In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Zwei Filmtipps von Christian: Noch fehlt mir die Möglichkeit, die neue Fernsehserie His Dark Materials nach Philipp Pullmans gleichnamigen Roman zu streamen. Also habe ich die Gelegenheit genutzt, mir endlich den Kinofilm von 2007 anzusehen, wohl wissend, dass für den Film – er hat den Titel Der Goldene Kompass – die verstörenden Elemente der Romanvorlage entschärft worden sind. Die Verfilmung ist vor allem auf Grund der fantastischen Schauspieler sehr sehenswert geraten. Dakota Blue Richards war für die Rolle der Lyra ein echter Glücksfall und Nicole Kidman als frostige Ice Queen natürlich Idealbesetzung. Aber auch die Kulissen und die Kostüme überzeugen und die notwendigen CGIs – immerhin sind sprechende Tiere wichtige Handlungsträger – sind ebenso ansehnlich geraten.
Trotzdem ist es gut, dass es bei dem einen Film geblieben ist, denn durch die Umschiffung von problematischen Inhalten hat man sich gerade gegen Ende des Films in eine Sackgasse manövriert, aus der eine Fortsetzung nur schwer wieder herausgefunden hätte. Umso besser, dass Sky jetzt einen Relaunch angeht, denn im weiteren, bisher unverfilmt gebliebenen Verlauf der Story, wird die Story erst so richtig episch.
Ein Kernelement von Pullmans Trilogie ist, dass die Handlung in einer Parallelwelt spielt, in der die Seele eines jeden Menschen sich in Form eines tierischen Dæmon manifestiert, der das Wesen seiner Bezugsperson nach außen hin für alle sichtbar verkörpert. Während die Dæmonen von Kindern ihre Gestalt wandeln können, legen sie sich während der Pubertät auf eine besonders charakteristische Erscheinungsform fest, die sich dann nicht mehr ändern wird. Für die Kirche ist dies der Verlust der Unschuld und die Manifestation von Sünde, weshalb sie Kinder frühzeitig durch einen Schnitt mit scharfer Klinge von ihren Dämonen lösen will – kein rein mechanischer Vorgang selbstredend, es braucht schon eine metaphysische Klinge. Durch die dauerhafte Trennung versprechen sich die geistigen Führer, dass die Kinder nicht der Sünde verfallen und dauerhaft brave Schäfchen bleiben. Für die Kirche ein Schritt zur Zivilisation, in Wahrheit ein schändlicher, schädigender Eingriff.
Das böse Zerrbild der Kirche war den Evangelikalen in Amerika ein Dorn im Auge, weshalb man zum Boykott des Films aufrief. Der Engländer Philipp Pullman schien schlimmer noch als Richard Dawkins, war es doch sein offensichtliches Anliegen, bereits die Kinder mit seinen schädlichen Gedanken zu beeinflussen. Ach, was hatte man nicht an C.S. Lewis und seinen allegorischen Narnia-Geschichten. Konnte Pullman nicht auch ein bisschen sein wie er? Von Lewis‘ Werken gab es aber ja auch eine ganze Filmreihe. Man sollte den Einfluss des Bible-Belt in Amerika wirklich nicht kleinreden.
Auch in Lucio Fulcis großartigem Film Don’t Torture a Duckling von 1975 geht es darum, dass bei Kindern irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem sie ihre ersten Sünden begehen. Rauchen, Sexbildchen angucken, Nutten beobachten – der Möglichkeiten gibt es viele, sein Seelenheil auf Spiel zu setzen. So lange es ihre größte Freude ist, mit dem jung gebliebenen Dorfpfarrer Fußball zu spielen, ist alles noch gut und gottgewollt, aber irgendwann ziehen sie dann los, die Ragazzi, und besudeln sehenden Auges ihre Reinheit. Und auch wenn die Erwachsenen im Dorf auf den ersten Blick sympathisch wirken: Sie alle haben längst den menschlichen Makel an sich. Wehe denen, die in Krisenzeiten nicht auf der Seite der Dorfgemeinschaft stehen, sondern eigene Wege gehen.
