Nach der Zwangspause im Jahr 2020 konnte der Internationale Comic-Salon dieses Jahr wieder stattfinden. Die Wiedersehensfreude unter allen Beteiligten war groß, das Programm umfangreich, das Wetter blendend. An dieser Stelle teilen wir unsere persönlichen Salon-Impressionen. Die Beiträge stammen von Alexander Christian (ac), Roland Kruse (rk), Thomas Kögel (tk), Christian Muschweck (cm) und Frauke Pfeiffer (fp).
★★★
Zur Einstimmung erst einmal ein kurzer Clip mit Impressionen vom Salon, zusammengestellt von Alexander Christian:
★★★
Shiny happy people
Endlich wieder Comic-Salon! Durch die Pandemie-Zwangspause hatte sich der Abstand von zwei auf vier Jahre verdoppelt, und daher war wohl das große dominierende Thema des Salons die Wiedersehensfreude. Die Freude darüber, dass Deutschlands großes Comicfesival nach all den langen Monaten tatsächlich wieder stattfinden konnte, und dann auch noch fast ohne Einschränkungen, bestimmte alles. Was genau geboten wurde, welche Gäste, Ausstellungen und Veranstaltungen auf dem Programm standen, war da schon fast zweitrangig. Hauptsache wieder ein Salon, Hauptsache wieder ein großes Treffen unter Gleichgesinnten (wahlweise auch als „Klassentreffen“ oder „Schullandheim“ bezeichnet). Gute Laune und eine freudig-positive Grundstimmung sind weiß Gott nicht ungewöhnlich für das Erlanger Event, aber dass dieses Jahr fast nur Happiness und kaum Lästereien oder Gehässigkeiten verbreitet wurden (was in einer sehr kleinen Branche, in der jede*r jede*n kennt, nun mal auch dazugehört), ist schon etwas Besonderes.
Das Wetter passte auch dazu, vier Tage Sonnenschein, vielleicht ein bisschen zu heiß, aber meistens erträglich, selbst in den ordentlich gefüllten Messezelten. Die schönsten Plätze waren mit Sicherheit die schattigen Wiesen unter den großen Bäumen im Schlossgarten, der zum zweiten Mal nach 2018 das nicht nur geographische Herz des Comic-Salons bildete. Von hier ließen sich alle Veranstaltungsorte schnell zu Fuß erreichen, es waren diverse Mitmach-Wände aufgestellt, und zwischendurch konnte man hier bestens auf Kissen und Liegestühlen entspannen, in frisch gekaufte Comics reinblättern oder ein paar Cosplayer bewundern. Das eigentlich nur 2018 als Provisorium geplante Ausweichen mit drei Zelthallen auf das zentrale Areal rund um Schloss und Universität erfuhr also eine gelungene Wiederholung. Das darf gerne so bleiben, die Heinrich-Lades-Halle (ehemalige Stammheimat des Salons) vermissen wohl nur wenige. tk
★★★
Grillen mit Preisen
Vermutlich war das Grillfest des Internationalen Comic-Seminars ursprünglich mal genau das, was draufsteht: eine kleine Party für die Zeichner*innen des Workshops, um nach einer Woche kreativer Ekstase mit Familie und Freundeskreis bei Bratwurst und Bier auszuglühen – bevor man sich tags darauf schon wieder in den Trubel des frisch eröffneten Comic-Salons stürzt.
Der semi-geheime Termin in einem Hinterhof, den man erst mal finden musste, avancierte mit der Zeit de facto aber zur inoffiziellen Eröffnungsfeier des Salons. Mit jedem Jahr tummelten sich hier mehr Comic-Journalisten und andere Eingeweihte und taten sich dabei auch an Gerstensaft- und Grillwaren gütlich.
Insofern war es nur folgerichtig, der Feier einen offizielleren Anstrich zu verpassen und sie in den Hof des Kulturzentrums E-Werk zu verlegen – nun mit kostenpflichtigem Gastroangebot. Zwangsläufig verliert die Veranstaltung damit ihren sympathischen provisorischen Charakter und das Entre-Nous-Ambiente. Als lässige Zusammenkunft am Salon-Vorabend funktioniert sie aber weiterhin wunderbar. Und erst recht natürlich als Abschlussfeier des Comic-Seminars – bei der dieses Jahr erstmals der „Prix Paul“ vergeben wurde.
Über dreißig Jahre lang leitete Paul Derouet das Internationale Comic-Seminar: einen einwöchigen Workshop, in dem aufstrebende Künstler*innen unter der Ägide von Szenegrößen wie Isabel Kreitz oder Mawil an eigenen Projekten zeichneten. 2019 übergab er die Leitung an Ralf Marczinczik. Beim diesjährigen Grillfest des Seminars präsentierte Marczinczik nun den „Prix Paul“, natürlich in Anwesenheit von Namensgeber Derouet. Die Trophäen (in Form von Rotweinflaschen) werden hinfort für besondere Leistungen während des Seminars vergeben, etwa für die Beste musikalische Darbietung (diesmal: Naomi Fearn) oder die Besten handwerklichen Exkurse (Georg von Westphalen). rk
★★★
Mawil und Ralf König satteln um
Am Donnerstag Abend fand im E-Werk eine Veranstaltung mit Mawil und Ralf König statt. Dort wurden von beiden Künstlern in bewährter Powerpoint-Manier ihre Lucky-Luke-Geschichten gelesen. Da der Host der Show, Matthias Wieland, der ein einleitendes Interview führen wollte, durch ein unvorhergesehenes Ereignis nicht von Anfang an zugegen sein konnte, leitete Ralf König selbst seinen Vortrag ein und erzählte so allerhand von der Entstehung seiner Lucky-Luke-Hommage „Zarter Schmelz“, wovon ich hier nur das Wenigste kurz umreißen möchte.
