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The Crow – Ultimate Edition

Als während der Dreharbeiten zu The Crow der Hauptdarsteller Brandon Lee durch einen Pistolenschuss ums Leben kam, wurde der Film zum Kulthit. Der Comic von James O’Barr, auf dem der Film basiert, verdient aber weitaus mehr Aufmerksamkeit als die trashige Leinwandoper, denn alles, was den Comic so besonders macht, hat der Film in etwas Gewöhnliches verwandelt.

Alle Abbildungen © Dani Books

Es ist Nacht. Immerwährende Dunkelheit. Nur ohne den Trost des bald anbrechenden Tages. James O’Barrs finsteres Racheepos dreht sich um den (un)toten Eric Draven, der nun Vergeltung übt an den Menschen, die vor einem Jahr seine Verlobte und ihn selbst brutal getötet hatten. Dass Eric nun als Untoter durch die Straßen seiner Heimatstadt streunern muss, ohne einen erlösenden Tod zu finden, verlängert sein Leid, aber die Schmerzen, die den Übeltätern bevorstehen, sind auch beachtlich. Eric ist stinksauer.

Wir folgen dem katzenliebenden Helden, hinter dessen Maske wir nur blicken können, wenn die bluttriefenden Gegenwartssequenzen des Racheplots kurz von den zarteren Rückblenden unterbrochen werden, während derer wir Eric und seine Verlobte sehen. Der Kontrast könnte kaum schärfer sein.

O’Barr schreibt, er habe das Comic zur psychischen Aufarbeitung des (ganz anders gearteten) Unfalltodes einer Freundin geschrieben, darin aber nicht die erhoffte Linderung gefunden. Es ist gar nicht wichtig, ob dies Teil einer (bewussten oder unbewussten) Autorinszenierung ist, der dies und jenes schreiben musste, um wieder zu sich finden – als Motiv ist dies durchaus gängig.

Wie auch immer: Der Rache-Exzess in The Crow ist so brutal wie auch ästhetisch choreografiert, und durch die alles andere als stereotypen Tötungsszenen ist die Geschichte trotz eines sehr geradlinigen Plots sehr abwechslungsreich. Nicht zuletzt ist die Story überraschend witzig, so etwa, als ein Polizist unfreiwillig eine Katze vor dem Feuertod rettet, diese sich aber als Floh-Transporter erweist. Dass dies in der Nacherzählung nicht mehr witzig ist, zeigt, wie gut O’Barr die Pointe inszeniert.

Trotz seines Independent-Erfolgs bei dem damals noch jungen Verlag Caliber Press, der The Crow zwischen Februar und Mai 1989 in vier Teilen veröffentlichte, ist O’Barr kaum mehr als Comic-Autor oder -Zeichner aufgefallen. Diverse Coverarbeiten und wenige Comics können nicht darüber hinwegtäuschen, dass The Crow mit schätzungsweise 750.000 verkauften Exemplaren ein One-Hit-Wonder gewesen ist. Zu den weniger erfolgreichen Fortsetzungen steuerte O’Barr nur noch die Story, das Cover und schließlich nur noch seinen Namen bei.

Der Film aber wurde ein regelrechter Mythos.

Am 31. März 1993 starb der Hauptdarsteller Brandon Lee bei den Dreharbeiten zu The Crow durch einen Pistolenschuss, zwanzig Jahre nach dem frühen Tod seines Vaters Bruce Lee. Durch diesen Schock verzögerte sich die Fertigstellung des fast abgedrehten Films, der erst 1994 in die Kinos kam.

Was für ein Kult damals um The Crow entstand, zeigt sich etwa im Merchandising – die Fortsetzung Wild Justice enthält eine Werbeseite mit allerlei nützlichen Produkten wie etwa einer wetterfesten Wollmütze (36,90 DM), der obligatorischen Kaffeetasse (18,90 DM) oder der unverzichtbaren The-Crow-Bronzestatue (790,- DM) für geschmackssichere Freunde der dunklen Stimmung.

