In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Vor ein paar Monaten wusste ich, dass ich für eine Freundin das perfekte Geschenk gefunden habe: Ein Abonnement des Mosaik-Ablegers Anna, Bella und Caramella. Ich fand das damals aktuelle Setting, viktorianisches London mit Mary Shelley als Nebenfigur, sehr ansprechend, zudem in gefälligem Retro-Stil gestaltet, in sehr ansprechenden Farben und mit schönen Schnee-Szenen. Außerdem fand ich die drei kleinen Streberlein schon immer recht charmant – und Mosaik als eines der wenigen Kinderhefte ohne Plastik-Geraffel sowieso. (Erwachsene mögen gut gemachte Kindercomics nämlich auch.)
Aber dann der Hammer: Ich wollte als Starterkit nur noch zwei Back-Issues dazulegen, die erwiesen sich allerdings als hard to get, denn unter 10€ war keines davon mehr aufzutreiben – was noch gar nichts ist gemessen an den Preisen, die man für frühe Anna, Bella und Caramella-Hefte zahlen muss. Da wandern für den Komplettsatz der ersten 37 Hefte schon mal 350 Euronen bei Ebay über den virtuellen Ladentisch, und der Käufer ist sich vermutlich sicher, ein Schnäppchen dabei gemacht zu haben. Aber langsam purzeln die Preise, denn kurz nach meinem Abonnement kam doch tatsächlich die Ankündigung, dass jetzt endlich systematisch nachgedruckt wird, so dass man auch als Normalverbraucher noch an die frühen Stories kommt.
Die frühen Hefte ziehen ihren Reiz daraus, dass sie vom Kawaii Creative Studio in einem für Mosaik-Verhältnisse sehr modernen Stil gestaltet waren, in einer skizzenhaften Optik mit Digitalkolorierung. Dieser Stil wurde inzwischen längst abgelöst durch den deutlich retro-lastigeren Zeichenstil von Jens Fischer, der sich ebenfalls sehen lassen kann, wobei Jens Fischer jedoch deutlich mehr Wert auf detaillierte Hintergründe legt. Gerade die Hintergründe sind beim Vorgängerstudio manchmal etwas in den Tiefeneffekten der digitalen Bildgestaltung verloren gegangen.
Niklas: Ich habe wieder einen Lieblingsfilm geschaut: den Anime Jin-Roh von Mamoru Oshii, der auch Regie bei der ersten und zweiten Anime-Adaption von Ghost in the Shell führte. Jin-Roh ist Teil der Kerberos Saga, eines Franchise, die Oshii im Laufe der Jahre ausgebaut hat. Es ist der zweite von drei Filmen, von denen zwei real verfilmt wurden, während man hier eine Geschichte aus den Mangas animiert umsetzte. Der Film spielt in einem recht komplexen Alternativweltszenario, in dem Nazideutschland Japan besetzt und aus der liberalen Nation eine faschistische Diktatur gemacht hat. Hauptfigur Kazuki Fuze ist Teil einer speziellen Einheit der Polizei, die mit brutaler Gewalt Andersdenkende unterdrückt. Nachdem sich ein junges Mädchen vor seinen Augen in die Luft sprengt, ist er nicht mehr in der Lage, seinen Dienst anzutreten und wird beurlaubt. Dann trifft er die junge Frau Kei Amemiya und sie verlieben sich. Leider stoppen die Mühlen der Politik nicht und so werden beide in Intrigen konkurrierender Behörden reingezogen, die verbissen um die Macht in der Hauptstadt kämpfen.
Jin-Roh erzählt eine spannende und tragische Liebesgeschichte. Auch wenn die beiden Hauptfiguren nicht viel sagen, kaufe ich ihnen ihre Beziehung ab. Fuze und Amemiya sind zwei verlorene Seelen in einer auf den ersten Blick stabilen, aber letztlich kalten und brutalen Welt. Sie haben am Ende nur sich, aber Liebe genügt nicht, wenn das Regime gnadenlos versucht, dich zu kontrollieren. Jin-Roh dreht sich allerdings um mehr. Während die zwei Realfilme sehr surreal aufgebaut waren, bleibt der animierte Film dicht an der Realität und zeigt vor allem, was Menschen dazu motiviert, sogar in einem faschistischen Land aufsteigen zu wollen und sich anzupassen. Für Fuze ist es der Wunsch, dazugehören zu wollen, ein klares Ziel zu haben. Die Spezialeinheit bietet ihm genau das. Er wird ausgebildet, er hat feste Befehle und wenn er gut ist, wird er gepriesen und befördert. Außerdem ist er so Teil von etwas Größerem, einer Einheit, die über dem normalen Menschen steht. Auch seine blutrünstige Ader kann er ausleben, was für ihn – so wird es zumindest mehrmals angedeutet – eine sexuelle Komponente zu haben scheint. Macht über andere zu haben und sich überlegen zu fühlen, darum geht es am Ende, wenn man sich anschließt und alles abnickt.
Reibt der Film mir das ins Gesicht? Nein, die meiste Zeit wird auch hier geschwiegen. Die Bilder sprechen für sich selbst, sei es die reale Gewalt, die Fuze vollbringt oder die, die er in surrealen Albträumen auslebt. Am düstersten ist aber, wie normal dieses faschistische Japan letztlich wirkt. Die Menschen gehen ihrem Alltag nach, obwohl gar nicht weit weg von ihrem arglosen Leben intrigiert und menschenverachtende Politik betrieben wird. Jin-Roh zeigt ganz gut, wie das Böse siegt. Nämlich indem die Menschen es einfach geschehen lassen und sich um ihren eigenen Kram kümmern. Wie immer.
Jin-Roh ist immer noch sehr sehenswert. Die deutsche Synchronisation ist übrigens hervorragend, selbst wenn manche Sätze etwas holprig klingen.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.