So gestatteten die Lizenzgeber von Dargaud dem Künstler die Einführung von Schokolade im Wilden Westen um einiges früher, als dies historisch tatsächlich der Fall war, aber Anachronismen waren ja immer wieder fester Bestandteil auch des Humorrepertoirs von Goscinny und Morris. Auch Mawils Drahtesel bei „Lucky Luke sattelt um“ ist ja in Teilen (Flicktechnik, Luftpumpe) anachronistisch, aber tatsächlich fing das mit den Fahrrädern wohl durchaus im späten wilden Westen an, man denke nur an die berühmte Fahrradszene aus Butch Cassidy and Sundance Kid oder auch den alten Western-von-Gestern-Streifen „Fuzzy und der Drahtesel“.
Ralf König wurden indes folgende Auflagen gemacht:
- Lucky darf nicht schwul sein.
- Lucky darf nicht rauchen.
Mit ersterem hatte der Künstler nach eigener Aussage nie ein Problem, es lag ihm nichts daran, sein Jugendidol umzudrehen. Lucky, wie er sich lässig eine dreht, fand er dagegen schon immer recht sexy, Nummer 2 war daher eindeutig die schwierigere Auflage. Der schöne Gag um eine Schoko-Zigarette, die Jolly Jumpers Argwohn triggert, so dass Lucky schon aus purer Rücksicht auf sein Pferdchen die coole Pose lieber wieder lässt, trifft ins Ziel: Lucky hat die vermeintliche Fluppe im Mund, bei Dargaud guckt man argwönisch – ach so, nur ’ne Schoko-Zigarette, passt. Kleiner Seitenhieb auf die Zensur, die sich das Spiel gern gefallen lässt.
Noch bevor die eigentliche Lesung beginnt, erzählt Ralf König davon, wie er diverse Bildungslücken im Westernsektor geschlossen hat – endlich mal Für eine Handvoll Dollar angesehen – und empfiehlt uns die Short Novel von Annie Proulx, die dem Film Brokeback Mountain zugrunde liegt. Den Film findet er auch berührend, doch schon sein kleines, aber deutliches Zögern lässt vermuten, dass ihm die Vorlage mehr am Herzen liegt. Auch Andrew Dominiks Jesse-James-Verfilmung The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford hat ihn sehr beeindruckt, vor allem die Tatsache, dass es zu Lebzeiten von Jesse James bereits unzählige Dime-Novels gab, die diesen zum Helden hatten. Das brachte Ralf König überhaupt auf die Idee, Lucky mit Autogrammjägern zu konfrontieren. Der Aufhänger war gefunden.
Aus dem Publikum kam eine wunderbare Frage, die ich nie gestellt hätte, da mir die Antwort bereits bekannt war: Weshalb hat Ralf König einige Panels komplett in rot/blau koloriert? Ich wusste zwar bereits, dass König unbedingt Morris‘ einerseits unwirkliches, lichttechnisch allerdings sehr gut informiertes Farbkonzept aufgreifen wollte, nicht aber, dass es ihm unmöglich war, dies mit seinen Mitteln, Copic-Farbstiften, umzusetzen. Das ist dann doch eine wunderbare Überraschung und für mich die Erkenntnis des Abends: dass flächiges Ausmalen sich als anspruchsvoller und komplizierter erweist als die nuancierte Kolorierung der restlichen Seiten. Die einfachsten Tricks sind eben oft die schwierigsten – und hier musste es der Drucker richten. Aber versucht selbst mal, mit Copic-Markern etwas einfarbig auszumalen. Eben, geht nicht (schön).
Ralf König hatte Bedenken, nur seine Geschichte vorzulesen, und da er davon ausging, dass jede*r das Album schon kennt, begann er mit der nicht verwendeten Billy-the-Kid-Hommage, die sich nur in der Luxus-Version von „Zarter Schmelz“ befindet: Herrlich albernes Zeug mit kleinen anzüglichen Doppeldeutigkeiten, Billy the Kid und Lucky gemeinsam in der Badewanne etc. Dabei steht Lucky allem, was irgendwie zotig, anzüglich, doppeldeutig oder schwul ist, mit völligem Gleichmut gegenüber, was ihm bei bei aller Coolness und scheinbarer Unbedarftheit auch noch felsenfeste Autorität verleiht. Das ist schon großartig umgesetzt. Eine Fortsetzung wird es definitiv nicht geben, denn: Man verneigt sich nur einmal.
