Nach seinem vorletzten Roman, dem Labyrinth der Träumenden Bücher (2011), hatte man Walter Moers attestiert, er habe das Orm verloren. Mit seiner zweibändigen Comicadaption der Stadt der Träumenden Bücher möchte er seinen Fans das Gegenteil beweisen. Im Februar 2018 erschien der zweite Band.
Ich muss vorweg gestehen: Ich bin voreingenommen. Ich bin begeisterter Leser aller Zamonien-Romane. Ich habe als Literaturwissenschaftler immer wieder (unter meinem Geburtsnamen) über die Romane geschrieben (z.B. hier). Und als Science Slammer habe ich unter dem Anagramm General I.T. Hurengruss sehr, sehr oft über diesen fiktiven Kontinent Zamonien und dessen seltsame Bewohner gesprochen. Ich bin ein befangener Leser.
Walter Moers hat in den 1980er Jahren als Comiczeichner begonnen und seine alten Comics um die Figur des Kleinen Arschlochs, Adolf, die Nazi-Sau und den Pinguin sind vor kurzem in seinem aktuellen Verlag (Knaus) wieder neu herausgegeben worden. Wer sich erst seit den Nuller Jahren für Gedrucktes interessiert, wird dies vielleicht nur am Rande mitbekommen haben, weil Moers seitdem hauptsächlich als Romanautor wahrgenommen wurde. Seine Zamonien-Romane, benannt nach dem Kontinent, auf dem sie spielen, sind so erfolgreich, dass man fast vergessen könnte, dass Walter Moers zusammen mit Ralf König und Brösel zu den deutschen Comic-Ikonen der 1980er Jahre zählte.
Mit den 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär hat er sich 1999 als Schriftsteller versucht, und dies so nachhaltig erfolgreich, dass seine Romane allesamt in den Bestsellerlisten ganz weit oben landeten: Sein größter Streich wurde 2004 Die Stadt der Träumenden Bücher über den Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz, der auszieht, um den Autor eines Manuskripts zu finden. Dabei gelangt er in die bibliophile Stadt Buchhaim, an deren Oberfläche sich alle Akteure des Buchmarktes tummeln – vor allem die niederträchtigen. Der zweite Band der Comicadaption beginnt kurz nach dem Eintritt in die Katakomben von Buchhaim, wo es so richtig spannend wird und Mythenmetz auf die Zyklopenrasse der Buchlinge trifft. Diese literaturverrückten (man muss sie lieben!) Kleinstungeheuer unterstützen Mythenmetz auf seiner Suche und helfen ihm dabei, sich der grausamen Bücherjäger zu erwehren. Als Ziel seiner Suche erweist sich der sagenumwobene Schattenkönig, der zugleich der machtvollste Potentat der Unterwelt und dessen tragischstes Opfer ist. Wie es weitergeht, muss man der Lektüre jedes einzelnen überlassen, denn die Lektüre des Romans oder des Comics ist eine Freude, die man nicht spoilern darf.
Walter Moers arbeitete seit 2011 an diesem Comic, auf einer Ausstellung über sein Werk im Schloss Oberhausen wurden seinerzeit die ersten Zeichnungen präsentiert; das Projekt, das Moers gemeinsam mit Florian Biege (Im Bann der Hexer, 2011) umsetzte, hat einige Zeit gebraucht. Von Moers selbst stammt das Szenario inklusiver recht detaillierter Zeichnungen, die im Anhang des zweiten Bandes dokumentiert sind, von Florian Biege die Umsetzung am Computer und die Kolorierung. Da Walter Moers bereits seine Romane illustrierte und diese Zeichnungen bei den Lesern ebensolche Begeisterung hervorriefen wie die Romantexte, müssen Fans sich nun auf etwas Neues einlassen: Die Kolorierung durch Florian Biege, mit tollen Lichteffekten, hinterlässt einen glatteren Eindruck als die engschraffierten Schwarz-weiß-Zeichnungen, die man aus den Romanen gewohnt ist. Mir ist die Oberfläche etwas zu gefällig, und ich hätte mir eher einen Comic im Stil der Zeichnungen gewünscht. Aber da es diesen nicht gibt, sondern nur den vorliegenden, freue ich mich über diesen, als Leser, als Literaturwissenschaftler und als Comicfan.
Gelungener zamonischer Doppelschlag: Die Stadt der Träumenden Bücher in zwei Bänden
Knaus, 2018
Text: Walter Moers
Zeichnungen: Walter Moers & Florian Biege
128 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 25 Euro
ISBN: 978-3813505023
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