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Mit Mantel und Degen 1-6

Der erste Band der Reihe Mit Mantel und Degen erschien 1995 auf Französisch bei Delcourt unter dem Titel De cape et de crocs. 2012 endete die Serie nach zehn Bänden und wurde 2014 und 2016 noch um zwei weitere Teile erweitert. Die erste deutsche Ausgabe erschien von 1997 bis 2013 bei Carlsen und deckte nur die ersten zehn Alben ab. 2018 begann Finix Comics eine Gesamtausgabe zu veröffentlichen, die jetzt alle Teile der Serie enthält.

Die Geschichte beginnt als einfacher Abenteuercomic. Der Fuchs Armand Raynal de Maupertuis (kurz Don Armand) und der Wolf Don Lope de Villalobos y Sangrín (kurz Don Lope) gelangen nach einer gewagten Rettungsaktion an eine Schatzkarte, die sie auf die legendären Tangerineninseln führen soll. Eine wilde Schatzjagd beginnt, in deren Verlauf die fechtenden Edelmänner auf Freunde und Feinde stoßen, die wahre Liebe finden und sich stets den Rücken freihalten.

Mit Mantel und Degen ist vieles: eine Hommage an Abenteuerliteratur wie Die drei Musketiere und Robinson Crusoe, eine Verbeugung vor den fantastischen Novellen des Künstlers Cyrano de Bergerac, eine Theaterkomödie, eine Geschichte, die sich gegen Vorurteile und Klischees ausspricht und gleichzeitig auch die Macht des Lachens beschwört. Von ihrer Machart her lehnt die Serie sich aber vor allem an Theaterstücke an und ist daher auch wie eines aufgebaut. Deswegen werden die einzelnen Alben auch nicht als Kapitel bezeichnet, sondern als Akte.

Wie auch im Theaterstück wird immer wieder die vierte Wand durchbrochen, wenn sich zum Beispiel ein gieriger Geldverleiher an das Publikum wendet und diesem verschwörerisch zuzwinkert. Augenzwinkernd werden zu Beginn auch viele Klischees der klassischen Abenteuerliteratur und Piratenfilme übernommen und in die Handlung eingebaut. Daher sind unsere beiden Helden auch zwei ehrenhafte Haudegen, die mit der Zunge genauso schnell sind wie mit dem Eisen in der Pfote, ihre Gegenspieler geben sich als wahrhaft böse Finsterlinge und die Frauen sind schön und voller Tugend. Mit der Zeit werden diese Klischees jedoch immer mehr gebrochen und jeder Charakter, bis auf einen Finsterling, wird zu einer komplexen Figur, die zwischen tragisch und komisch wechselt, dabei aber immer lebendig bleibt. Allerdings wird sich im Gegensatz zur klassischen Komödie nicht über die Figuren lustig gemacht, sondern man lacht mit ihnen. Gleichzeitig ist Mit Mantel und Degen auch eine der wenigen Geschichten, die ihre Figuren für Sanftmut und Güte belohnt.

Die Serie beginnt mit einem Theaterstück. Wie passend!

Unsere Protagonisten haben viele ihrer Vorurteile zu überwinden und es sind gerade die sanftmütigen Figuren, die am Ende Recht behalten, während Gewalt als Ursprung allen Leids gebrandmarkt wird. Für anderes offen zu sein und sich dementsprechend offen zu geben wird belohnt und bereichert das Leben aller. Das wird vor allem gezeigt, indem verschiedene Gattungen von Gedichten in die Geschichten eingewoben werden. Denn die Figuren dichten auch gerne mal den einen oder anderen Text zusammen. Neben der klassischen Form der Dichtung und Panels, die berühmte Gemälde nachstellen, werden auch aber Schattenspiele und Rhymes aus der Rapszene in den Comic eingebunden. Auch Zitate aus moderneren Medien wie dem Film Aliens und dem Comicklassiker Tim und Struppi finden ihren Platz in der Handlung, wenn zum Beispiel Fuchs Armand eine Nebenfigur im Stil eines Kapitän Haddock beschimpft. Autor Alain Ayroles webt scheinbar alles ein, was ihm einfiel, aber es wirkt tatsächlich nie so, als ob er nur um des Zitieren Willens zitieren würde, sondern tatsächlich versucht, alles organisch in die Serie einzubinden.

