In der Kolumne „Währenddessen …“ zeigt die Comicgate-Redaktion, was sie sich diese Woche so zu Gemüte geführt hat.
Christian: Glückliches Berlin. Du bist wieder mal die einzige, die dieses Jahr Besuch von P.J. Harvey bekommt. Seit Mitte der 90er, seit Juliette Lewis‘ Coverversion von „Rid of me“ im Film Strange Days, bin ich glühender Fan und war seither von jeder neuen Scheibe hellauf begeistert. Mit ihrem neuesten Werk, The Hope Six Demolition Project, werde ich aber erstmals nicht so recht warm. Zu lärmend und überladen sind die Arrangements, ständig rasselt, fiept, knarzt und scheppert es, was die Melodien leider oft etwas zumüllt. Immerhin, in dem recht konventionellen Hippie-Folkstück „Near the Memorials of Vietnam and Lincoln„ gelingt ihr das Kunststück, eine Panflöte cool klingen zu lassen. Überhaupt schafft es die zweite Hälfte, mich mit griffigen Melodien stärker zu packen als die erste. „The Orange Monkey“, „The Wheel“ und „Medicinals“ sind Stücke, die beinahe die Größe der Vorgängerscheibe Let England Shake erreichen. Vielleicht schlägt mir auch der inhaltliche Fokus auf das soziale Elend der Gegenwart zu sehr auf den Magen, was seltsamerweise bei ihrem Erster-Weltkrieg-Konzeptalbum vor vier Jahren noch überhaupt nicht der Fall war. Aber Let England Shake war eben in jeder Hinsicht herausragend gut. Immerhin, Polly hat auf ihrer neuen Platte das Saxophon für sich entdeckt, und gibt dem Album damit eine sehr eigene und interessante Note. Sicher keine überflüssige Platte. Was zum Anhören findet sich hier: http://www.universal-music.de/pj-harvey/videos/detail/video:393164/the-wheel
Niklas: Captain America: Civil War ist kein guter Film. Das Handlungsgerüst ist zu kompliziert und die einzelnen Handlungsstränge werden nicht konsequent verfolgt. Das Thema Schuld wird angeschnitten, aber nicht vertieft und jede Figur in diesem Streifen ist ein Vollidiot. Jeder, ob sie nun Steve Rogers (Captain Dumpfbacke) oder Tony Stark (Iron Depp) heißen. Alle Konflikte könnten mit einem langen Gespräch geklärt werden, denn dies ist ein Superheldenfilm. Die Handlung dient nur als Vorbereitung für die Kämpfe. Wenn es dann mal rundgeht, ist das nett, aber wenn der Rest nicht stimmt, dann täuscht auch die beste Action nicht darüber hinweg, wie langweilig und dumm der Film ist. Der Konflikt dreht sich darum, dass wo immer Superhelden hingehen, Chaos und Zerstörung folgt. Die Superhelden arbeiten dagegen indem sie … noch mehr Chaos und Zerstörung anrichten und arrogante Reden darüber halten, wie wichtig ihr Job doch sei. Die Superheldengegner haben am Ende RECHT und Captain America ist nur der Gute, weil er als einziger ermittelt, anstatt wie ein stures Kind auf den Boden zu stampfen und nicht einmal zuzuhören. Sie sind gemeint, Mister Iron Man.
