In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Letzten Mittwoch lief Hannelore Elsners letzter Film Lang lebe die Königin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da die Schauspielerin während der Dreharbeiten verstarb, sprangen insgesamt fünf Schauspielerkolleginnen ein, um die fehlenden Szenen für den sehenswerten Film einzuspielen. Es handelte sich dabei um Iris Berben, Gisela Schneeberger, Hannelore Hoger, Eva Mattes und Judy Winter. Eine schöne Methode, mit der Situation umzugehen. Mir gefällt diese Herangehensweise wesentlich besser als etwaiger digitaler Hokuspokus, der bei diversen High End-Produktionen ja auch schon betrieben wurde. Mir ist es lieber, wenn in so einer Situation mit der perfekten Illusion gebrochen wird und transparent wird, dass es sich um etwas „Gemachtes“ handelt.
Ähnliches gab es auch bereits bei den Comics. So ist der Künstler Will (Willy Maltaite) während der Arbeit an seinem Album Der Baum der zwei Frühlinge nach einem Szenario von Rudi Miel verstorben, als gerade fünf Seiten fertig waren. Die sechste Seite war lediglich zur Hälfte getuscht und ansonsten nur flüchtig skizziert. Aber es fanden sich 19 namhafte Kollegen, die die Geschichte fertig zeichneten, jeder in seinem persönlichen Stil. Man erkennt sofort die Linien von Künstlern wie Jean Claude Mézières, Hermann Huppen, Fournier, Michel Plessix oder Dany, und doch wird eine überraschend geschlossene Erzählung daraus.
Vielleicht liegt es daran, dass die Story, objektiv betrachtet, eher seicht ist. Ein junger Mann findet heraus, dass ein Urahne einmal eine sehr mutige Tat begangen hat, woraufhin sich alle Dinge im Leben dauerhaft zum Besseren wenden. Ich kann mir vorstellen, dass die Erzählung davon profitiert, dass die Idylle, die sich im Lauf der Geschichte entfaltet, durch immer wieder neue Hände interpretiert wird. Der Auftakt von Will hat natürlich genau den fluffigen Stil, den ich an Will schon immer mochte. Auf Seite 6 dann seine letzte, nur noch skizzierte Seite, die wie gedimmt wirkt und auf mich eine ähnliche Wirkung hat wie die berühmte Szene aus Asterix bei den Belgiern, als es plötzlich unmotiviert zu regnen beginnt. Mit dieser Szene hat Uderzo damals seine Trauer zum Ausdruck gebracht, dass Rene Goscinny während der Arbeit an dem Album völlig überraschend verstarb.
In Der Baum der zwei Frühlinge wird auf dieser Seite die Erzählung erst schwarzweiß, dann immer skizzenhafter und löst sich fast im Weißen auf, doch auf der Folgeseite übernimmt dann Francois Walthéry, zunächst ebenfalls mit einer Seite im Skizzenmodus, eine Seite weiter dann aber bereits getuscht und farbig. Ein umwerfender Übergang, der dem Album eine weitere Dimension verleiht. Als würde das Leben wieder zurückkehren, ein tatsächlicher zweiter Frühling. Es gibt in Der Baum der zwei Frühlinge sehr viele wunderschöne Darstellungen, Höhepunkt vielleicht das doppelseitige Splashpanel von Roba, das den Helden mit seiner Freundin beim Tauchen zeigt. Aber selbst Dany, mit dessen Nackedeis ich sonst nicht viel anfangen kann, ist in dieser Geschichte Idealbesetzung und zeichnet doch wieder das, was er am besten kann: Ein junges Pärchen beim Liebemachen. Im poetischen Kontext der Erzählung genau die richtige Darstellung und auf eine Art und Weise, die Will gefallen hätte.
Es hat mir großen Spaß gemacht, dieses Album für mich wiederzuentdecken. Willy Maltaite war stets einer meiner Lieblingszeichner, doch so traurig es ist, dass er das Album nicht selbst fertigstellen konnte, so ist doch gerade durch das Zusammenspiel der insgesamt 20 Zeichner ein ganz besonderes Album entstanden.
