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Schneewittchen und die Sieben Zwerge – Neue Geschichten von Romano Scarpa

„Sei wie das Veilchen im Mose
Bescheiden sittsam und rein
Nicht wie die stolze Rose
Die immer bewundert will sein.“
                                                        – Poesiealbumeintrag, 1980er Jahre

Was macht das Schneewittchen als erstes, wenn es in die Wohnung der sieben Zwerge kommt? Abspülen und Putzen. Es klingt wie ein schlechter Witz, aber Schneewittchen ist so tugendhaft und artig, sie kann gar nicht anders, als die gute Perle für die Männerwirtschaft der Zwerge zu sein. Sie ist allerdings nicht, wie ihr ab und an nachgesagt wird, völlig passiv und wehrlos. Immerhin verschafft sie sich bald Respekt in der derben Männerrunde, das aber selbstverständlich als Mutterersatz und gute Seele. Ganz schön reaktionär also, das Frauenbild des Schneewittchen-Märchens von Disney. Der Zeichentrickfilm ist von 1937.

© 2019 Disney

Aber auch 1954, als der italienische Zeichner Romano Scarpa, zunächst gemeinsam mit dem Szenarist Guido Martina, die neuen Abenteuer von Schneewittchen und die Sieben Zwerge gestaltete, hatte sich daran nichts geändert. Wenn Schneewittchen sich eine kleine Auszeit vom Märchenschloss nimmt, dann macht sie den Zwergen immer noch gern die Bude – und die Zwerge liegen ihr selbstverständlich ebenfalls immer noch zu Füßen. Aber man kann aus einem Schneewittchen ja auch schlecht eine Räubertochter machen – und so ist Schneewittchen auch bei Scarpa stets nur die Auslöserin der jeweiligen Abenteuergeschichten, da sie immer mal wieder von der bösen Stiefmutter Grimhilde heimgesucht und verhext wird, damit diese vielleicht doch irgendwann die Schönste im ganzen Land sein kann. Für die Action hingegen sind die Zwerge zuständig. Nicht der Märchenprinz, wohlgemerkt, der macht höchstens mal ein vollmundiges Versprechen und reitet schnell durch die Gegend. Es sind die Vertreter des niederen, arbeitenden Volkes, die stets aufs Neue die Ärmel hochkrempeln und zur Aktion schreiten.

65 Jahre und den Umweg über die USA hat es benötigt, bevor das Comic-Debut des legendären Topolino-Zeichners Romano Scarpa nun auch in Deutschland angekommen ist. Man erkennt bereits in diesen frühen Geschichten den Zeichner der legendären Story „Der Kolumbusfalter“, die charakteristischen, runden Linien und den flächigen Stil. Die ersten beiden Geschichten des Bandes, die von Guido Martina geschrieben sind, sind noch eng mit den Motiven des Zeichentrickfilms verwoben. In der zweiten Hälfte des Buches, als Scarpa dann alleine für die Geschichten zuständig war, beginnt dieser sich dann mehr und mehr freizumachen von den engen Vorgaben des Films. Die Abenteuer der Zwerge treten klar in den Vordergrund, wenn sie aus immer wieder neuen Anlässen auf Expeditionen ausziehen und dabei von einer abenteuerlichen Situation in die nächste stolpern. Obwohl Schneewittchen auch in den späteren Geschichten noch Auslöserin für die Abenteuer der Zwerge ist, so tritt sie doch mehr und mehr in den Hintergrund.

Die deutsche Ausgabe des amerikanischen Buchs The Return of Snow White and the Seven Dwarfs, das 2017 bei Fantagraphics erschienen ist, lässt keine Wünsche offen. Der Übersetzer Jano Rohleder hat gute Arbeit geleistet und beweist auch bei den gereimten Passagen meist ein gutes Rhythmusgefühl, lediglich die Buchstabenverdreher vom Zwergenchef sind eher nervig als lustig. Die Druckqualität ist gegenüber der amerikanischen Version satter, die Farben etwas kräftiger, ohne zu dunkel zu sein. Auch das Lettering ist ähnlich kräftig wie die amerikanische Fassung, es füllt die Sprechblasen gut aus, und selbst die Typografie auf den Titelseiten ist adäquat ins Deutsche umgearbeitet. Das sind keine Kleinigkeiten, denn schließlich liest man ein Schneewittchen-Comic der 1950er Jahre nicht unbedingt in erster Linie der spannenden Story wegen, vielmehr müssen Gefühl, Ästhetik und Präsentation ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Beim vorliegenden Buch ist das voll und ganz gelungen.

Erfreuliche Veröffentlichung eines Comic-Klassikers

9von10Schneewittchen und die Sieben Zwerge – Neue Geschichten von Romano Scarpa
Egmont, 2019
Text: Romano Scarpa, Guido Martina
Zeichnungen: Romano Scarpa
Übersetzung: Jano Rohleder, Arne Voigtmann
176 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 25,00 Euro
ISBN: 978-3770440801
US-Leseprobe egmont.de

Anm. der Red.: Gerne hätten wir diese Rezension noch mit einem Auszug aus dem Comic bebildert. Leider gibt es dafür von Verlag und Lizenzgeber eine Liste von Auflagen, die aus unserer Sicht unverhältnismäßig streng und umfassend ist. Wir haben uns daher entschieden, auf weitere Abbildungen zu verzichten.

1 Kommentare

  1. Jano sagt:

    Danke für die Blumen. :D Chefs bekloppte Sprechweise hat mich auch genervt (vor allem, da der das JEDES MAL macht), aber da der halt im Original genauso spricht, musste das auch ins Deutsche mit übernommen werden. ;)

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