Dieser Film hat die Handlung eines schlechten Comics und bekommt dafür einen Freischein, weil er ein Actionfilm ist. Zumindest ist das die Begründung in meinem Bekanntenkreis. Und das regt mich am meisten auf, weil diese Leute ein Comic für dieselben idiotischen Ideen auseinandergenommen hätten. Aber hey, es macht schön (Zitat:) „krachbumm“ und ich soll es mal nicht so ernst nehmen, ist ja nur ein Film. Diese Logik lasse ich bei einem so gewaltigen Franchise wie dem Marvel-Universum nicht zu. Vor allem da dies doch ein so wichtiger Film werden sollte. Man hätte es so viel einfacher haben können. Wenn es auf eine große Klopperei am Ende hinausläuft, hätte die Handlung sich um Gedankenkontrolle durch außerirdische Parasiten oder so drehen können. Es ist das Marvel-Universum, alles ist möglich und nichts ist zu blöd. Vielleicht hätte ich mit außerirdischen Parasiten auch Spaß gehabt. Aber nein, der Film muss sich ja ernst nehmen und so tun, als hätte er etwas zusagen, um es dann doch nicht zu tun. Weil den Machern die Eier dafür fehlen, tiefer zu bohren. Wenn Civil War uns eines lehrt, dann dass Superhelden doof und selbstgerecht sind. Sie schlagen infantil knurrend aufeinander ein und die Zuschauer sollen applaudieren, wenn genetisch veränderte Laborunfälle, ein reicher Narzisst und ein Diktator (Black Panther) das internationale Recht mit Füßen treten und für noch mehr Zerstörung sorgen. Bravo! Da soll sich noch einer wundern, warum Superhelden auch gern mal als faschistisch beschimpft werden.
Niklas: Captain America: Civil War hat mich zweieinhalb Stunden aufgeregt. Hellboy in Hell #9 hatte ich in fünf Minuten durch und bereitete mir beim Lesen unglaublich viel Freude. Ich erinnere mich noch vor vier Jahren an viele Interviews, in denen Mignola ankündigte, dass Hellboy in Hell bis in alle Ewigkeit laufen könnte. Dann sollten es plötzlich nur noch zwanzig Hefte sein. Ein paar Monate später hieß es, dass die Serie doch nur zehn Hefte lang sein würde. Meine persönlichen Gedanken waren ja, dass Dark Horse Comics seit dem Verlust der Star Wars-Lizenz einiges an Gewinn eingebüßt hat und Hellboy in Hell bestimmt nicht so profitabel ist wie das Spin-Off B.R.P.D: Hell on Earth. Da wäre es bestimmt nicht unwahrscheinlich, dass sie die Serie canceln würde. Aber selbst wenn das stimmen sollte, liest sich Hellboy in Hell #9 erstaunlich rund.
Die Atmosphäre ist melancholisch und traurig, das Heft schließt nahtlos an seine Vorgänger an. Mignola eröffnet keine neuen Handlungsstränge, schließt aber mindestens drei weitere ab und bereitet Hellboy wie auch den Leser langsam auf das Ende vor. Positiv anzumerken ist auch, dass ich an einigen Stellen wirklich schmunzeln musste. Hellboy behält also auch weiterhin seinen Sinn für Humor. Das ist irgendwie tröstlich nach all den Strapazen, die der arme Kerl hinter sich hat. Wenn Hellboy in Hell #10 die Serie beendet, könnte das trotz einiger loser Handlungsstränge vielleicht auch das Ende der Hauptgeschichte von Hellboy sein. Ich frage mich, ob das wirklich so schlecht wäre. Nach all den Jahren wissen wir fast alles über den großen Roten. Seine Rolle bei der Vernichtung der Ogdru-Jahad könnten inzwischen ganz gut seine Kollegen bei der B.R.P.D. übernehmen. Ihren Höhepunkt fand die Geschichte mit den Miniserien Darkness Calls, The Wild Hunt und The Storm and the Fury. Hellboy in Hell fühlte sich für mich immer wie ein Epilog an. Also ja, warum hören wir hier nicht auf und gönnen Hellboy etwas Ruhe? Ich kann mir nach der Lektüre von Hellboy in Hell #9 Schlimmeres vorstellen. Aber wenn ich mich recht erinnere, erwähnte Mignolas Redakteur Scott Allie, dass zumindest noch eine Geschichte namens Hellboy at the end of the world geplant ist. Hellboy wird also hiernach mindestens noch einmal die Fäuste sprechen lassen und dann vielleicht endlich seinen Frieden finden. Ich würde es ihm gönnen und sei es auch nur, weil Hellboy in Hell #9 mich so nachdenklich stimmte und ich das zehnte Heft kaum noch erwarten kann.
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