Kunst einigt in Mit Mantel und Degen, ist inklusiv und allen zugänglich. Daher wird sie als etwas Gutes verstanden und alle sollten an ihr teilhaben. Der Comic bleibt dabei allerdings auch immer kindgerecht genug, veralbert brutale Gewalt meistens und wird selbst an den ernsten Stellen nie zu explizit. Jüngere Leser*innen können die Geschichte daher genauso gut verfolgen wie die Älteren und selbst wenn sie all die Anspielungen nicht verstehen, bekommen sie eine abwechslungsreiche Geschichte über Liebe und Freundschaft zu lesen, in der am Ende Idealismus und Freundlichkeit über Zynismus und Grausamkeit siegen.

Die Piraten verzweifeln mal wieder und sehen ihren Untergang voraus.

Ein so ambitioniertes Produkt könnte schnell zerbrechen, wenn die Texte des Autors und die Bilder des Künstlers nicht miteinander harmonieren würden. Jean-Luc Masbou war aber genau die richtige  Person, um diese bunte Welt zum Leben zu erwecken. Seine Menschen wie auch anthropomorphen Tiere sind in den ersten beiden Bänden noch sehr überzeichnet, aber spätestens im dritten Band hat er die richtige Balance zwischen ausdrucksstarken Cartoons und einigermaßen echt wirkenden Figuren gefunden, die zum Ton der Geschichte passen. Ihm gelingt es auch, eine gewisse Ordnung in die Panels zu packen, in denen immer viel passiert. Ein Beispiel hierfür ist eine Szene im zweiten Akt der Serie, wenn Armand gerade eine inspirierende Rede hält, über die sich sein Freund Lope amüsiert, indem er ihn nachäfft. Gleichzeitig sehen wir die Reaktionen des Hasen Eusebius und des Korsaren Kader, die sich den Raum mit Lope und Armand teilen müssen. Es ist ein Wunder, dass das nicht zu überladen wirkt, aber es funktioniert. Die warme und freundliche Kolorierung der Bilder hilft ebenfalls, gerade wenn Masbou mit der Beleuchtung bei Nacht oder unter der Erde spielt.

Mein persönliches Highlight sind die Reaktionen einer Piratencrew, die sich immer wieder an die Leser*innen wendet und mit recht dramatischer Gestik und Mimik den Untergang ihres Schiffes heraufbeschwört. Die Kolorierung passt sich der Szene an, wird düster und schwer, aber gleichzeitig ist es wieder komisch, wenn zum Beispiel ein Crewmitglied seinem Kameraden einen Sarg zimmert oder den Schrei von Edward Munch nachstellt. Selbst nach neun Bänden wird das nie alt.

Wer verbirgt sich hinter den geheimnisvollen Masken dieser sinistren Gestalten, oh neugierige Leser*innen?

Die Übersetzung empfinde ich insgesamt als sehr gelungen, auch wenn ich mir bei den Gedichten manchmal nicht sicher bin, ob ihr Stil gut eingefangen wurde. Aber das schiebe ich eher auf meine eingerosteten Französischkenntnisse. Die Texte lesen sich flüssig, unterhaltsam und geistreich, ganz im Sinne der Vorlage und deren Vorbilder.

Wenn ich eines zu kritisieren habe, dann dass die ersten beiden Akte noch nicht das Niveau der späteren Bände haben. Die Handlung dient darin noch eher als Vorwand für Actionszenen, denn um die Charaktere zu entwickeln oder die Themen voranzutreiben.  Die Geschichte hetzt hier regelrecht von einer spannenden Szene zur nächsten, was wenig Zeit lässt, um den Figuren richtige Substanz über ihre archetypischen Rollen hinaus zu geben. Spätestens ab Akt Drei existiert dieses Problem nicht mehr.

Einer der ruhigen Momente der Serie, der schön ihre die tragischen und komischen Seiten einfängt.

Die deutschen Hardcoverausgaben von Finix sind hervorragend gebunden. Neben Skizzen enthalten sie außerdem noch Rohentwürfe der Charaktere als Extra und große Faltbilder, die zwischen zwei Bänden eingeschoben worden sind. Darauf sind alle Figuren noch einmal in beeindruckenden Posen abgebildet und versprechen all die Abenteuer und Wunder, die in Mit Mantel und Degen geschehen. Persönlich hätte ich mir noch ein paar Interviews mit den Machern gewünscht, aber insgesamt kann sich diese Gesamtausgabe wirklich sehen lassen.

Fantasievoller und liebevoll ausgestatteter Abenteuercomic für jung und alt.

9von10Mit Mantel und Degen Gesamtausgabe 1-6
Finix Comics, 2018-2020
Text: Alain Ayroles
Zeichnungen: Jean-Luc Masbou
Übersetzung: Harald Sachse
104-128 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 22,80 € (Band 1, 2, 6) / 26,80 € (Band 3, 4) / 29,80 € (Band 5)
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