Mawils Vortrag war anders. Bei ihm lag tatsächlich der Fokus ausschließlich auf seinem Hommage-Comic, allerdings mit größerem Aufwand vorgetragen, nicht in Ralf Königs angenehmem Plauderton, sondern inszeniert mit mehreren Sprechern, wobei Mawil, Matthias Wieland und Barbara Seifert sich die Stimmen teilten, Sound-Effekte wie zirpende Zikaden, Western-Musik und Dynamitstangen gab’s außerdem. Das Ganze hatte den Stil einer Bildergeschichte aus der Sendung mit der Maus und rückte Mawils schönste Panels mit den vielen irren Perspektiven angemessen in den Mittelpunkt. „Lucky Luke sattelt um“ ist schon auch eine genial durchgeplante, detailverliebte, frickelige Story. Am meisten von der Performance hängengeblieben ist Barbara Seiferts stimmliche Interpretation von Jolly Jumper, dem sie einen etwas verunsicherten und dünnhäutigen Charakter verlieh als treues Pferdchen, dessen bedingungslose Liebe im Verlauf der Geschichte oft auf eine harte Probe gestellt wird. Zum Beispiel, als er im Lauf der Story von Lucky getrennt wird, und als sie sich das nächste Mal begegnen, verlässt sich der Held schon voll und ganz auf seinen Drahtesel – so schnell ist man vergessen. Barbara Seifert liest das so wunderbar herzergreifend. Was auch hängenbleibt: Mawil hat nicht mit Copic koloriert. Seine Farben sind kräftiger und stringenter.
Beendet wurde der Abend mit der obligatorischen Signierrunde und der Gelegenheit, mit den Künstlern ein paar Worte zu wechseln. Der sommerwarme Abend und der Tresen des E-Werks in greifbarer Nähe ließen diesen Abschluss in angenehmer Stimmung ausklingen. cm
★★★
Alles hat seinen Preis
Zu den wichtigsten Programmpunkten in Erlangen gehört traditionell die sogenannte „Max-und-Moritz-Gala“, sie wurde vom inzwischen bewährten Duo Hella von Sinnen und Christian Gasser moderiert. In ihrer Gegensätzlichkeit (extrovertierte Rampensau vs. bodenständiger Experte) geben die beiden ein reizvolles Gespann ab. Die Betonung auf Diversität und Feminismus, die sich durch das ganze Festivalprogramm zog, fand sich auch in den Nominierungen und den letztlich ausgezeichneten Comics wieder (hier die Liste der Gewinner*innen). Auf der Bühne wurde daraus aber kein allzu großes Ding gemacht, schließlich zeigt auch der Max-und-Moritz-Preis schon seit einigen Jahren, dass Comics längst keine reine Männerdomäne mehr sind.
Die Preisverleihung (nach Augenmaß diesmal besser besucht als bei den vergangenen Ausgaben) hat definitiv ihren Charme, aber auch ihre gelegentlichen Cringe-Momente – beides verdankt sie vor allem Hella von Sinnen. Auch diesmal wandelte sie in ihren kumpelig-improvisierten Kurztalks mit den Preisträger*innen manchmal bedrohlich nah an der Grenze zur Übergriffigkeit, und an einer Stelle wurde diese auch gerissen. Die betroffene Person wusste das auf der Bühne aber gut zu kontern, so dass die Show im Großen und Ganzen als gelungen bezeichnet werden kann.
Dass man es aber partout nicht schafft (oder schaffen will?), auch mal weniger als zweieinhalb Stunden für die Gala zu brauchen, werde ich nie verstehen. Dass es auch anders geht, zeigte tags darauf der Ginco-Award: Kurz und knackig, gut vorbereitet, kompetent moderiert von Lara Keilbart. In einer knappen Dreiviertelstunde waren alle Hauptpreise und die Herzenscomics der Jury verteilt (Übersicht der Gewinner*innen). Man kann gute Comics und deren Macher*innen also auch abfeiern, ohne in epische Längen zu verfallen. Obendrein gab’s auch noch ein Süßigkeiten-Buffet und eine hervorragende Strategie, die Preisverleihung zur Veranstaltung mit der besten Maskenquote des Salons zu machen: Wer noch keine auf der Nase hatte, bekam umgehend eine lila FFP2 geschenkt, mit der Bitte um sofortige Verwendung. Ein guter Move. tk
★★★
Mit Christine und Markus Färber ins „Fürchtetal“
Atmosphärisch aufgeladen präsentierte Rotopol den für den Max-und-Moritz-Preis 2022 nominierten Comic Fürchtetal (2021) von Christine und Markus Färber. Die Geschwister verarbeiten darin den Suizid ihres Vaters, dessen Tod wie ein Schatten über dem Ausstellungsraum zu liegen scheint – der Galerie Black Cube. Ungerahmt und auf einfachen, roh wirkenden Blättern kartiert die Ausstellung die einzelnen Seiten des Comics an den Wänden, akzentuiert durch einige gerahmte Seiten und ein Polaroid. Eine Kopfhörerstation begleitet die visuellen Elemente und sorgt für zusätzlichen Tiefgang.
