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Erlangen-Tagebuch 2016, Tag 3

Alle zwei Jahre bildet der Comic-Salon Erlangen für vier Tage den Nabel der Comicwelt. Wir sind natürlich auch dort und präsentieren an unserem Stand die neueste Ausgabe des Comicgate-Printmagazins zum Thema „Text in Comics“. Von dem, was sonst so passiert, berichten wir in diesem Messetagebuch: Im täglichen Wechsel schreiben CG-Redakteure über den vergangenen Tag, aus ihrer persönlichen, subjektiven Sicht und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Heute: Alexander Lachwitz über den dritten Salon-Tag, Samstag, den 28. Mai
(und hier geht es zu Tag 1Tag 2 und Tag 4)

Wenn es einen Tag gibt, der den Comicsalon am besten widerspiegelt, dann ist das wohl der Samstag. Der höchste Besucherandrang vereinigt sich mit dem Wissen, dass am nächsten Tag schon Aufbruchsstimmung herrschen wird. So zeigte sich der Salon an diesem Samstag bei strahlendem Sonnenschein von seiner schönsten Seite, was nicht nur dem großen Comic-Trödelmarkt und diversen Live-Veranstaltungen vor der Heinrich-Lades-Halle zu Gute kommt.

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Wer nicht schon an den anderen Tagen die großen Comiceinkäufe und Signierveranstaltungen erledigt hat, wird es gestern schwer gehabt haben. Zwar sind am Samstag so ziemlich alle Zeichner da, aber dementsprechend lang sind auch die Schlangen, erst recht bei Carlsen, Splitter und auch Panini. Bei letzteren war es zumindest zeitweise etwas ruhiger. Anders als in den Vorjahren hat Panini eine eigene Halle für sich bekommen, die aber leider nicht ohne weiteres aufzufinden ist. So hat die Strahlkraft von Panini spürbar Mühe gehabt, größere Besuchermengen in die Nebenhalle zu ziehen. Auf der anderen Seite konnte Panini mit seinem Programm mühelos die gesamte Hallenfläche bespielen und die Warteschlangen haben die anderen Verlagsstände nicht blockiert, etwas, was sonst leider öfters die Regel ist. Man sieht, die Ideallösung ist sehr schwer zu finden.

Pfeilchen für Max & Moritz

Eines der größeren Gesprächsthemen war natürlich die Max-und-Moritz-Verleihung und die Preisverweigerung von Patrick Wirbeleit. Die Meinungen dazu sind zwiegespalten. Einerseits wird die Aktion gutgeheißen; es ist das Recht eines jeden Preisträgers, einen Preis abzulehnen. Andererseits herrscht Irritation, warum diese Aktion nicht mit seinem Partner Uwe Heidschötter abgesprochen war. Wäre dies ein gemeinsames Statement von beiden, läge der Ball nun ganz bei den Verantwortlichen des Max-und-Moritz-Preises und den gegen sie erhobenen Vorwurf, herausragende Künstler seit Jahren zu ignorieren. So kann man den Ball nun bequem zurückspielen und Wirbeleit als egoistischen Trotzkopf darstellen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Duo Wirbeleit & Heidschötter als auch die Verantwortlichen des Max-und-Moritz-Preises zu der Sache äußern und ob letztere die angebrachte Kritik aufnehmen oder ignorieren werden. Angekratzt war der Max-und-Moritz-Preis schon länger, dennoch ist und bleibt er der bedeutendste Comicpreis im deutschsprachigen Raum. Wie so oft wird es nicht darauf ankommen, welche Fehler man begeht oder begangen hat, sondern wie man damit und mit Kritik umgehen wird.

Vital wie eh und jeh

Ein Beispiel dafür, was sich aus wiederkehrenden Problemen entwickeln kann, ist die ComicSolidarity-Bewegung, die dieses Jahr gerade im Bereich der Indie-Comics ein sehr umfangreiches Programm auf die Beine gestellt hat. Gegründet im Zuge der desaströsen Behandlung der Indie- und Kleinverlagsszene auf dem Münchner Comicfestival 2013 hat sich die von Eve Jay organisierte Bewegung inzwischen zu einer festen Größe in der deutschen Nachwuchsszene etabliert.