Der renommierte Film-Kritiker Roger Ebert hat in einer euphorischen Filmkritik zu The Crow geschrieben, dies sei die beste Comic-Verfilmung, die er je gesehen habe: „The bosoms of women in comic books always seem improbably perfect but sketched in – drawn by a pen, not made of flesh – and the villainess Myca (Bai Ling) in this story has the same look.“ Ein seltsamer Fokus …

Wie soll man dem zustimmen? Am besten gar nicht. Abgesehen von den Comic-Stereotypen, die Ebert bemüht (er nennt nur immer wieder Batman), ist gerade Myca gar keine Figur aus dem Comic, der im Detail stark von seiner Verfilmung abweicht. Gut, man könnte dem Film ja zugute halten, er würde unabhängig vom Plot eine Art visueller ‚comicness‘ auf die Leinwand bringen, aber genau diese Annahme Eberts ist falsch, weil Ebert nur ein Zerrbild von Comics zu kennen scheint. Seiner Vorlage entspricht der Film nämlich gerade nicht.

Der Film übersetzt tatsächlich viele Comic-Vorurteile ins bewegte Bild: Die Figuren sind überzogen, schrill, unglaubwürdig. Sie agieren in raschem Tempo von Pose zu Pose, von Phrase zu Phrase und von Klischee zu Klischee. Dass Ebert darin die beste Comic-Verfilmung zu sehen glaubt, die er bis 1994 je gesehen hat, ist schwer zu fassen. Der Film ist eine gruselig schlechte Verirrung, die sich denkbar weit von dem poetischen und anarchistischen Original entfernt hat.

Die Sprache des Originals mag manchmal etwas bemüht poetisch daherkommen, ist aber doch wenigstens ambitioniert, etwa wenn O’Barr seinen Protagonisten William Thackery zitieren lässt: „Mother is the name for God in the lips and hearts of little children.“ So wild die wechselhaften Seitenarrangements sind, so stimmungsvoll die literarischen Zitate (Baudelaire, Rimbaud) und so stark die Erzählung im Kontrast zwischen den (angedeuteten) erotischen Szenen und den umso stärker ausgeführten Gewaltexzessen ist, so als würde die überbordende Gewalt zu Ende bringen, was dem Paar verwehrt blieb, so gewöhnlich ist der Film. Die Finsternis hat Regisseur Alex Proyas, der bis dahin eher Musikvideos und Werbefilme verantwortet hatte, in den Film gelungen überführt, aber die Figuren wirken allesamt wie klischeehafte Relikte aus ganz schlechten Actionfilmen.

Georg Seeßlen schrieb wesentlich treffender, der Filme biete die „gewohnte gedankenlose Phantasie von Selbst­justiz, Blut, Schießerei, knochenbrecheri­schem Overkill und vom Abschaum, der von der Straße geräumt werden muß.“ Die größte Stärke des Films ist es, dass seine drei Nachfolger (1996, 2000, 2005) noch viel schlechter waren. Aber darin sind sich wiederum alle einig.

Die The-Crow-Comics,  die auf das Original folgten, sind hingegen schon eher zu empfehlen, etwa der Nachfolger Wild Justice von Jerry Prosser und Charlie Adlard (drei Teile, 1996). Auf deutsch sind in den 1990ern einige Comics bei Kult Editionen erschienen: Neben Wild Justice auch Dead Time und Flesh and Blood. Hingegen sind die Mini-Serie zum Film The Crow – City of Angels, die vierteilige Serie Waking Nightmares (1997–98) und eine Image-Serie nur auf Englisch verfügbar.

2011 ist bei Gallery Books diese „Special Edition“ erschienen, in der O’Barr die ursprünglichen vier Kapitel, die bei Caliber Press erschienen sind, sowie das fünfte, das in den Sammelbänden enthalten ist, um weitere Einzelseiten ergänzt hat, die damals den Formatvorgaben weichen mussten. Nun hat Dani Books, der deutsche Verlag mit dem wildesten Portfolio, sich dieses Titels angenommen und bringt ihn nach Deutschland, in einer Fassung, die es eigentlich nie gegeben hat. Ein wundervoller Comic.

Dunkler als Dark

9von10The Crow – Ultimate Edition
dani books, 2020
Text & Zeichnungen: James O’Barr
Übersetzung: Jano Rohleder
272 Seiten, schwarzweiß, Hardcover
Preis: 25,00 Euro
ISBN: 978-3959561303
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