Zentraler Blickfang aber ist ein Diaprojektor, umgeben von Magazinen, die Urlaubsfotos aus Mallorca, Kreta oder Rhodos verheißen. Das Licht der Projektion des ungeladenen Geräts lässt ein einfaches Haus mit einem Pultdach erscheinen, das mit schwarzem Klebeband auf schwarzem Grund angebracht ist und erst durch den reflektierten Lichtstrahl gut erkennbar wird. Dieser Aufbau nimmt unmittelbar Bezug auf eine Seite aus Fürchtetal, auf der es über vier Panels heißt: „Wie ein Scheinwerfer lässt die eine Entscheidung ein ganzes Leben im Schatten liegen. Die Dunkelheit verschluckt die Erinnerungen.“ Die gerahmte Doppelseite lässt erahnen, um welche Entscheidung es hier geht: Sie zeigt eine Fußbank, erst stehend und dann umgekippt, wie einen Kippschalter mit den Stellungen on und off.
Der Comic ist in einem Austausch zwischen Christine und Markus Färber entstanden. Sie Autorin und Journalistin, er Comiczeichner und Illustrator. Die Schwester schrieb an ihren Bruder, jener antwortete in Form von Tuschezeichnungen: Intim, emotional, rätselhaft und poetisch. Gemeinsam ließen sie auf diese Weise Dinge sichtbar werden, über die sie nicht direkt sprechen konnten. Eine rundum gelungene Ausstellung, die mit einfachen, wohl überlegt eingesetzten Mitteln eine ergreifende Wirkung erzielt. ac
★★★
„Sie“ – Ein Comic aus Taiwan räumt mit sexistischen Klischees auf
Ich beginne den Samstagmittag, indem ich vom Pressebüro aus schnurstracks ins Kollegienhaus gehe. Leider habe ich von der Gesellschaft für Comicforschung nur den letzten von drei Feminismus-Vorträgen zur Gänze mitbekommen, ein Portrait der taiwanischen Comiczeichnerin Lao Quiong und ihrem Comic Sie. Die Referentin Yun-Jou Chen aus Mainz hat dabei vorbildlich darauf geachtet, dass sie zunächst Kontext liefert und einen beliebten zeitgenössischen Comicstrip der 1990er aus Taiwan kurz umrissen. Wenig feministisch bewegt, aber durchaus gut beobachtet, waren darin die damals vorherrschenden Frauenklischees abgebildet, reduziert auf:
- Die Eheverrückte
- Die Geschäftsfrau
- Die Herzensbrecherin
- Die Unschuldige
Die kleinen sarkastischen Strips, die hier vorgestellt wurden, bildeten humorvoll die Ängste der modernen Frau der 1990er ab, gleichzeitig war aber klar, dass die Geschichte damit noch nicht fertiggeschrieben ist und eine Entwicklung stattfinden muss. Lao Quiongs Sie schlug in diese Kerbe und erzählte subtilere Geschichten. Klischees wurden keine mehr bedient, gleichzeitig waren die Stories poetischer und politischer, bisweilen auch regelrechte Manifeste. Yun-Jou Chen illustrierte die geistige Nähe Lao Quiongs zu Claire Bretécher mit zahlreichen Beispielen, oft sehr ähnlichen Posen und Figurentypen, aber doch immer sehr unterschiedlichen Geschichten und Akzenten. Auch die Art und Weise, wie sich die Künstlerinnen in Szene setzen, gerne mit Fluppe im Mundwinkel, waren ähnlich. Trotzdem waren Lao Quiongs Handschrift und Bildsprache individuell und wichtiger Impulsgeber für die taiwanesische Comickultur. cm
★★★
Vom Übersetzen I
Drei Gespräche und zwei Workshops widmeten sich dieses Jahr dem Thema Comic-Übersetzung. Besonders den Ausführungen mit Übersetzer Uli Pröfrock, die etwas versteckt im Kollegienhaus stattfanden, hätte man eine größere, schönere Bühne gewünscht, etwa die Orangerie. Im Gespräch mit Lilian Pithan zeigte Pröfrock am Beispiel des Comics Olympia in Love (Reprodukt) von Catherine Meurisse die mannigfaltigen Bezüge zu Malerei, Film und Literatur auf, die eine direkte Übersetzung oft unmöglich machen. Brillanter und bunter konnte man die Vielschichtigkeit und das Potential des Mediums Comics kaum vermitteln – eine Sternstunde am Rande des Salons. rk
★★★
Vom Übersetzen II
Nicht weniger interessant als das eben erwähnte Gespräch war die Runde zum Thema Manga-Übersetzung. Eingeladen waren Verena Maser und Nora Bierich, deren Werdegänge und Zugang zum Medium verschiedener nicht sein könnte: Erstere war schon als Jugendliche Manga- und Animefan und kam genau deshalb zum Studium der Japanologie, das sie bis zur Promotion führte. Japanische Popkultur hat sie also immer schon eingeatmet. Bierich kommt dagegen aus der „klassischen“ Literaturübersetzung (u.a. Kenzaburô Ôe) und übersetzt für Reprodukt die Manga von Yoshiharu Tsuge und die autobiographischen Manga von Shigeru Mizuki. Das Übersetzen von graphischen Erzählungen ist für sie etwas völlig Neues und Ungewohntes – unter anderem beim Übertragen von Soundwords sei sie nach eigenen Angaben sehr auf die Unterstützung ihrer Lektorin angewiesen gewesen, die ihr bei der Arbeit in einer für sie ungewohnten literarischen Gattung sehr geholfen habe.