Selbst durfte ich die Diskussionsrunde „Previously on Webcomics“ als vierte Veranstaltung der Reihe „Webcomics im Fokus“ moderieren. Aber daneben gab es noch viele weitere Veranstaltungen, für die mir leider komplett die Zeit fehlte. Es bleibt zu hoffen, dass bei Splashcomics möglichst viele Aufzeichnungen hochgeladen werden. Neben Leseveranstaltungen und Workshops zu Themen wie WordPress-Gestaltung, Patreon und Crowdfunding hat die ComicSolidarity mit einem eigenen Stand auch Nachwuchszeichnern die Möglichkeit gegeben, sich auf der Messe zu präsentieren, selbst wenn diesen ein umfangreiches eigenes Paket an Messeware fehlte. Dabei erhebt die ComicSolidarity keinen Absolutheitsanspruch. Tatsächlich fördert und kollaboriert sie auch mit anderen Aktionen wie zum Beispiel dem jährlichen FuckYeah!-Kalender von Schlogger, der inzwischen die Werke von 70 deutschsprachigen (Comic-)Künstlern beinhaltet.

Unter diesem vitalen Eindruck der Nachwuchsszene kann man die immer wiederkehrenden Standprobleme auf Messen zwar natürlich nicht ignorieren, aber etwas entspannter damit umgehen. Es gab, gibt und wird auch weiterhin immer wieder kleinere und auch größere Probleme geben. Aber solange die Indie-, Web- und Nachwuchsszene sich diese anpassungsfähige Vitalität bewahrt, wird sie hierzulande nicht untergehen. Im Gegenteil, die großen Verlage gehen mehr und mehr auf sie zu und die Verteilung der Indie-Stände über den gesamten Messebereich spiegelt dieses Bild mit seinen Vor- und Nachteilen sehr gut wieder. Natürlich gibt es immer noch viel zu viele Künstler, die schon seit Jahren gute bis sehr gute Arbeit abliefern und dennoch keinen größeren Verlag finden. Und auch der Aufwand, den die Zeichner betreiben müssen, ist nicht unbedingt weniger geworden, er hat sich durch die Schnelllebigkeit der sozialen Medien und die immer noch vorhandenen technischen Hürden im Netz nur verlagert und oft auch weiter aufgeteilt. Doch dies bietet tatsächlich auch immer wieder Chancen. Man darf sich nur nicht entmutigen lassen. Und gerade diesbezüglich ist der Comic-Salon tatsächlich ein kleines Labsal, wenn man durch die Gänge schlendert und sieht, was die verschiedensten Zeichner, Autoren, Verleger und mehr alles realisieren.

Zum Ausklang eine Jugendgeschichte von Mawil

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Gegen Tagesende stand wie immer die Qual der Wahl an. Nicht nur das kulinarische Angebot der kleinen Stadt, auch das Comicrahmenprogramm am Samstag war reichhaltig. Die persönliche Wahl fiel aus mehreren Gründen auf die „Reading Panels“-Lesung von Mawils Kinderland im Theater Erlangen. Seit drei Jahren veranstaltet Katja Klengel diese Comiclesungen in und um Dresden und zeigt, wie viel erzählerisches Potenzial in diesem Unterhaltungsformat steckt. Zusammen mit Mawil erweckte das Reading-Panels-Team die wunderbare Geschichte in einer zweistündigen Vorführung zum Leben. Dabei wurden zwei Drittel des mit 280 Seiten alles andere als dünnen Buches zum Leben erweckt, ohne dass es jemals gehetzt wirkte. In ihren besten Momenten fügte die Veranstaltung dem Comic ganz neue Wahrnehmungsaspekte hinzu und das Publikum ließ es sich nicht nehmen, vehement um eine Zugabe zu bitten, auch wenn diese aufgrund des nötigen Vorbereitungsaufwandes nicht möglich war.

Noch mehr Comic-Salon-Eindrücke von Alexander Lachwitz findet man auf der-lachwitz.de

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