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Wie nennen wir uns?

Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass sich gerade Independent Comics häufig aus dem persönlichen Erfahrungsschatz eines Künstlers speisen. Das kennt man von den autobiografischen Arbeiten von Künstlern wie Robert Crumb, Chester Brown oder Joe Matt und findet seine Entsprechung auch in den Reportagen von Joe Sacco, Guy Delisle oder Sarah Glidden, die ebenfalls ihre subjektiven Eindrücke zeigen, allerdings in einem weiter gefassten Kontext. Natürlich ist die Qualität dieser persönlichen Betrachtungen extrem unterschiedlich, aber eine Gemeinsamkeit haben sie alle: Die Künstler wollen ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit teilen.

© Markus Köninger, Jaja-Verlag

Nun ist nicht jeder ein Comicreporter, der in Bosnien und Palästina Eindrücke sammelt, wie dies Joe Sacco seit vielen Jahren auf eindrückliche Weise macht, viele stürzen sich schlicht und einfach auf den ordinären Alltag. Wie gewinnbringend das sein kann, sieht man beispielsweise in Chester Browns schonungslosen Selbstbetrachtungen über Masturbation, Prostitution, jugendliche Unsicherheit und Religion; die wohl meisten Künstler sind da aber weniger radikal und schürfen in weniger gefährlichen Erfahrungsfeldern. Was ist da wohl naheliegender, als von junger Liebe und vom Party-Machen zu erzählen, oder davon, mit Nachwuchsbands abzuhängen? Solche Felder haben hierzulande Mawil (Wir können ja Freunde bleiben, Die Band) und Flix (Held) bereits reichlich bedient, ebenso Tobi Dahmen (Fahrradmod) und auch Fabian Stoltz mit seinen Geschichten aus den 90ern. Und nun präsentiert uns Markus Könniger einen Comic aus dem Sub-Genre der autobiografischen Erzählung, auch wenn es sich beim doch recht dünnen Wie nennen wir uns? nicht wirklich um eine richtige Erzählung handelt, eher um eine kleine Momentaufnahme.

Darin geht es um vier Bandmitglieder, die zu einem Gig fahren. Aber die Nerven liegen blank: Das Auto ist zu klein für das Equipment und einer der Jungs hat am Tag zuvor zu viel gesoffen. Trotz solcher Schwierigkeiten zieht man das Ding durch, bespielt den Saal und am Ende sind alle happy. Und das ist auch schon die ganze Story. Mehr als eine Fingerübung sollte es aber wohl aber auch gar nicht sein und Markus Könniger beweist damit, dass er authentisch wirkende Orte mit einigem Gespür für Atmosphäre darstellen kann. Der Lesefluss ist zügig und gefällig und zahlreiche wortlose Passagen spiegeln die Anspannung vor dem Auftritt gut wider. Der grafischen Darstellung von Musik wird viel Platz eingeräumt und an der gelungensten Stelle erinnert die gewählte Bildsprache sogar ein wenig an Jason Lutes famose Darstellung eines Jazz-Konzerts in seiner Serie Berlin.

Halten wir also fest: Der Ansatz, Musik in Bildern darzustellen, klappt wunderbar. Bewegung und stimmungsvolle Orte zu inszenieren ebenso. Das kontrastreiche Bild, der geschickte Einsatz von Schwarz- und Grauflächen sind visuell äußerst ansprechend, der reduzierte Einsatz von Text zeigt zudem einiges Gespür für Atmosphäre und Timing. Die dargestellten Situationen sind auf den Kerngehalt eingedampft und unterscheidbare Charakterköpfe bekommt Könniger auch hin. Jetzt fehlt nur noch ein richtiger Plot. Oder ist dem Künstler die Darstellung dessen, was jeder in der einen oder anderen Form schon selbst erlebt hat, genug? Das wäre schade, denn in dem, was er uns mit Wie nennen wir uns? bisher zeigt, steckt einiges Potenzial. Ich werde nach weiteren Werken von Markus Könniger jedenfalls sicher die Augen offenhalten.

Kleiner Alltagscomic in sehr atmosphärischen Bildern

Wie nennen wir uns?
Jaja-Verlag, 2017
Text und Zeichnungen: Markus Könniger
28 Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 8 Euro
ISBN: 078-3-946642-05-3
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