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Quest 1: Die Dame vom See

Ein Kindercomic, der Motive der Artus-Saga aufgreift und fantasievoll weiterspinnt? Damit rennen die beiden Autoren auf jeden Fall offene Türen bei mir ein.

Alle Abbildungen (c) Reprodukt

Pellinore ist ein besonderer Ritter der Tafelrunde, da er mit einer besonderen Quest beauftragt ist: die Jagd nach dem bellenden Drachen. Dahinter verbirgt sich die Symbolik einer ewigen Quest, die nie zu Ende geht, denn Pellinores Drachen gibt es allem Anschein nach gar nicht. Dennoch ist Pellinore auf ewig auf der Suche und Jagd nach ihm. In Marion Zimmer Bradleys Saga Die Nebel von Avalon entwickelt sich daraus der Running Gag, dass sich Pellinore gerne von Festen aller Art entschuldigen lässt, da er ja den Drachen erlegen müsse, der auf seinem Land sein Unwesen treibe. Pellinore ist ein Charakter ganz besonderer Sturheit. Zeichner Wauter Mannaert äußert in einer dem Comic vorangestellten Notiz seine Inspiration durch T. H. Whites richtungsweisenden Artus-Roman Der König von Camelot. Auch da fällt Pellinores Verbohrtheit sofort auf. Und man kennt Pellinore auch aus Walt Disneys Die Hexe und der Zauberer.

Quest von Frédéric Maupomé und Wauter Mannert spinnt Pellinores Quest weiter in die Jetztzeit. Der junge Pelli trägt die Tradition seiner Ahnen fleißig weiter und jagt auch im angehenden neuen Jahrtausend das Biest. Das geht nicht ohne Ausstattung, deshalb sucht er Nimue auf, die Dame vom See, um von ihr ein adäquates Schwert zu erhalten. Aber dann ist es auch schon vorbei mit dem heiligen Ernst der klassischen Vorlage: Nimue ist eher ein irgendwie nerdiges Mädchen als eine ätherische Fee, und sie hatte schon lange keinen richtigen Kontakt mehr zur Außenwelt. Als Pelli von ihr das Schwert kriegt, taucht dann auch noch Ritter Gawain auf, der dem Jungen das Schwert stehlen möchte. Warum Gawain jetzt als mächtiger Ritter auftritt, Pelli aber nur ein Bubi ist? Keine Ahnung. So oder so, Pelli und Nimue müssen jetzt erst mal vor dem rabiaten Gawain fliehen, der hier irgendwie auf Terminator macht und mit recht unmotivierter Aggression rumrandaliert.

Was weiß die Dame vom See, was Pelli nicht weß?

Der mittlere Teil des Bandes ist dann ersten Abenteuern verschrieben und bringt etwas Kontext. Es gibt einen Mittelalter-Themenpark und Mittelalterfeste, in denen Gegenwart und Vergangenheit mehr oder weniger ineinanderwabern und nebenbei schmeckt Nimue, die Fee, den Reiz der modernen Zivilisation und deckt sich mit allerhand Krimskrams ein, z.B. zerrissenen Jeans, flippigen Outfits und Nerd-Zeugs wie einem Back to the Future-T-Shirt. Dass man diese Sachen mit Geld bezahlen muss, weiß sie zunächst erst mal nicht, entsprechend sind Verwicklungen vorprogrammiert.

Im dritten Kapitel kommen magische Tiere ins Spiel, z.B. ein Einhorn und ein gemusterter Tiger, die im Themenpark eingesperrt sind. Nimue setzt sich jetzt verstärkt ein, Pelli wird zunehmend zum Held – und Gawain taucht auch wieder auf und macht Stress ohne Grund. Oder gibt es doch einen? Am Ende taucht die böse Fee Morgan Le Fay auf und wird noch schnell als Oberbösewichtin eingeführt, bevor der Cliffhanger uns vorerst mit dem Verlangen nach mehr zurücklässt.

Vermutlich einiges!

Insgesamt wirkt Quest von der Story her recht flott zusammengeschustert und drauflos erzählt nach der Devise: „Erzählen first, Bedenken später“. Das ist vor allem deswegen nicht schlimm, weil die antiken Sagen auch nicht viel besser durchgeplant sind, es läuft lediglich den modernen Erwartungen an komplex durchgeplottete Stories mit Anspruch zuwider. Quest aber ist ein Kindercomic, der genau diese Art von aufgeblasener Komplexität vermeiden will. Punkte macht der Comic mit seinen fabelhaft gestalteten Naturkulissen und den vielen Vignetten, die eben schon sehr viel Bezug zur alten Artus-Motivik herstellen. Das ist liebevoll gestaltet, deshalb freue ich mich darauf, dass die Story hoffentlich bald fortgesetzt wird.

Unprätentiös, detailverliebt und ziemlich munter

8von10Quest 1 – Die Dame vom See
Verlag, Erscheinungsjahr: Reprodukt 2025
Text und Zeichnungen: Frédéric Maupomé, Wauter Mannaert
Übersetzung: Christiane Bartelsen
120 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 20 Euro
ISBN: 978-3956404498
Leseprobe

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