Für großes Erstaunen in der Runde sorgte Masers Aussage, dass es ihr teilweise vertraglich untersagt sei, Kontakt zu den Autor*innen der von ihr übersetzten Manga aufzunehmen. Während auf dem Podium noch versucht wurde, nach den Gründen für eine solche Regelung zu forschen und Nora Bierich erzählte, wie wichtig für sie auch der Kontakt zu Autor*innen sei, meldete sich Reprodukt-Lektorin Heike Drescher mit einer Mischung aus Überraschung und Empörung: Derlei Restriktionen seien aus ihrer Sicht eine Frechheit, die man sich als Übersetzer*in nicht gefallen lassen sollte. An dieser Stelle hätte man vielleicht noch gut mit ein paar Worten zum Thema Honorare anknüpfen können, es blieb aber bei der eher allgemeinen Feststellung, dass man mit Manga-Übersetzungen nicht wirklich reich werden kann. tk
★★★
Mit einem Dreijährigen auf dem Salon unterwegs
Zugegebenermaßen hat mich auf den bisherigen Salons, auf denen ich war, der Bereich Kindercomics nie sonderlich interessiert. Dies war aus privaten Gründen nun anders, und ich war sehr neugierig auf einen bisher für mich gefühlt eher verschlossenen Teil des Salons.
Was allerdings ziemlich schnell dann in der Realität klar wurde – mit einem Dreijährigen ist es so gut wie unmöglich, auf dem Salon in den vollen Hallen unterwegs zu sein. Ich hatte gehofft, dass die Atmosphäre und die Zeichner einen gewissen Reiz darstellen würden, aber die Rechnung ging (zumindest diesmal noch) nicht auf. Dafür erhielten wir freundlicherweise im Schlosspark diverse Werbegeschenke des Salon-Hauptsponsors Datev in die Hand gedrückt. Und dass es dem anscheinend gut geht, leite ich mal davon ab, dass es keine Billigprodukte waren, sondern Stiftzubehör von Faber-Castell, ein Puzzle von Ravensburger und eine Datev-Puppe von Sigikid.
Meine Anlaufpunkte bezüglich Kindercomics beschränkten sich dann wohldosiert auf Reprodukt und den neuen Kindercomic-Verlag Kibitz, auf den Garbe-Verlag (dessen Illustrationen mich tatsächlich schon auf vorherigen Salons stehenblieben ließ) und auf die Kindercomics-Ausstellung „Kinder lieben Comics!“ im ZAM – Zentrum für Austausch und Machen.
Um das Fazit vorwegzunehmen: Für Dreijährige ist noch nicht viel zu holen, die Programme richten sich meist an ältere Kinder.
Reprodukts Der kleine Bagger kam aber sehr gut an (musste im Schlossgarten mehrfach hintereinander angeguckt werden), und Schläfst Du? sorgte für einige Lachquietscher. Für Kiste ist er noch zu jung, aber der erste Band wartet nun zumindest schon hier im Haushalt auf seinen Einsatz. Und das aktuelle Programmheft wurde ebenfalls sehr interessiert durchgeschaut – was es allein auf dem Umschlag alleszu entdecken gibt!
Den Auftritt des Garbe-Verlags finde ich faszinierend – ein älteres Ehepaar sitzt bei jedem Salon, an dem ich drauf geachtet habe, recht still an einem kleinen Stand. Keine Aufsteller, keine großen Plakate, keine Künstler*innen am Stand. Wie sich diesmal im Gespräch herausstellt, zeichnet ihr Sohn, Rolf Vogt, all die Kindercomics und Bilderbücher, die sie verlegen. Zum Teil wurden sie von Ellen Vogt, der Mutter, geschrieben, zum Teil von ihm selbst. Die Gestaltungen von Rolf Vogt, der auch Kinderspiele illustriert, finde ich sehr ansprechend und liebevoll umgesetzt, weswegen ich mir diesmal ein passendes Buch für das Alter meines Kindes habe empfehlen lassen: Murmel Fiff und Schnufflruss. Die umweltfreundliche Herstellung, auf die sie bereits seit den 1990er Jahren achten, liegt ihnen dabei offensichtlich besonders am Herzen – sie haben eine Mission, das kommt auf alle Fälle schnell rüber. Ich kann dem Verlag nur empfehlen, doch mal ihren Sohn zum Zeichnen und Signieren mitzubringen. Das würde sicherlich einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die Ausstellung zum Kindercomics-Programm „Kinder lieben Comics!“, das nach 2018 zum zweiten Mal als großer eigener Programmpunkt stattfindet, ist in den Räumlichkeiten des ZAM als Mitmach-Aktion ausgelegt mit einzelnen Stationen. Dort können die Kinder dem Weltraumpostboten helfen, indem sie Rätsel lösen oder ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen. Dazu lernt man noch etwas über Pilze (man kann sie sich sogar unter einem Mikroskop anschauen und einen Wissenscomic dazu kostenlos mitnehmen), es gibt einen Aktionsbereich mit 3D-Drucker, Werkzeug und Nähmaschinen, einen Büchertisch mit Kindercomics, an dem ich gut beraten wurde, sowie einen großen Lesebereich. Im ZAM gab es natürlich auch das Comicmagazin Polle, dessen Debüt dank Crowdfunding auf dem Comic-Salon 2018 kostenlos verteilt wurde und das mittlerweile sechs Ausgaben vorzuweisen hat (zu finden hier). Da es sich an Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren richtet, habe ich es allerdings nicht spontan erworben.
