In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche sonst noch so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Gibt es eigentlich regionale Filme, die genauso mitreißend sind wie die aktuellen amerikanischen Fernsehserien? Na, und ob – gerade fällt mir der Krimi Das Unsichtbare Mädchen von Dominik Graf aus dem Jahr 2011 als passendes Beispiel ein. Der lief diese Woche auf Arte und wird am Samstag, dem 20.06., noch einmal wiederholt (ist aber auch noch in der ZDF-Mediathek zu sehen und als preiswerte DVD zu haben). Dominik Graf hat ein gutes Gespür für aktuelle zeitliche Strömungen und legt großen Wert darauf, Orte so authentisch wie möglich zu inszenieren. Bei ihm hat das Genre Heimatkrimi nichts Gemütliches. Im Gegenteil: Bei Graf wird das tschechische Grenzland zu unserer ganz eigenen mexikanischen Grenze, zum Hinterhof der Hölle, wo Prostitution, Korruption und organisiertes Verbrechen blühen. Grafs Inszenierungsstil wirkt fast dokumentarisch: Es gibt nichts Schönes darin, aber auch nichts verlogen Ästhetisierendes, und auch die Spannung wird nicht künstlich über Musik oder ähnliche Tricks erzeugt, sondern entsteht rein aus der Geschichte heraus. (Dennoch gibt es ab und an verhaltene Filmmusik, die an die experimentelle Phase des Ennio Morricone erinnert und natürlich gezielt darauf verweist.) Ganz im Gegensatz zur dokumentarischen Anmutung des Films geschehen in Das Unsichtbare Mädchen einige unerhörte Dinge, die so sehr Genre sind, dass man sie im deutschen Film nicht für möglich gehalten hätte. Man muss es sehen, um es zu glauben. Das Unsichtbare Mädchen ist ein echtes deutsches Filmwunder, das die europäischen Dirty Pictures der 60er und 70er Jahre in die moderne Zeit trägt.
Wer ein bisschen mehr über Dominik Graf wissen will und wie der Mann so tickt, dem empfehle ich die folgenden Links:
Die Zeit, 2007: Lernt schlechte Filme
Die Zeit, 2014: Das Experimentelle wird aus der Primetime vertrieben
Berliner Morgenpost 2015: Dominik Graf empfindet Shitstorms als lehrreiche Erfahrung
Torrent Magazine: “Das deutsche Kino mit den Mitteln der TV-Serie fortsetzen”: Dominik Graf im Gespräch
Benjamin: Immer einen virtuellen Besuch wert ist das Blog des Berliner Comicladens Grober Unfug. Nicht nur, aber gerade für Leser von US-Comics finden sich hier regelmäßig interessante Kommentierungen und Einordnungen, die weit über die Kundenpflege und -empfehlung hinaus gehen. Erst vor einigen Tagen wurde dort beispielsweise ein Beitrag online gestellt, der die Themensendung der Webshow DC All Access zur Historie von schwulen und lesbischen Figuren des DC Verlages aufgreift. Das „Unfug“-Blog erweitert den im Video präsentierten Kreis und verschafft einen Überblick der aktuellen Lage im Hause DC. Nicht die erste Ausführung der Berliner, die es sich zu lesen lohnt.
Andi: Wir wissen ja eigentlich alle, dass mit unseren Daten im Web von vielen Seiten extrem Schindluder getrieben wird. Aber für die meisten ist das Thema Datenschutz dann doch zu abstrakt, um sich wirklich damit auseinanderzusetzen und zu Recht empört zu sein. Ändern möchten dies die Macher der „personalisierten“ Webserie Do Not Track, von der mittlerweile alle sieben Folgen online stehen.
Datenhandel, Online-Profiling, das Handy als Überwachungsgerät, Algorithmen, die entscheiden, was wir zu sehen bekommen – das internationale Team aus Journalisten und Filmemachern im Zusammenschluss mit öffentlich-rechtlichen Sendern (darunter ARTE und der BR) knöpft sich den ganzen Themenkomplex vor. Dies geschieht aber in verdaulichen ca. zehnminütigen Episodenhäppchen. Aufgepeppt sind die Folgen – und daher der „Personalisiert“-Zusatz – mit der Möglichkeit (nach Registrierung), auch Experimente mit den eigenen Daten durchzuführen und sein Onlineverhalten analysieren zu lassen. Das ist zuweilen etwas hakelig und unübersichtlich geraten, aber insgesamt eine schöne, anschauliche Idee, um die Verletzlichkeit unserer Privatsphäre im Netz zu demonstrieren – und wie wir alle mehr oder weniger freiwillig Komplizen unserer Überwachung sind.
Insgesamt ist diese empfehlenswerte Webserie sehr informativ und kurzweilig geraten. Und an vielen Stellen schnappt wahrscheinlich auch so mancher vermeintliche „Digital Native“ noch überrascht oder geschockt nach Luft. Etwas tröstlichen Rat, was wir dagegegen unternehmen können, den Datenhunger von Unternehmen und Geheimdiensten zu stillen, gibt es glücklicherweise auch.
Frauke: Heute startet bei SyFy USA die Serie Killjoys, die mit „Kopfgeldjäger im Weltraum“ wohl ganz gut beschrieben werden kann. Das sich sowieso oft lohnende Webmagazin AV Club hat die Pilotfolge schon gesehen und schreibt der Serie Elemente aus Battlestar Galactica, Firefly und Orphan Black zu, was sich sehr verlockend anhört. Allerdings wird die Ausführung der Ideen eher verhalten gesehen. Die New York Times ist da enthusiastischer und freut sich über eine unterhaltsame Serie mit einer steampunk sauciness. Hier der Trailer:
Frauke: Vor kurzem entdeckt: Das 15-minütige Epos Dschungelabenteuer von Prinz Pi und Kollegah, im Stile eines Animated Comics gehalten.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.