Nach dem ausschweifenden Krieg gegen die Froschmonster muss sich die Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen (B.U.A.P.) neu ordnen. Die Vergangenheit hat für die einzelnen Mitarbeiter gewaltige Veränderungen mit sich gebracht. Als Höllenkreaturen und Dämonen vermehrt ihren Zugriff auf die Erdbevölkerung wagen, offenbart sich darin für die Behörde eine neue Bedrohung, die es erneut zu bekämpfen gilt.
Bereits zum vierten Mal hat Cross Cult einen ziegelsteinartigen „Hellboy Universum“-Band publiziert. In diesen Bänden werden verschiedenste US-Miniserien oder Einzelhefte aus der von Mike Mignola erschaffenen Comicwelt gebündelt. Und da Hellboy selbst seit einigen Jahren als Einzelgänger in seiner eigenen Reihe unterwegs ist (die auf Deutsch auch weiterhin regulär erscheint) und das Geschehen rund um die Figuren der B.U.A.P. stets weiter expandiert ist, weisen die Megabände zumeist einen hohen B.U.A.P.-Anteil auf. So wird man zukünftig unter anderem auch die Soloserie des Fisch-Hybriden Abe Sapien integrieren müssen. Das Mignolaverse, so viel steht fest, dreht sich längst nicht mehr zentral um den roten Höllenjungen. Zu viele großartige Figuren und Geschichten wurden bis dato abseits von diesem entwickelt und etabliert. Das jüngste Beispiel stellt der zweite, umfassende Storyzyklus „Hölle auf Erden“ dar, zu diesem man in der vorliegenden Ausgabe gleich fünf, grob auf einander aufbauende Erzählungen präsentiert bekommt.
Den Anfang macht „Neue Welt“, eine Episode, die die Nachwehen des Froschkrieges zeigt. Abe Sapien untersucht auf eigene Faust die unheimlichen Vorfälle in einer entlegenen Kleinstadt. In den angrenzenden Wäldern trifft er schließlich einen alten Bekannten. Gezeichnet wird die Story vom bewährten Stammkünstler Guy Davis. Im darauf folgenden Kapitel „Götter und Monster“ gestaltet Davis nur noch die erste Hälfte und verabschiedet sich damit vorerst von der B.U.A.P.. Ein Umstand, den ich bedauere, hat Davis gröberer Stil doch die Optik der Serie über lange Zeit geprägt. Seine Monsterentwürfe waren brillant, der Strich perfekt harmonierend mit den Farben von Dave Stewart. Ihn abgelöst hat schließlich Tyler Crook. Auch er ist ein guter Zeichner, arbeitet aber mit wesentlich runderen, ruhigeren Linien. Im Ergebnis konnte ich mich an diesen weniger markanten Stil, gerade im Kontrast zu Davis‘ Artwork, nur schwer gewöhnen. „Götter und Monster“ fährt derweil auch inhaltlich zweigleisig: Zum einen geht es um eine Gruppe jugendlicher Nomaden, die ein Mädchen mit hellseherischen Fähigkeiten verehrt. Danach hat es die abtrünnige Liz Sherman mit einer religiösen Sekte zu tun.
Ebenfalls von Tyler Crook gezeichnet wurde die dritte längere Geschichte im Band, „Russland“. Von dort erreicht die Behörde der Hilferuf eines Militärs, der besonders darauf erpicht ist, den geisterhaften Johann Kraus kennenzulernen. Für Johann erweist sich die Mission als Wendepunkt in seiner Existenz. Es ist interessant zu sehen, dass die B.U.A.P. auch nach dem Verlust von illustren Mitgliedern wie Hellboy, Roger oder Captain Daimio noch einige starke Figuren beinhaltet und diese von Mike Mignola und John Arcudi (die gemeinsamen Autoren fast aller Stories) gezielt an unterschiedlichen Orten agieren beziehungsweise in dem Mittelpunkt rücken lassen. Neben der Vielzahl großartiger Zeichner, die das Universum inzwischen bereichert haben, ist dies ein weiterer Pluspunkt der Reihe. Das Kapitel „Russland“ wird im übrigen ergänzt um einen kurzen Epilog, der von Hellboy-Stammzeichner Duncan Fegredo zu Papier gebracht wurde.
Mein persönliches Highlight des dicken Wälzers ist die etwas kürzere Geschichte „Der schleichende Tod“, der Johann mit einem kleinen Team erneut in die Wälder führt, die auch Abe Sapien vor kurzem erst bereiste. Hier ist nicht nur der Inhalt äußerst dramatisch und gelungen getextet, sondern auch das Artwork von James Harren ist hervorragend. Deutlich detailreicher als Crook geht der Zeichner dabei zu Werke und erschafft damit hervorstechende Comicseiten. Von diesem Künstler würde ich gerne noch viel mehr sehen.
Demgegenüber fällt der Schlussakkord mit Cameron Stewarts kurzem Gastspiel „Exorzismus“ dann doch ziemlich ab. In der von Stewart nicht nur gezeichneten, sondern auch zusammen mit Mignola verfassten Story geht es um einen Einsatz der Agentin Ashley Strode, der sie in einen Kampf mit einem mächtigen Dämonen und an den Rand der Höllenpforten führt. Leider ist dieser Abschluss grafisch vergleichsweise schnörkellos und brav geraten und ist auch von seiner Handlung her nicht sehr spektakulär. Unterhaltsam ist „Exorzismus“ durchaus, die vorangegangenen, enger mit dem roten Faden der Serie verbunden Erzählungen haben die Messlatte aber deutlich höher gelegt.
Besonders erfreulich und aufschlussreich für den Leser sind die Einblicke ins Skizzenbuch und die Kommentare der Zeichner, die am Ende jedes Kapitels abgedruckt sind. Erst bei dieser Lektüre bemerkt man oftmals erst, welcher Gedanken und Aufmerksamkeit es bedarf, neue Kostüme, Figuren oder Monster zu kreieren und über verschiedene Künstler hinweg ein kohärentes Konzeptdesign aufrechtzuerhalten.
Alles in allem kann der Beginn des Zyklus „Hölle auf Erden“ überzeugen, vermag jedoch dem Vergleich mit den turbulenten Geschehnissen gegen Ende des ersten Zyklus noch nicht standzuhalten. Die Macher haben allerdings noch viele Ausgaben lang Zeit, ihren Plot dahingehend zu entwickeln.
Abwechslungsreicher Sammelband auf einem insgesamt hohen Niveau, auch wenn manche Kreative und Stories mehr begeistern als andere
Cross Cult, 2015
Text: Mike Mignola, John Arcudi, Cameron Stewart
Zeichnungen: Guy Davis, Tyler Crook, Duncan Fegredo, James Harren, Cameron Stewart
Übersetzung: Frank Neubauer
576 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 50 Euro
ISBN: 978-3-86425-566-3
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