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Währenddessen… (KW 5)

In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.

Christian: Letzte Woche trauerte ich hier in „Währenddessen“ der vergangenen Ära des italienischen Genre-Kinos hinterher, begleitet von dem Gefühl, dass die Welt in den letzten 40 Jahren doch eine komplett andere geworden ist. Gestern jedoch habe ich Lotte Reinigers Animationsfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed von 1926 gesehen, der erste abendfüllende Animationsfilm überhaupt, und mir wurde klar: Nichts hat sich wirklich geändert. Man war schon damals verrückt nach Animationsfilmen und die Menschen waren schon damals Fantasy-Nerds. Damals war es 1001 Nacht, heute ist es Mittelerde, aber sonst?

Lotte Reinigers Scherenschnitt-Optik mag auf den ersten Blick antik und von gestern wirken, auf den zweiten Blick wird schnell klar, dass solche ornamentale Kunst zeitlos ist. Liebevoll handgemacht ist ohnehin hochaktuell, digitale Kunst erscheint mir dagegen fast wie Schnee von gestern. Die absolute Kunstfertigkeit, mit denen Lotte Reiniger ihren Schattenriss-Figuren Leben einhauchte, verblüfft noch heute, ebenso die Spezialeffekte, die effektiv sind wie Zaubertricks. Am meisten ist es aber die Liebe zum Detail, die begeistert. Steigt eine Figur in Wasser, so wurde sogar die Spiegelung im Wasser simuliert – keine Ahnung, wie sie das hinbekommen haben. Auch diverse Verwandlungsszenen von Monstern und Flaschengeistern sind verblüffend, und die Technik dahinter raffinierter, als man zunächst vermutet. Obwohl die Handlung durch Schattenrissfiguren, Schattenwesen und Schattenkulissen bestimmt wird, sind aber auch die Hintergrundfarben sehr markant und erreichen eine größere Wirkung als die üblichen Farbfilter, die man aus Stummfilmen kennt.

Wer mehr über Lotte Reininger, ihr Leben und ihre poetische Kunst erfahren möchte, dem lege ich die wunderbare Doku Tanz der Schatten ans Herz, die im Zuge des Engagements des Arte-Kanals für Lotte Reiniger entstanden ist. Auch eine Gesamtausgabe ist inzwischen erhältlich.

Noch heute findet Lotte Reiningers Kunst ihren Nachhall im modernen Figurentheater, und was die Motivwahl angeht, muss ich nicht lange suchen, um auch im Comic Entsprechungen zu finden. So sehen die Monster, denen der Prinz Achmed auf der Insel Wak-Wak begegnet, aus, als wären sie einem von Lewis Trondheims Monstercomics entsprungen; die 1001-Nacht Kulisse hingegen erinnert an P. Craig Russels märchenhaftes Bagdad aus der Sandman-Story „Ramadan“. Auch P. Craig Russel ist ja bekannt dafür, dass er gerne dekorativ, verschnörkselt und zweidimensional arbeitet. Ganz wie Lotte Reiniger.

Wie schön, dass Lotte Reinigers Animationsfilme restauriert wurden und nun immer wieder gezeigt werden, – gestern, am 1. Februar in Nürnberg sogar mit Orchesterbegleitung. Da habe ich große Lust bekommen, mich in naher Zukunft noch weiter mit den Filmen der Lotte Reiniger zu beschäftigen.

Niklas: Ich bin immer wieder überrascht, wenn jemand meinen Lieblingscomic Hellboy als Einfluss erwähnt. Ich weiß zwar, dass der Comic spätestens nach den ersten zwei Filmen ein großer kommerzieller Erfolg wurde, aber trotzdem erwischt es mich jedes Mal, wenn ich Serien wie Atomic Robo lese.

Auf den ersten Blick liest es sich wie eine Kopie der bewährten Formel um den gehörnten Klugscheißer aus der Hölle: Ein starker Klugscheißer (Robo, nicht Hellboy), vermöbelt bizarre Kreaturen und Bösewichte und er benutzt die Mittel einer größeren Organisation, um durch die Welt zu reisen. Aber Atomic Robo ist keine bloße Kopie des Formats, eingekleidet in mehr Humor und mit einem Science Fiction-Anstrich. Es ist seine eigene Serie, die schon im ersten Sammelband zeigt, was wir von dieser Serie zu erwarten haben. Wo Hellboys Welt seit Jahrtausenden von mythischen Mächten beeinflusst wird, haben in Atomic Robo vor allem der Zweite Weltkrieg und der Kalte Krieg der Erde ihren Stempel aufgedrückt. Diese Konflikte sind offiziell beendet, aber trotzdem versuchen verschiedene Organisationen immer noch, aus dem Hintergrund heraus die Fäden zu ziehen, um die Welt nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Diese Gruppen sind meistens Teil des Militärs oder des Geheimdienstes, also Leute, die ihre Hochzeit in krisengebeutelten Zeiten hatten und um ihre Relevanz kämpfen, da für sie die Kriege nie endeten und auch nicht enden dürfen, wenn sie am nächsten Tag ihren Scheck abholen möchten. Ach ja und ihre alten Geheimprojekte laufen mehr als einmal am Tag Amok. Ups.

Atomic Robo steht in der Tradition der alten Science Fiction-Helden, ein Lichtbringer für eine neue, erleuchtete Welt, in der finstere Gestalten die Welt nicht mehr in ihren Würgegriff halten. Trotz Themen wie Machtmissbrauch oder dem ethischen Einsatz außergewöhnlicher Technologien nimmt sich die Serie an keiner Stelle ernst. Na gut, vielleicht ein kleines bisschen, da sich wohl jede längere Erzählung irgendwann den Gesetzen des Dramas beugen muss. Aber wo Hellboy in den letzten Jahren sehr schweigsam und schwermütig geworden ist, klopft Robo weiterhin fleißig Sprüche und lässt seine Feinde nur zu gerne wissen, warum ihr neuster Plan eine selten dämliche Idee ist. Auch wenn er schon vieles gesehen hat und schon oft miterleben musste, wie revolutionäre Entdeckungen für finstere Zwecke missbraucht wurden, lässt er sich nicht den Spaß an der Wissenschaft und am Neuen nehmen. Hellboys Welt ist schon seit Beginn der Serie dem Untergang geweiht, Atomic Robos Erde dagegen ist voll Vorfreude auf die neuen Möglichkeiten, die die Wissenschaft für die Menschheit bereithält. Und diese Begeisterung ist es, die diese Serie zu etwas Eigenem macht, selbst wenn es mal wieder ernst werden wird und die düsteren Intriganten aus dem Hintergrund weiterhin ihre Fäden ziehen.

Jeden Tag werden interessante, aufregende Entdeckungen gemacht, das sollten wir feiern, und vielleicht können wir zumindest ein bisschen hoffen, eines Tages die alten Fossilien mit ihren Intrigen loszuwerden. Wir müssen nur unsere eigenen Atomic Robos werden.

Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.

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