Lucio Fulco hat mit Don’t Torture a Duckling ein faszinierendes Sittenbild eines untergegangenen Italiens entworfen. Er verklärt in keiner Szene die Volksfrömmigkeit der bäuerlichen Bevölkerung, sondern zeigt ein düsteres Bild von Engstirnigkeit, das auch heute noch relevant ist. Ob die italienische Landbevölkerung nach diesem Film noch gut auf den alten Regieberserker zu sprechen war, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Lucio Fulci ist ein Regisseur, den es wiederzuentdecken lohnt. Ich selbst habe lange gedacht, er wäre eine Art Ed Wood des italienischen Kinos, über dessen groteske Horrorfilme aus den 1980er Jahren man heutzutage nur noch lacht. Dabei ist es überaus spannend, sich mit dem Werk dieses Mannes auseinanderzusetzen, dessen berüchtigte Horrorfilme nur einen kleinen Teil eines weitaus vielschichtigeren Gesamtœuvres bilden. Völlig berechtigt, dass die Zeitschrift Deadline ihm erst kürzlich ein ganzes – sehr lesenswertes – Buch gewidmet hat.
Eine Spielempfehlung von Niklas: Im August schrieb ich etwas über ein kommendes Adventure zum Comic Blacksad von den Pendulo Studios. Vor einigen Wochen wurde es veröffentlicht und ich habe es mir mal angeschaut. Gleich vorweg: das Spiel ist verbugt. Zwar nicht so sehr, dass es ständig abstürzen würde oder Spielstände korrumpiert, aber es gibt viele visuelle Fehler, die ganze Szenen kaputtmachen. Zum Beispiel, wenn ein Schläger Privatdetektiv John Blacksad mit einer Pistole bedroht und die Knarre über dessen Hand positioniert wird oder wenn die Hauptfigur ein kleines Mädchen zudeckt und sie dann plötzlich über dem Bett schwebt, als wäre sie von bösen Geistern besessen. Die Tastatursteuerung ist umständlich, ich habe aber gehört, dass sich das Spiel mit Controller besser spielt. Audioprobleme gibt es auch, also schaltet besser die Untertitel ein.
Blacksad: Under the Skin besitzt wenig Rätsel, meistens drehen sie sich darum, einen versteckten Gegenstand zu finden. Im Vordergrund stehen die Ermittlungen und das Befragen von verschiedenen Charakteren. Blacksad ermittelt den scheinbaren Selbstmord eines Boxtrainers und das Verschwinden eines aufstrebenden Boxers. Nach und nach wird aus einem Selbstmord ein Mord, und die Hintergründe sind weitaus komplexer und korrupter, als man auf den ersten Blick sieht. Blacksad: Under the Skin erzählt eine spannende Geschichte über Korruption und Liebe. Die beiden Themen greifen perfekt ineinander und die Handlung wird zum größten Teil sehr bodenständig erzählt. Das Spiel gibt sich viel Mühe, mit einigermaßen realistischen Figuren, einen düsteren Fall über echte Menschen (oder Tiermenschen) zu erzählen. Ich kaufe den Entwicklern dieses New York der 1950er ab. Nur im letzten Viertel wird es etwas schräger, woran man merkt, dass das Spiel von den Pendulo entwickelt wurde. Die haben sich mit Spielen wie Runaway: A Road Adventure und Yesterday Origins einen Namen gemacht und zu ihren Markenzeichen gehören abgedrehte Rätsel und exzentrische Charaktere. Zum Schluss hin drehen die Entwickler also etwas durch und bauen ein paar Elemente aus den Pulps ein und der Ton wird etwas surrealer. Aber das hilft dabei, einen der großen Twists aufzubauen, der innerhalb der Handlung Sinn ergibt.
Blacksad: Under the Skin ist vollvertont und die Sprecher sind größtenteils auch gut. Gerade der Blacksad-Sprecher gibt dem Kater eine sehr tiefe Stimme, die perfekt zur Hauptfigur passt. Was leider nicht ganz so passt, sind die Gesichter einiger Figuren, die manchmal nicht die Mimik zum Gesagten besitzen. Sie wirken noch etwas steif und starr und ich hoffe, dass die Pendulostudios das spätestens in einem Nachfolger beseitigt bekommen. Insgesamt gefällt mir Blacksad: Under the Skin und ich sehe es als den nächsten Schritt zu den Telltale-Adventures der letzten Jahre, die ja auch mehr auf Geschichten denn Gameplay setzten: mehr Budget, mehr Story und noch mehr Inszenierung. Wer das Spiel kaufen möchte, sollte sich wegen der Bugs noch etwas Zeit lassen.
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