Das Programm im ZAM ist sehr schön und vielfältig aufgezogen, hier können Kinder etliche Stunden verbringen. Dazu gab es noch sehr viele Aktionen wie Lesungen und Workshops (PDF-Flyer zum Programm). Wenn mein Kind alt genug ist, hoffe ich sehr, dass es diesen Bereich weiterhin gibt. fp
★★★
Lerne Italienisch mit Topolino, lerne Deutsch mit Milligan
Ich linse in Halle A, nur um zu sehen, ob dort Vertigo-Legende Peter Milligan am Stand der Edition Kwimbi anzutreffen ist. Dort sitzt zu dem Zeitpunkt Verlagschef Jörg Fassbender, den ich recht unbedarft anspreche mit „Hello, are you Peter Milligan?“, worauf dieser lacht und hinter sich deutet: „Sehe ich etwa aus wie dieser gutaussehende Herr auf diesem Foto?“ Nun ja, Peter Milligan wäre nicht der erste, der Jugendfotos von sich verschickt, die PR-Agenturen von Musiker*innen machen sowas jeden Tag. Wir plaudern nur kurz über Milligans Enigma, den Fassbender ja sehr einfühlsam und mit gutem Gespür für die Originalversion übersetzt hat (hier die Dialogrezension von Christian Muschweck und Gerrit Lungershausen), und verabschiede mich dann Richtung Kollegienhaus, wo die Pflichtveranstaltung für den modernen Topolino-Fan statfindet: Silvio Camboni und Andrea Freccero im Gespräch mit Herbert Heinzelmann.
Zunächst eine Offenlegung: Herbert Heinzelmann klärt auf, dass er als Disney-Leser der deutschen 1950er mit ausgeprägter Barks-/Fuchs-Prägung dem Lustigen Taschenbuch und den darin abgedruckten Topolino-Geschichten eher distanziert gegenübersteht. Er lobt mehrfach die große anarchische Wucht der frühen Barks-Comics, bevor diese in den 1950ern immer bürgerlicher wurden („Da flogen nur so die Bomben“). Trotzdem ist Heinzelmann natürlich Medienprofi genug, dass er ein Gespräch mit den beiden italienischen Künstlern lenken kann, und man erfährt einiges über die Arbeit in den Disney-Studios in Italien, wo sich ja ein völlig eigener Erzählstil entwickelt hat. Auch Romano Scarpa bleibt nicht unerwähnt, aber man sollte vielleicht nicht vergessen, dass Scarpa in den 1950ern noch stark dem Stil von Floyd Gottfredson verpflichtet war – und das ist ja nun auch schon lange her und erklärt nicht die berstende Kreativität moderner Disney-Künstler.
Natürlich wird viel über Cambonis Arbeiten für die Micky-Maus-Alben für den französischen Glenat-Verlag geplaudert. Herbert Heinzelmann zeigt sich sichtlich begeistert über das Artwork und die künstlerische Ausrichtung dieser Stories, wozu Camboni lapidar anmerkt, dass er daran eigentlich nicht viel anders gearbeitet hat als sonst. Richtig so, im Lustigen Taschenbuch gibt es schon seit jeher solche Schätzchen und Schätze zu entdecken, weniger aufgebrezelt zwar, dennoch visuell oft beeindruckend mit ihren filmischen Zooms, wortlosen Passagen, innovativen Seitenarchitekturen, nuanciert gesetzten Stilwechseln bei Rückblenden etc., manchmal auch vertrackten Krimiplots und so vielem mehr. Freccero wie Camboni sind sich einig, dass sie vor allem die realistischen Disney-Autor*innen schätzen. Die haben natürlich mit dem burlesken Ernst-Lubitsch-Stil der Barks-Geschichten wenig zu tun, sind aber essentieller Bestandteil einer Modernisierung und Verwandlung, die nicht aufhört, mich zu verblüffen und sich überhaupt nicht nur darin erschöpft, dass Tick, Trick und Track jetzt mit Handys herumlaufen. Auf meine Frage, woher denn die innovative Energie nun komme, die den Standard der Topolino-Comics seit so vielen Jahren hoch hält, antwortete Freccero lässig, das wären die Spaghetti. Na gut, denk ich, und wohl die Tatsache, dass der Topolino-Verlag Panini die Autor*innen auch experimentieren lässt und nicht gleich sagt, „Das sieht aber nicht so aus wie im Donald-Duck-Sonderheft. Bitte nacharbeiten.“ So ist das.
