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Deep Beyond 1

Tentakelbewehrte Unterwassermonster bedrohen die Menschheit, während ein seltsames Virus um sich greift. Terroristische Splittergruppen bedrohen die öffentliche Ordnung. Drei Schwestern finden nicht mehr zueinander. Der Auftakt von Deep Beyond gerät abwechslungsreich.

Unten lauert immer das Übel: der Hades, die Hölle, der Hobbykeller – wer in Horrorfilmen treppab geht, hat den Kündigungsvertrag mit seinem Diesseits längst unterschrieben. Diese Semiotik ist uns in die menschliche DNA eingeschrieben, Katholiken, Fußballfans und mittelalterliche Burgherren teilen das Wissen, dass ‚oben‘ grundsätzlich besser ist als ‚unten‘. Die Tiefsee ist dementsprechend ein Ort, vor dem wir uns fürchten sollten. Alexander Braun hat in seinem Ausstellungsband über Horrorcomics (begleitend zur Dortmunder Ausstellung) diesem Motiv ein ganzes Kapitel gewidmet (hier Alexander Braun im Splittercast).

Alle Abbildungen © Splitter Verlag

Dass in Deep Beyond kein Paradies auf die Menschen wartet, ließe sich bereits dem eindringlichen Cover des amerikanischen Zeichners Dan Panosian (ursprünglich das Cover für #2) entnehmen. Die blauen Luftblasen, die vor der rot leuchtenden Tauchermaske aufsteigen, nehmen die verzerrten Formen von Totenköpfen an. Das kann ja nichts Gutes verheißen.

Die Handlung versetzt uns in eine zukünftige Welt des Jahres 2085, in so eine Es-ist-nicht-alles-gut-gelaufen-Zeit, vorsichtig gesagt, oder in eine Wir-haben-es-natürlich-verbockt-Zeit: „Ausufernde Umweltverschmutzug, unkontrollierter Fleischkonsum und eine totale Technikabhängigkeit“, das klingt soweit eher nach einer aktuellen Tagesschau-Sendung als  nach Science-Fiction …

Um das Setting im Ansatz zu verstehen, müssen wir aber an den Punkt springen, als die Ereignisse ihren Lauf nahmen. Alles begann im Moment des Jahrtausendwechsels, als alle Digitalnaiven befürchteten, die Welt würde zusammenbrechen, weil die Computer nicht mit der Datumsumstellung zurechtkämen, der so genannte Millennium-Bug (oder Y2K-Bug). In Deep Beyond ist genau das eingetreten, aber zeitgleich hat sich etwas ereignet, das als „die Kontamination“ bezeichnet wird. Fortan war „Geh mal raus an die frische Luft“ kein guter Ratschlag mehr für niemanden. Bis heute, d.h. im Jahr 2085, hat die Gesellschaft nicht recht verstanden, was geschehen ist, aber Tentakelmonster machen seither die Welt unsicher. „Anomalien“ nennen die Figuren die todbringende Bedrohung.

Die Gesellschaft der Zukunft hat sich mit den Gefahren arrangiert, sie leben in von der Außenwelt hermetisch abgeriegelten Arealen, so genannten Kolonien. In Kolonie B-34 leben die Schwestern Eve und die beiden Zwillinge Pam und Jolene drei Leben, wie sie kaum unterschiedlicher sein könnten. Während Eve in hoher Machtposition die Geschicke der Kolonie lenkt, hat sich Pam voll und ganz der Wissenschaft verschrieben und ist tief im Nordatlantik verschollen. Jolene wiederum hat sich einer Gruppe von Staatsfeinden angeschlossen, deren Ziele im Laufe des ersten Bandes zwar noch unklar bleiben, die sich aber die Suche nach Pam machen, wohingegen Eve keine Anstalten macht, ihre Schwester zu retten. Als Jolene und ihre Crew am Meeresgrund ankommen, entdecken sie Abgründe, die ihnen Rätsel aufgeben. Und uns ebenso.

Die abenteuerliche und actionreiche Handlung führt rasant durch den ersten Band, die Schwesternkonstellation ist nicht sonderlich komplex, deutet aber schon an, dass hier noch ein Twist erfolgen wird. Die Figuren sind in ihrer Konfiguration überschaubar und sehr funktional angelegt: die Guten, die Bösen, die Zweifelhaften. Durch Rückblenden und Traumsequenzen brechen Andolfo und Goy aus dem Und-dann-und-dann-Modus ab und an aus, ohne besonders avanciert in ihrer Erzählweise zu werden. In grafischer Hinsicht ist es Andrea Broccardo gelungen, die Schrecken der Tiefe möglichst schön in Szene zu setzen, was vor allem der Kolorierung von Barbara Nosenzo (Die Ballade von Halo Jones, hier die Rezensionen von Band 1 und Band 2 auf Comicgate) zu verdanken ist.

Besonders einprägsam ist die glatte Ästhetik wiederum meist nicht. Was dem Band gut gelingt, ist ein geschickter Umgang mit Andeutungen, Auflösungen und Elementen, die die Handlung vorantreiben: unterhaltsame Popcorn-Lektüre.

Die Serie ist in 12 Heften zwischen Februar 2021 und Februar 2022 bei Image Comics erschienen und wird bei Splitter in drei Bänden abgeschlossen sein. Band 2 ist für August 2022 angekündigt.

Unterhaltsame Lektüre ohne Experimente

7von10Deep Beyond 1
Splitter Verlag, 2022
Text und Zeichnungen: Mirka Andolfo, David Goy, Andrea Broccardo, Barbara Nosenzo
Übersetzung: Katrin Aust
112 Seiten, Farbe, Hardcover
Preis: 19,80 Euro
ISBN: 978-3-96792-232-5
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