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Sláine 5 – Der König

Die britische Comicserie Sláine und der amerikanische Indie-Comic Love and Rockets, beide aus den 80er Jahren, könnten unterschiedlicher nicht sein. Sláine ist – zumindest in seiner ursprünglichen Konzeption – kommerzielle, auf ihr jugendliches Publikum zugeschnittene „Sword and Sorcery“-Fantasy, Love and Rockets dagegen eine Independent-Reihe, bei der die Künstler zuallererst ihre persönliche Vision verfolgen und Wege abseits des Mainstreams gehen. Und doch gibt es eine verblüffende Parallele: Beide Reihen waren in ihren Anfängen alles andere als durchgeplant, vielmehr wurde zunächst munter drauflos erzählt, die erzählerischen Höhepunkte fanden in beiden Reihen erst nach mehreren Jahren Laufzeit statt. Was allemal besser ist, als nach einer spektakulären Exposition nicht zu wissen, was man eigentlich erzählen will.

Sláine und seine Gefährten auf Heldenreise. Zeichnungen von Mike Collins und Mark Farmer. Alle Abbildungen: © Dantes Verlag.

Was für den Leser der ersten Stunde, der mit den Erzählungen mitwächst, zu immer neuen Begeisterungsschüben führt, gestaltet sich bei der deutschen Lizenzausgabe aber leicht zum Dilemma. Bringt man nur die künstlerischen Höhepunkte, kann man zwar schnell zeigen, was die Serie kann, doch ist es auch eine Überrumpelung, die schnell überfordert. Startet man jedoch mitsamt den kruden Anfängen von Anfang an, muss man fast notgedrungen auf die Unterstützung erwartungsfroher Fans bauen, die die Serie mittragen und voll Vorfreude auf die Gesamtausgabe jeden Schritt gerne mitgehen. Josua Dantes hat sich bei Sláine für diese Variante entschieden. Ein wilder Ritt, aber lohnend.

Schon der erste Band, „Morgendämmerung“, überzeugt mit einer unorthodoxen Heldenfigur, gegen die der artverwandte Conan blass aussieht. Während Conan zwar schnell zugänglich ist, sich mit seiner Zivilisationskritik und dem blanken Materialismus aber schnell erschöpft, ist Sláine die sperrigere, weniger geschmeidige, aber deutlich faszinierendere Figur. Sláine ist nicht nur teilnehmender Beobachter, der Zivilisationen beim Untergang zusieht und dabei stets aufs Neue versucht, ein paar Vorteile für sich herauszuschinden. Sláine gestaltet seine Welt aktiv und schart dabei einen zunehmend interessanter werdenden Mikrokosmos von Nebenfiguren um sich herum.

Naturdarstellungen bei Mike McMahon.

Pat Mills belebt in seinen Sláine-Comics mit viel Wissen und noch mehr Bauchgefühl die keltische Mythenwelt in einer Mischung aus Überlieferung, Übertreibung, Fabulierfreude und Aberglaube. Von den beteiligten Künstlern der frühen Sláine-Comics ist dabei unbedingt der Judge Dredd-Veteran Mike McMahon hervorzuheben, der anders als die anderen Sláine-Zeichner nicht die üblichen Heroic-Fantasy-Klischees bediente, sondern mit einigem Gespür für effektvolle Abstraktion gerade in seinen Naturdarstellungen Standards setzt. Selten haben Wälder und Berge so unheimlich, verwunschen und dunkel ausgesehen.

Aber die Serie wandelt auf verschlungenen Pfaden, und so verliert sie in den Bänden 3 und 4 auch zwischenzeitlich etwas den Fokus und verirrt sich in eine Dungeons and Dragons-Fantasywelt mit mehr als nur einem Hauch von H.P. Lovecraft. Das wird im vierten Band mit dem interaktiven „Die Gruft des Schreckens“ auf die Spitze getrieben, welches in Form eines „Pen and Paper“-Rollenspiel-Soloabenteuers erzählt ist. Das ist nicht ohne Reiz, gleichzeitig tritt die Erzählung aber auf der Stelle und wird zum bloßen Just-for-Fun-Zeitvertreib. Aber damit ist im vorliegenden Band 5 erst mal Schluss. Sláine kehrt nach langer Wanderschaft zurück zu seinem Stamm, aus dem er Jahre zuvor vertrieben worden ist, und tritt an, den schwachen König zu beerben. Dafür muss er sich einigen Prüfungen unterziehen und Kämpfe ausfechten.

Artwork von Glenn Fabry.

Mills gelingt es im fünften Band, den großen erzählerischen Bogen zu schließen und die Fäden der Handlung so zu legen, dass sich etwas Großes, Episches daraus ergibt. Gleichzeitig läuft die Erzählung hier erst richtig an: Sláine geht den Bund der Ehe mit der Erdgöttin Danu ein und wird ihr Kämpfer für das kommende Matriarchat sein. Eine reizvolle Prämisse für das sonst so männliche Barbarengenre, aber Sláine ist eben auch eine unorthodoxe Serie und auch wegen der vielschichtigen weiblichen Nebenfiguren etwas anders als die meisten Vertreter des Genres. Aber damit habe ich schon vorgegriffen auf den fürs nächste Jahr angekündigte sechsten Band mit dem Titel „Der gehörnte Gott“. In „Der König“ geht es vor allem darum, das Plateau für die große Erzählung zu bereiten. Mills läuft zur Hochform auf und hat mit Glenn Fabry, vielen Lesern vor allem wegen der von ihm gestalteten Covers für Hellblazer und Preacher ein Begriff, einen kongenialen Künstler an der Seite, dessen irre detaillierter Strich die Eleganz alter Stiche mit der Dynamik des Actioncomics kreuzt. Man kann Josua Dantes sehr dankbar sein, dass er diese famose Serie für uns wiederentdeckt und so schön aufbereitet hat.

Wegweisender Fantasycomic

Sláine – Der König9von10
Dantes Verlag, 2018
Text: Pat Mills
Zeichnungen: Glenn Fabry, Mike Collins, Mark Farmer
Übersetzung: Jens R. Nielsen
176 Seiten, schwarz-weiß , Hardcover
Preis: 32,00 Euro
ISBN: 978-3-946952-25-1
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