Zurück in Zelt A ist nun auch Peter Milligan zugegen, der sichtlich Spaß auf seinem Deutschland-Trip zu haben scheint. Als Autor hat Milligan auch heute noch einen beachtlichen Output an immer neuen Geschichten und man merkt, dass sein Herz auch für Independent-Künstler*innen und Independent-Verlage schlägt, deshalb gibt es von ihm ja auch die Kollaborationen mit Künstler*innen wie Sarah Burrini in Anthologien wie Edgar Allen Poe – Snifter of Terror bei Ahoy-Comics oder The Lot bei Bad Idea.
Monday in Munich. I’ll be at the Erlangen comic con on Thursday through to Sunday. Come along and get something signed or simply take the piss out of my German
— PETER MILLIGAN (@1PeterMilligan) June 13, 2022
Auf seinem Twitter-Account hat Milligan ja dazu eingeladen, ihn auf der Messe zu treffen und sich dann ein bisschen über sein Deutsch lustig zu machen. Aber da musste man keine Höflichkeit vortäuschen: Deutsch bekommt er richtig gut hin. Also ließ ich mir geduldig von ihm den Inhalt von Enigma erklären, ein Comic, der in seinen Augen primär vom Coming Out seines Helden handelt. Auf meinen Einwand, dass dieses Coming Out doch nur passiert, weil der Held von Enigma verhext wird und eingangs doch sehr heterosexuell ist, klärt mich der Autor darüber auf, dass Enigma doch nur eine Comicfigur sei, Michael Smith und seine Verwandlung jedoch real. Das finde ich super, denn das erklärt gleichzeitig alles über Enigma und doch überhaupt nichts – deswegen liebe ich diese Comics überhaupt so. Dann blättert Peter Milligan das Anthologieheft The Lot auf und erklärt mir enthusiastisch von Panel zu Panel, was ihn an Sarah Burrinis Zeichnungen so begeistert. Keine Frage, auch das Heft muss ich haben – und natürlich müssen beide Künstler*innen einmal quer über das Splash Panel ihrer gemeinsamen Story unterschreiben. Das ist Messe-Wahnsinn und Nerd-Power rolled into one. cm
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Der bayerische Todd
Beflügelt von meinem Gespräch mit den Leuten bei Kwimbi widme ich mich nun der Verlagsmesse in Zelt A. Bei Egmont gibt es einen umwerfenden Schokoladenkuchen zur Feier des neuen Kinderlabels, und natürlich muss ich dem Cheflektor des Lustigen Taschenbuchs noch einmal erzählen, warum ich die Sachen aus Topolino so mag.
Um die Ecke entdecke ich dann den Stand von Plem-Plem, wo Chris Kloiber seine Trachtman-Hefte anbietet. Ich erzähle ihm, dass ich mir gerne Spawn-O-Rama, seinen Podcast über die Spawn-Comics der 1990er, anhöre, wo er mit Thorsten Brochhaus jedes Spawn-Heft haarklein und detailgenau analysiert. Der Podcast basiert auf deren jahrelanger Obsession mit diesen Comics, die sie beide als Jungspunde begeistert gelesen haben und doch irgendwann gemerkt haben, was das eigentlich für ein obskures Zeug ist und wie umständlich und ungelenk Todd McFarlane oft erzählt – und wie er manchmal, aber viel zu selten, eben doch visuell ins Schwarze trifft. Ich gleiche den Podcast gerne mit meinen eigenen Leseerfahrungen der 1990er ab, als ich die Originalhefte von Spawn auch im Abo hatte (ich bin 1992 auch ein paar mal in den Fürther PX-Laden getingelt und hab teuer die frühen Nummern dort zusammengekauft, um nur keine Lücken zu haben. Nach #25 hab ich aber genervt aufgehört zu sammeln). Man freut sich immer wieder, wenn sie gelungene Spawn-Panels und Splash-Pages beschreiben und versteht sich ebenso, wenn Todds zahlreiche Fehlentscheidungen kommentiert werden, zum Beispiel die Überpräsenz von Seiten mit Nachrichtensprechern.
Und dann betrachte ich das Trachtman-Merchandise und auf einmal fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Chris Kloiber ist wie Todd McFarlane. Ganz wie Todd damals ’92 versprochen hat, dass er Spawn zu einem Household-Name machen wollte, etabliert Chris doch ebenso sehr gezielt seinen Trachtman-Kosmos: Schon früh ging das mit den spektakulären Gastkünstler*innen los (Don Rosa, Neal Adams), schnell waren weitere deutsche Künstler*innen für Gastillustrationen mit im Boot, gezielt wurde beispielsweise im Nürnberger Ultra Comix sehr blickfangend geworben und überhaupt: Merchandise, Merchandise, Merchandise. Trachtman-Blechboxen, Trachtman-Schafkopfkarten, unterschiedliche Sprachversionen, T-Shirts und Actionfiguren – und jetzt liest auch noch Ministerpräsident Markus Söder Trachtman. Mir ist das Bairisch in Trachtman ja oft too much und die ständigen Bogfozn sind auch nicht so meins, aber es ist schon auch viel Charme in der Reihe. Inhaltlich ist auf jeden Fall mehr los als in 25 Heften Spawn und manchmal kriegt Kloiber auch ein recht ordentliches Silver-Age-Feeling hin. Es gibt deutlich weniger Umhang als beim Toddler, dafür die urbayrische Festung der Einsamkeit, die Oktoberfestung. So darf das gerne noch ein bisschen weitergehen: Wer mehr als 20 Podcast-Folgen zu Spawn bespricht, ist angstbefreit. Der schafft auch 300 Trachtman-Hefte. First Half bis 2030? cm
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Gezeichnete Musik im Plattenladen
Titus, Jonas und Thomas von Moga Mobo haben zum Comic-Salon ihre persönliche Version von High Fidelity nach Erlangen gebracht. Schauplatz dafür ist der Plattenladen von Peter Bongartz. Die Aufgabenstellung des Projekts: In neun quadratischen Panels sollte ein Lieblingssong in Schwarz-Weiß illustriert werden – das Ganze ohne Worte.
