Antonio Altarriba ist Professor für französische Literatur an der Universität des Baskenlandes und nebenbei Comicautor von Werken wie Die Kunst zu fliegen (avant-verlag). Zusammen mit dem spanischen Zeichner Keko (i. e. José Antonio Godoy) hat Altarriba den Band Ich, der Mörder entworfen, in welchem ein Kunstprofessor in seiner Freizeit Menschen tötet.
Emilio Rodriguez, so der Name der zentralen Figur, ist 53 Jahre alt und befindet sich auf dem Zenit seiner universitären Karriere. In seinen Vorlesungen setzt er sich mit Tod und Folter in der Kunstgeschichte auseinander, doch abseits der Theorie ist Rodriguez fasziniert vom tatsächlichen Morden. Ihm geht es nicht um persönliche Rache, vielmehr soll zwischen ihm und seinen Opfern stets eine gewisse, aber nicht zu große, Distanz bestehen. Sein Motiv ist die Kunst. Emotionslos fasst er wie ein Kunstschaffender den Akt des Tötens auf, um ein für ihn befriedigendes Werk zu kreieren. Damit niemand dem perfiden Hobby hinter seiner intellektuellen Fassade auf die Schliche kommt, plant er die Taten höchst akribisch, recherchiert, forscht die Opfer aus. Trotzdem gibt es dazwischen auch Spontanmorde, schließlich geht es Rodriguez vor allem darum, kein Muster erkennen zu lassen. So werden Tötungsarten und -orte genauso häufig variiert wie die scheinbar zufällig gewählten Opfer, die sich keinem einheitlichen Schema zuordnen lassen. Nichts soll auf einen Serienkiller deuten, weswegen es auch niemals eine Person aus dem näheren Umfeld des Professors treffen darf. Und überhaupt tötet er nur selten und kontrolliert, ungefährt zweimal pro Jahr. „Exklusivmorde“ nennt er dies und grenzt sich damit vom maschinellen, immer gleich vorgehenden Serienmörder ab.
Antonio Altarriba hat mit seiner Figur unübersehbar eine Art böses Alter Ego seiner selbst erschaffen. Dieser Schritt ist nachvollziehbar, bringt aber auch einige Nachteile mit sich: Emilio Rodriguez ist, wie Altarriba in der realen Welt, Professor an der Universität des Baskenlandes, außerdem sind beide altersmäßig nicht weit auseinander und sie sehen sich sogar ziemlich ähnlich. Das führt natürlich zwangsläufig dazu, dass sich der Autor gut in seinen fiktiven Professor, zumindest was die Lebensumstände betrifft, hineinversetzen kann. Tatsächlich scheint es beim Lesen an vielen Stellen so, als habe Altarriba hier Themen verarbeitet, die ihn auch in seinem eigenen Leben beschäftigen. Ich, der Mörder zeigt nämlich nicht nur einen eiskalten Mörder mit sehr speziellen Moralvorstellungen, es porträtiert auch einen Mann, der gefangen ist in der Ehe und sich seine Befriedigung bei jungen Frauen sucht. Jemand, der mit den Mechanismen des Universitätsbetriebs kämpfen muss und mit der Kontroverse rund um die baskische Unabhängigkeitsbewegung konfrontiert wird. All diese Nebenplots wirken in ihrer Gesamtheit doch recht gezwungen, werden sie doch nur hin und wieder angerissen und weisen keine konkrete Verbindung zum leitenden Motiv „Mord als Kunst“ auf.
Und das ist durchaus schade, denn wäre die Story nicht mit Nebensächlichkeiten überfrachtet, wäre mehr Platz gewesen, um die Psyche des Mörders zu beleuchten. Oder um ein cleveres Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei zu inszenieren. Der Comic bleibt in dieser Hinsicht eher oberflächlich. Es wird viel gesprochen – meist handelt es sich dabei um durchaus anspruchsvolle Diskurse – und viel aus dem Off kommentiert. Aber richtig gehaltvoll ist höchstens letztgenanntes, dann wenn der Killer in seinen Gedanken ganz auf sich allein zurückgeworfen wird. Vielleicht hätte Altarriba seine Erzählung besser in einem ihm nicht ganz so nahen Setting verortet, um sich aus der Distanz heraus auf den Kern seiner Geschichte konzentrieren zu können.
So bleibt am Ende der Eindruck eines soliden, lesenswerten Thrillers, der aber schlichtweg zu verkopft ist und sich in Nebenschauplätzen verirrt. Die Bilder von Keko passen mit ihren dicken, schwarzen Strichen sehr gut zur Story, die ohnehin von eher deprimierender Natur ist. Von daher gibt es eine gewisse Übereinstimmung zwischen den Schwarz-Weiß-Zeichnungen und dem nüchternen Plot. Auch das Rot, welches als einziger Farbton äußerst sporadisch zum Einsatz kommt und das bei den Morden auftretene Blut publikumswirksam indiziert, funktioniert im Zusammenhang mit dem Konzept des Comics gut. Kekos Artwork hat allerdings immer dann Schwächen, wenn es komplexere Hintergründe in den Panels gibt, denn diese wirken seltsam verwaschen, fast wie überzeichnete Fotografien. Das ist zum Glück nur auf wenigen Seiten der Fall, ist aber beim Betrachten trotzdem gewöhnungsbedürftig.
Verkopftes Psychogramm eines intellektuellen Mörders; lesenswert aber mit einigen Schwächen
avant-verlag, 2015
Text: Antonio Altarriba
Zeichnungen: Keko
Übersetzung: André Höchemer
136 Seiten, Duoton, Hardcover
Preis: 24,95 Euro
ISBN: 978-3-945034-32-3
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