Rezensionen

Gigantomachie

Das Wort „Gigantomachie“ bezeichnet normalerweise die Gigantenschlacht der griechischen Götter. Kentarō Miura, der dieses für den Titel seines Mangas heranzog, ist vor allen Dingen für sein Langzeitprojekt, die Fantasy-Saga Berserk, bekannt. Jetzt legte der japanische Künstler einen nicht minder fantasievollen Einzelband vor. Ein in mehrfacher Hinsicht verstörendes Werk …

© Panini Manga

© Panini Manga

Dabei fängt alles ganz harmlos an: Delos, ein plumper Krieger, und Prome, ein blondes Mädchen, durchqueren als ungleiches Paar eine Wüste. Wieso sie das genau tun, bleibt, wie so vieles in diesem Comic, rätselhaft. Aber zumindest werden die beiden Hauptfiguren zu Beginn klar als symbiotisches Duo umrissen, das sich einer Quest, einer ungewissen Reise verschrieben hat. Doch schnell fallen einem beim Lesen die vielen kleinen Merkwürdigkeiten auf.

Da ist z.B. der Umstand, dass Prome von einer seltsamen Spezies abzustammen scheint. Deshalb spricht sie von sich auch ausschließlich in der dritten Person. Zugegeben, das entbehrt nicht eines gewissen (schrägen) Humors. Aber hier endet Miura in seiner Darstellung nicht. Das Mädchen hat auch spezielle Fähigkeiten, so kann es etwa Wasser aus der Luft sammeln und es über ihren Körper wieder abgeben. Mit einem Rock bekleidet stellt sie sich gar auf Delos‘ Schultern und bietet sich als lebender Wasserhahn bzw. Dusche, an um den müden Herren munter zu machen. Dessen Bedenken zerstreut sie mit dem Satz „Sieh nach oben und geniess die Aussicht“. Wie man als Autor auf so eine Idee kommt, ist wohl nur schwer zu beantworten. Umschlungen finden sich immer wieder derartige sexuelle Anspielungen, die, selbst wenn man Prome als Frau oder göttliches Wesen interpretieren wollte, aufgrund der Mädchenoptik nicht wirklich angemessen scheinen. Als sie auf ein altes Eingeborenenvolk treffen, das auf Insekten reitet, lässt sie durch Lecken das Horn eines Käfers auf magische Weise wachsen. Und zum Schlussakkord entdeckt sie dann noch, dass die Baumgottheit eine deutlich sichtbare Vagina besitzt.

© Panini Manga

© Panini Manga

So viel zum bedenklichen Subtext von Gigantomachie, den ich hoffentlich nicht als einziger so verstanden bzw. missverstanden habe. Im Vordergrund steht die große Postapokalypse. Wir befinden uns in einer weit entfernten Zukunft, nachdem eine nicht näher spezifizierte Katastrophe die Zivilisation umgewälzt hat. Auf der einen Seite existieren nun die friedliebenden Gemeinschaften diverser Spezies, auf der anderen gibt es die Bedrohung durch das Kaiserreich. Letzteres hat sich der Titanen bedient, riesiger, übermächtiger Monster, die mit ihren obskuren Designs schon mächtig beeindruckend daherkommen.

Miura weiß diese imposanten Szenen gekonnt umzusetzen. Sein Artwork besticht mit detaillierten Schraffuren und betontem Gigantismus. Nur die Handlung wirkt extrem verkürzt, im Prinzip auf zwei ausschweifende Kämpfe reduziert. Die sind zwar interessant anzusehen, begeben sich mit ihrem Mix aus Wrestlingmoves und markigen Sprüchen aber in ein Gefilde am Rande der Albernheit. Sollte das alles weniger als Horror-Fantasy gedacht sein, sondern als ironisch-humorige Erzählung, so hat das Ergebnis meinen Geschmacksnerv leider verfehlt.

© Panini Manga

© Panini Manga

Dabei bietet gerade die fein ausgeschmückte Gigantenwelt großes Potential, der Erfolg von Attack on Titan macht es ja vor. Gigantomachie verblasst dem gegenüber, weil es absurde Elemente mit guten Horror-Designs zu verknüpfen versucht. Die Story hat keinen richtigen Anfang und kein rundes Ende, die Figuren sind kaum greifbar, ihre Intention bleibt unklar. Da fragt man sich nach der Lektüre zwangsläufig, was das Ganze eigentlich sollte. Außer ein paar schönen Bildern blieb bei mir jedenfalls nicht viel hängen.

Schöne Bilder, seltsame Story; aus der Idee hätte man mehr herausholen können

Gigantomachie
Panini Manga, 20154von10
Text/Zeichnungen: Kentarō Miura
Übersetzung: Yuko Keller
236 Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis: 7,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-275-9