Autor: Christian Muschweck

Unico erwacht

Wie gelingt es den Menschen eigentlich immer aufs Neue, etwas Schönes zu erschaffen? Es kommt davon, dass die Göttin Psyche ein Einhorn zum Freund hat – diese Freundschaft inspiriert die Menschen. Da ist es nur verständlich, dass Venus, die eigentliche Göttin der Liebe und Schönheit, vor Wut und Eifersucht nur so schäumt: sie will das Einhorn, das so arglos in ihrem Revier des Schönen wildert, für immer aus dem Pantheon vertreiben und beauftragt den Westwind, Unico ans Ende der Zeit zu verschleppen. So beginnen Unicos Abenteuer.

Währenddessen… (KW 43)

Christian: Jedes Jahr im Herbst wende ich mich vermehrt den Lustigen Taschenbüchern zu. Ob das daran liegt, dass im Winter die Geschichten besser werden, kann ich nicht mit letzter Gewissheit sagen, aber LTB 602 vom September war auf jeden Fall außerordentlich interessant. Die darin enthaltene Langgeschichte mit einer neuen Legende des ersten Phantomias lohnt sich. Es gibt ja inzwischen eine unüberschaubare Menge von innovativen Konzepten für traditionelle Disney-Figuren aus dem italienischen Disney-Studio – eigentlich sind sie immer einen zweiten Blick wert. Die Legenden des ersten Phantomias erkennt man sehr schnell an der in Sepia gehaltenen Kolorierung. Das strenge grafische Konzept überzeugt einerseits in seiner stilistischen Geschlossenheit, lässt aber wenig Platz für grafische Virtuosität zu, hier müssen die Stories überzeugen, was sie, mal mehr, mal weniger, tun. Immerhin, das Konzept des ersten Phantomias bleibt interessant und birgt erzählerisches Potenzial. Der vorliegende Mehrteiler um eine Zeitreise, in der es Phantomias und seine Gegenspielerin Lady Safran in das Entenhausen der Gegenwart verschlägt, zählt mit viel Witz zu den Höhepunkten der Reihe und zelebriert ausgiebig den Kulturschock zwischen Vergangenheit …

Depikto

Ein junger Künstler läuft durch ein Spiegellabyrinth. In einer besonders raffinierten Spiegelung sieht er sich selbst von hinten, dann dreht sich sein Spiegelbild um. Erst kommen nur aus den Augen des Spiegelbilds kleine spitze Tentakel, dann verwandelt sich sein ganzer Kopf in ein Tentakelmeer. Ein lovecraftischer Albtraum.

Chester Brown: Fegefeuer und Selbstermächtigung

Toronto, 1982: Chester Brown war Mitarbeiter in einem Fotogeschäft, der in seiner Freizeit gerne zeichnete und von einer großen Comic-Karriere träumte. Seine damalige Freundin Kris überzeugte ihn, sein Material in Form von Minicomics im Selbstverlag herauszugeben, ein mutiger Schritt, über dessen Folgen sich beide zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise klar sein konnten. Chester Brown gab seiner Reihe den Titel Yummy Fur, eine Wortkomposition aus zwei nicht zusammenhängenden Begriffen, was dem Titel eine surreale Note verleihen sollte. Kris meinte, der Titel hätte eine starke sexuelle Konnotation, worauf Chester nur meinte: „Umso besser.“ Viele seiner Comics wurden seither nachgedruckt, teilweise mehrfach, aber gerade bei Chester Browns Werk lohnt auch ein Blick auf das Material, das zurückgelassen wurde. Im folgenden Essay soll der Blick sowohl auf die bekannteren als auch auf die vergessenen Comics von Chester Brown gelenkt werden, da zwischen diesen beiden Polen eine interessante Wechselwirkung zu erkennen ist. Es wird uns einen neuen Blick auf den Menschen Chester Brown ermöglichen.