl auch eine Verfilmung dieses Stoffs, denn dieses Roadmovie durch den Südwesten der USA bietet grandiose Kulissen!

Raina ist 14 Jahre alt, gemeinsam mit ihrer neunjährigen Schwester Amara, ihrem sechsjährigen Bruder Will sowie ihrer Mutter reist sie mit dem Auto von San Francisco bis nach Colorado Springs, um Verwandte zu besuchen, während der Vater daheim bleibt. Dabei durchqueren sie die Bundesstaaten Kalifornien, Nevada, Utah und Colorado, durchstehen sowohl real als auch metaphorisch die lange Durststrecke von Wüsten und eintönigen, nahezu endlosen Straßen. Am Ende ihrer Reise haben sie einiges Neues über ihre Familie gelernt und das Finale ist im besten Sinne so anrührend, dass einem diese Menschen ans Herz wachsen und eine Weile in Erinnerung bleiben.

© Raina Telgemeier/Scholastic

© Raina Telgemeier/Scholastic

Die Erzählung wird immer wieder durch Rückblenden unterbrochen. Und wie der Name des Comics bereits andeutet, geht es vor allem um das Verhältnis der beiden Schwestern zueinander. Ihre Mutter spielt dabei noch eine größere Rolle, sowohl der Vater als auch der Bruder bleiben größtenteils reine Statisten.

Raina hatte sich anfänglich so sehr auf eine kleine Schwester gefreut. Die Realität entpuppte sich dann als schwierig und enttäuschend. Beide Mädchen verbindet eine Leidenschaft fürs Zeichnen, rasch werden sie zu Konkurrentinnen. Während Raina extrovertiert ist und sich sehr um Amaras Gunst bemüht, bevorzugt es diese, für sich allein zu sein. Für viel Frust und humorvolle Momente im Comic sorgen allerlei Versuche, mit Haustieren für etwas Freude und Abwechslung in der sehr beengten Wohnung der Familie zu sorgen. Zeichnerisch grandios sind die Gefühlsausbrüche von Amara: Ihr wütendes Gesicht bleibt definitiv in Erinnerung und ist so goldig, dass man sie drücken möchte, ihr aber gleichzeitig lieber aus dem Weg gehen will, so geladen wie sie aussieht – brillant eingefangen von der 1977 geborenen Künstlerin, die inzwischen im Staat New York lebt.

Garfield und Calvin und Hobbes seien ihre Favoriten, verrät Raina bei einem Treffen mit ihrer Verwandtschaft in Colorado. Das seien ja gar keine richtigen Comics im Gegensatz zu den Superhelden, entgegnet ihr ein männlicher Verwandter. Tatsächlich erinnern die Figuren in Schwestern sowohl an Jim Davis‘ als auch ein wenig an Bill Wattersons Zeichenstil. Inhaltlich ist dieser Band ganz weit weg von hochpolitischen Autorencomics; hier ist alles recht sauber, etwas bieder und eher auf den Mikrokosmos Privatleben beschränkt. Durchaus interessant, aber es fehlt eben so einiges; vor allem mehr Szenen, die im Gedächtnis bleiben, und die Möglichkeit sich stärker mit den Figuren zu identifizieren. Dafür bleiben sie leider viel zu eindimensional und oberflächlich. Etwas zu lieblich für meinen Geschmack und bei weitem nicht so berührend und bewegend wie Daniela Schreiters Schattenspringer, die eben doch deutlich mehr zu erzählen hat und mit ihrem Comic längst überfällige Diskussionen über den Umgang mit Minderheiten und Menschen generell anregt. Telgemeier zeigt uns – und das ist natürlich auch richtig und wichtig – wie schwierig, tragisch und schön das Familienleben ist. Durchaus tröstlich und gekonnt erzählt, auch wenn ein Blick über den engen privaten Horizont gut getan hätte.

Diese Reise durch die USA ist kurzweilig, aber revolutionär Neues bietet sie nicht.

7von10Schwestern
Panini Comics, 2015
Text und Zeichnungen: Raina Telgemeier
Übersetzung: Sanni Kentopf
200 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 14,99 Euro
ISBN: 978-3957983015

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