Niklas: Ich habe mir wieder eine Rollenspiellektüre gegönnt. Diesmal Elminster‘s Forgotten Realms (langer Titel: Ed Greenwood Presents Elminster’s Forgotten Realms: A Dungeons & Dragons Supplement) von Ed Greenwood, dem Schöpfer der erfolgreichsten D&D-Campaign-Settings. Die Hintergrundwelt kennt man auch ohne Pen&Paper-Erfahrung, wenn man mal Spiele wie Baldur‘s Gate oder Neverwinter gespielt hat. Dieses Buch dreht sich um das Leben der durchschnittlichen Bevölkerung des Kontinents Fâerun und beschreibt, wie der Autor sich die Welt aus seiner Perspektive vorstellt. Denn der durchschnittliche Abenteurer mag zwar regelmäßig eine Großstadt oder gar die Welt retten, aber wie werden eigentlich Gesetze in dieser Welt durchgesetzt? Was essen wir eigentlich in einer Welt, in der gefühlt jedes zweite Tier auch ein blutrünstiges Monster ist? Und was hat man davon, als guter Mensch auch zu bösen Göttern zu beten?
All das erläutert Greenwood auf 192 Seiten eng bedruckt und mit vielen Beispielen. Gerade das Kapitel über die wichtigsten Gottheiten der Realms ist besonders lesenswert, da es auch darauf eingeht, wie die Kulte ihr Geld verdienen und sich in die Gesellschaft integrieren. Auch die guten Gottheiten kriegen ihr Fett weg, wenn Greenwood über Korruption und Trickbetrüger innerhalb der Kirchen schreibt. Die Rolle des Handels wird ebenfalls beleuchtet, was praktisch ist, da jeder Spieler wohl mal einen Händler als Auftraggeber hatte. Das macht die Welt gleich viel glaubhafter und gibt auch Ideen für Abenteuer, die über die üblichen Intrigen zwischen guten und bösen Fraktionen hinausgehen. Fâerun wird dadurch mit mehr Grauzonen versehen, als man vielleicht aus den Computerspielen kennt.
Schön finde ich auch, dass Greenwood alte Dokumente abdruckte, die den Entstehungsprozess der Realms dokumentieren und wie sich einiges im Laufe der Jahre änderte. Das liest sich sehr sympathisch und macht auch den Inhalt des Buches auch über das In-Game Lore hinaus spannend. Gleichzeitig ist das auch einer meiner wenigen Kritikpunkte. Ich hätte mir von solchen Einblicken in die Welt gerne mehr gewünscht, da es mir auch die Vision des Schöpfers näherbringt. Mein zweiter Kritikpunkt betrifft die Zugänglichkeit des Buches, da der Text oft so geschrieben ist, dass man bereits wissen sollte, was die Realms sind. Ich finde durchaus, dass das Buch auch als Einsteigerwerk geeignet gewesen wäre, weswegen zum Beispiel eine Karte des Kontinents oder zumindest eine genauere Beschreibung der einzelnen Götter wünschenswert gewesen wäre, um die Lektüre zu erleichtern. Auch Greenwoods Schreibstil ist manchmal umständlich, da er gerne noch zusätzliche Erklärungen an Sätze hinzufügt, die für sich stehen könnten und manchmal etwas gewollt ironisch schreibt. Trotzdem ist Elminster‘s Forgotten Realms ein gutes Buch, das den Kontinent Fâerun vertieft und dabei hilft, mehr aus der Welt zu machen, als nur eine Kulisse für ein schnelles Abenteuer. Ich zumindest werde das Buch als Referenzquelle benutzen.
Was habt ihr diese Woche gekauft, gesehen, gelesen, gespielt? Postet eure Bilder, Geschichten und Links einfach in die Kommentare.