Zusammengekommen sind 100 Greatest Hits aus dem kollektiven Musikgedächtnis, international und genreübergreifend, von Britney Spears über Roland Kaiser bis zu The White Stripes.
Moga Mobo verstehen Lieder als „Teil unserer Identität und Tapete unserer Erinnerung“, die ganz unterschiedliche Bilder erzeugen können. Zeichenstil und Art der Erzählung fallen ebenso vielfältig aus wie die ausgelösten Reaktionen: Überraschung, Staunen, Schmunzeln, Lachen, Nostalgie … alles mit dabei.
Die Ausstellung setzt auf eine ungewöhnliche Betrachtungsweise, denn die kaschierten Songseiten in Plattenhüllen können wie sonst Schallplatten in der Auslage durchgeblättert werden. Dazwischen finden sich jeweils Illustrationen der entsprechenden LP-Cover zu den Songs im Original, die die beteiligten Zeichner*innen als Bonus beigesteuert haben; denn im Sammelband sind diese nicht enthalten. Die Song- und Coverseiten sind zum Preis von je 10 € zu haben und waren von Anfang an sehr gefragt.
Zur Ausstellung ist der kostenlose Band Moga Mobo Musik – Greatest Hits Nr. 116 erschienen. Danke, Moga Mobo! ac
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Post Covid
So groß die Freude darüber war, nach all den Absagen, Einschränkungen, und Testverordnungen wieder ein fast normales Festival feiern zu können, war die nach wie vor anhaltende Corona-Pandemie dennoch der Elefant im Raum. Die Politik hat auf „Eigenverantwortung“ umgeschaltet, man muss nun also mit sich selbst ausmachen, ob und wie man sich und die anderen schützen will. Die Salon-Besucher*innen verhielten sich größtenteils rücksichtsvoll, die Veranstalter appellierten zum Masketragen und stellten auch gratis welche zur Verfügung.
Das Virus hatte trotzdem reichlich Gelegenheit zur Verbreitung und hat diese, wie bald nach dem Salon in den sozialen Medien zu lesen war, auch reichlich genutzt. Diese Infektionen sind hoffentlich bald überstanden und alle wieder gesund. In den Raum gestellt wurde die Frage, ob der Salon nicht besser hätte auf ein Hausrecht pochen sollen und Maskenpflicht anordnen, so wie es in den beteiligten Gebäuden der Universität durchgeführt wurde.
Pandemie-Auswirkungen gab es aber nicht nur im Nachgang, auch bei der Planung und während der Festivaltage war das Virus präsent. So berichtete Festivalleiter Bodo Birk von vermehrten Krankmeldungen bei den Helfer*innen kurz vor Salonbeginn, und einige Stammgäste, die man sonst immer in Erlangen sieht, verzichteten diesmal auf den Besuch. Und die Zahl der prominenten Gäste aus dem Ausland war dieses Jahr doch merklich kleiner als in der Vergangenheit – was nicht verwunderlich ist, da internationale Reisen erst seit kurzer Zeit wieder halbwegs planbar sind. Zeichner*innen aus Übersee fehlten diesmal komplett, was vor allem am Stand von Panini auffiel. So viel Raum für einheimische Künstler*innen wie in diesem Jahr gab es dort wohl noch nie.
Um Corona und die Folgen ging es auch auf dem Podium in der „Elefantenrunde“, wo Vertreter von Carlsen, Egmont, Panini und Reprodukt Auskunft über ihre Entwicklung der letzten Jahre und der kommenden Monate gaben. Tenor: Die Branche ist besser durch die Pandemie gekommen, als viele das zunächst angenommen haben, der Umsatz im Bereich Manga ist sogar besonders stark gewachsen. Umso mehr hat man jedoch mit den Phänomenen zu kämpfen, die teils Spätfolgen der Pandemie sind, aber auch mit dem Krieg in der Ukraine zu tun haben: Papierknappheit, steigende Rohstoff- und Energiepreise und unklare Liefersituationen erschweren Kalkulation und Planung, machen Comics teurer und sind ein deutlicher Dämpfer für den Optimismus, dem die „Elefanten“ der Branche aber noch nicht komplett abgeschworen haben. tk